Mittwoch, 16. Dezember 2015

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht zur Glücksspielabgabe

Nach § 35 Abs. 1 des Glücksspielgesetzes Schleswig-Holstein 1) wird von Personen, die in Schleswig-Holsein Glücksspiele vertreiben, eine Glückspielabgabe erhoben.

Glücksspiele gelten als im Geltungsbereich dieses Gesetzes vertrieben, sofern sie über diesen Geltungsbereich hinaus durch einen Genehmigungsinhaber nach diesem Gesetz Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland haben, bestimmungsgemäß zugänglich gemacht werden. Ein Vertrieb in diesem Sinne liegt auch vor, wenn ein genehmigungspflichtiges Glücksspiel ohne erforderliche Genehmigung bestimmungsgemäß zugänglich gemacht wird (§ 35 Abs. 2 GlSpielG SH).§ 40 der Abgabenordnung gilt entsprechend (§ 35 Abs. 4 GlSpielG SH).

Der Abgabensatz beträgt gemäß § 36 Abs. 1 GlSpielG SH 20 vom Hundert der Bemessungsgrundlage. Bemessungsgrundlage ist der Rohertrag aus den angebotenen und durchgeführten Glücksspielen. Als Rohertrag gilt der Betrag, um den die Summe aller Spieleinsätze die Summe aller ausgezahlten Spielgewinne übersteigt. Abweichend hiervon gelten bei Glücksspielen, bei denen der Veranstalter kein Spielrisiko trägt (Spiele ohne Bankhalter), die Beträge als Bemessungsgrundlage, die dem Glücksspielanbieter aus dem Spiel zufließen (§ 36 Abs. 2 GlSpielG SH).

Die Abgabe entsteht gemäß § 37 Abs. 1 GlSpielG SH mit dem Zustandekommen des Spielvertrags. Abgabenschuldner ist nach § 38 Abs. 1 GlSpielG SH der Glücksspielanbieter. Die Abgabe schuldet auch, wer nicht genehmigte Glücksspiele anbietet.

Der Glücksspielanbieter hat gemäß § 40 Abs. 2 GlSpielG SH für das Kalenderjahr eine Jahreserklärung auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck bis zum 31.05.des Folgejahres bei der zuständigen Finanzbehörde abzugeben. In dieser sind die Summe aller Spieleinsätze sowie die gesamte Bemessungsgrundlage nach § 36 aller im Kalenderjahr durchgeführten Glücksspiele nach Art der Glücksspiele getrennt und die darauf für das Kalenderjahr entfallende Glücksspielabgabe sowie die bereits nach Absatz 1 geleisteten Vorauszahlungen anzugeben. Eine verbleibende Zahllast beziehungsweise ein etwaiges Guthaben aus der Jahreserklärung werden von der Finanzbehörde durch Bescheid festgesetzt.

Nach § 48 GlSpielG SH dürfen Genehmigungen nach diesem Gesetz erst mit Wirkung ab dem 1.03.2012 erteilt werden. Die Glücksspielabgabe nach diesem Gesetz wird ab dem 1.03.2012 erhoben.

Gegen die Rechtmäßigkeit dieser gesetzlichen Regelungen des GlSpielG SH hat das Finanzgericht nach summarischer Prüfung keine Bedenken.

Der Einwand der Antragstellerin, es fehle dem schleswig-holsteinischen Landesgesetzgeber jedenfalls für die Erhebung der Glücksspielabgabe auf Online-Casinospiele und Sportwetten, soweit diese aus dem Vertrieb an Personen resultierten, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland, aber nicht in Schleswig-Holstein hätten, jeglichen Anknüpfungspunkt, hält das Finanzgericht nicht für begründet.

Das Land Schleswig-Holstein konnte im Glücksspielgesetz für Schleswig-Holstein grundsätzlich Regelungen für das Genehmigungsverfahren und die Erhebung einer Glücksspielabgabe treffen, da die Gesetzgebung im Bereich der Glücksspiele gemäß den Art. 70 und 72 des Grundgesetzes in die Zuständigkeit der Länder fällt.

Die gesetzlichen Regelungen des Genehmigungsverfahrens und über die Glücksspielabgabe im GlSpielG SH verstoßen nicht gegen den Grundsatz der Verbandskompetenz. Da es zur Reichweite der Hoheitsgewalt der Bundesländer keine Regelungen im deutschen Staatsrecht gibt, können diesbezügliche völkerrechtliche Grundsätze auf das Hoheitsgefüge der Bundesländer übertragen werden 2). Aus dem Völkerrecht ergibt sich im Grundsatz keine Beschränkung der Regelungsgewalt eines Nationalstaats auf sein Hoheitsgebiet. Eine positive völkerrechtliche Regelung über die extraterritoriale Geltung staatlicher Normen gibt es nicht, das Völkerrecht kann die Geltung staatlicher Rechtsnormen nur begrenzen. Dies geschieht durch das Territorialitätsprinzip, nach dem Gesetzen auf wohl allen Rechtsgebieten grundsätzlich nur dann extraterritoriale Geltung beigelegt werden darf, wenn ein inländischer Anknüpfungspunkt vorhanden ist 3). Die Erstreckung der Regelungsgewalt auf einen Auslandssachverhalt setzt also im Kern ausschließlich einen Anknüpfungspunkt des Auslandssachverhaltes an einen Inlandssachverhalt und die Hoheitsgewalt des die Regelung setzenden Staates voraus. Die Hoheitsgewalt eines Landes bezieht sich auf das dieser Gebietskörperschaft zugehörige Territorium (Verbandskompetenz). Bei der grenzüberschreitenden Regelung von Sachverhalten reicht nach völkerrechtlichen Grundsätzen zur Begründung der Regelungskompetenz eines Staates ein Anknüpfungspunkt im Inland aus.

Die gesetzlichen Regelungen des Genehmigungsverfahrens im GlSpielG SH verstoßen nach diesen Grundsätzen nicht gegen den Grundsatz der Verbandskompetenz. Genehmigungen nach § 4 GlSpielG SH erstrecken sich in ihrer Wirkung allein auf das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein. Dies ergibt sich sowohl aus § 2 Abs. 1 als auch aus § 4 Abs. 1 GlSpielG SH, wonach das Angebot bzw. die Veranstaltung von öffentlichen Glücksspielen im Geltungsbereich des Glücksspielgesetzes geregelt wird bzw. der Genehmigung bedarf. Ein Verstoß gegen die Verbandskompetenz des Landes ist durch diese gesetzlichen Bestimmungen nicht ersichtlich, da mit ihnen das Veranstalten von Glücksspielen außerhalb des Hoheitsgebietes des Landes Schleswig-Holstein nicht verboten wird. Vielmehr wird durch den Gesetzgeber allein geregelt, dass eine Erlaubnis sich auf das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein beschränkt.

Die auf dieser Grundlage erteilten ordnungsrechtlichen Genehmigungen gelten dementsprechend nur für den Geltungsbereich des GlSpielG SH. Zudem lässt der Vollzug von Landesrecht in der Regel auf eine nur landesweite Geltung der Anordnung schließen 4).

Die Regelungen des GlSpielG SH über die Erhebung einer Glücksspielabgabe verstoßen ebenfalls nicht gegen den Grundsatz der Verbandskompetenz. Anknüpfungspunkt in Schleswig-Holstein ist für die Abgabenpflicht nach § 35 Abs. 1 GlSpielG SH, dass eine Person im Geltungsbereich dieses Gesetzes Glücksspiele vertreibt. Dabei wird nicht zwischen inländischen und ausländischen Personen unterschieden. Die Verwirklichung eines Abgabentatbestandes im Gebiet Schleswig-Holsteins und die Herbeiführung eines abgabenrechtlich erheblichen Erfolges in Schleswig-Holstein sind nach dieser Rechtsnorm Voraussetzung für die Abgabenpflicht 5).

Darüber hinaus enthält die Regelung des § 35 Abs. 2 Satz 1 GlSpielG SH ebenfalls einen hinreichenden Anknüpfungspunkt zum Hoheitsgebiet des Landes Schleswig-Holstein, weil hiernach Glücksspiele durch einen Genehmigungsinhaber nach diesem Gesetz Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland haben, bestimmungsgemäß zugänglich gemacht werden. Der Glücksspielanbieter muss also eine schleswig-holsteinische Glücksspiellizenz beantragt und eine Veranstaltungsgenehmigung nach dem GlSpielG SH erhalten haben, die ihn gerade dazu verpflichtet, die Genehmigung nur im Hoheitsgebiet von Schleswig-Holstein zu nutzen. Unter Berücksichtigung der Zielsetzung des GlSpielG SH und des Zwecks der Glücksspielabgabe, einerseits den Glücksspielmarkt nur für Schleswig-Holstein zu liberalisieren und andererseits zunehmenden Suchtgefahren Rechnung zu tragen, erweist es sich als legitim, die Abgabenpflicht auch auf die Umsätze aus der Teilnahme von Spielern aus dem gesamten Bundesgebiet zu erstrecken, wenn der Glücksspielanbieter gegen die ihm erteilte Genehmigung verstößt. Die Glücksspielabgabe ist als nichtsteuerliche, lenkende Sonderabgabe konzipiert, die zu einem bestimmten Verhalten anreizen bzw. Fehlverhalten sanktionieren soll. Dieser Zielsetzung würde eine gesetzliche Regelung entgegenlaufen, die zwar das legale Spiel eines Genehmigungsinhabers mit einer Abgabe belegen würde, nicht jedoch dessen illegales Spiel. Deshalb verweist § 35 Abs. 4 GlSpielG SH ausdrücklich darauf, dass § 40 AO entsprechend Geltung hat. Wenn ein Glücksspielanbieter in Kenntnis der gesetzlichen Regelungen über die Glücksspielabgabe eine Genehmigung nach dem GlSpielG SH beantragt und erhält, kann er sich auch gesetzeskonform verhalten, so dass er nicht in Gefahr kommt, auch nach § 35 Abs. 2 Satz 1 GlSpielG SH veranlagt zu werden. Wenn gleichwohl Gewinne aus einer nicht gesetzeskonformen Ausnutzung der schleswig-holsteinischen Genehmigung für das Veranstalten von Glücksspielen mit Spielern in anderen Bundesländern erzielt werden, erscheint es dem Finanzgericht vom weitreichenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt, auch diese Roherträge mit der Glücksspielabgabe zu belegen.

Der Einwand, die Verbandskompetenz habe im Ordnungsrecht und Abgabenrecht keine unterschiedliche Reichweite und Eingriffe des Landes Schleswig-Holstein in die Freiheitsrechte der Bürger anderer Bundesländer müssten sich an der Verbandskompetenz messen, überzeugt nicht. Vorliegend wird durch das Glücksspielgesetz nicht von Bürgern anderer Bundesländer eine Abgabe erhoben, sondern die Abgabenpflicht besteht nur für die Glücksspielanbieter, von denen der durch diese veranstalteten Glücksspiele erzielte Ertrag mit 20 % Glücksspielabgabe belegt wird. Insoweit erfolgt durch das Gesetz kein Eingriff in Freiheitsrechte von Spielern, die in anderen Bundesländern wohnen. Ein Überschreiten der Verbandskompetenz ist deshalb nicht gegeben.

Nach alledem hat der Gesetzgeber mit den Regelungen der §§ 35 ff GlSpielG zur Überzeugung des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts nicht seine Verbandskompetenz unzulässigerweise überschritten.

Im Streitfall waren hinreichende sachliche Anknüpfungsmomente für die Erhebung des Abgabenanspruchs durch den schleswig-holsteinischen Fiskus gegeben.

Nach summarischer Prüfung bestehen insoweit keine rechtlichen Bedenken gegen die mit den Bescheiden vom 21.03.2014 über die Glücksspielabgabe für 2012; und vom 11.03.2015 über die Glücksspielabgabe für 2013 festgesetzte Glücksspielabgabe. Ausgehend von den einschlägigen Rechtsnormen des GlSpielG SH hat die Antragstellerin Jahresanmeldungen der Glücksspielabgabe gem. § 40 Abs. 2 GlSpielG SH für die Jahre 2012 und 2013 bei dem Antragsgegner eingereicht. Mit den streitbefangenen Bescheiden vom 21.03.2014 über die Glücksspielabgabe für 2012; und vom 11.03.2015 über die Glücksspielabgabe für 2013 wurde die Antragstellerin erklärungsgemäß veranlagt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat der Antragsgegner insoweit zu Recht die Bemessungsgrundlage nicht reduziert. Abgesehen davon, dass die Antragstellerin in keiner Weise glaubhaft gemacht hat, ob und in welchem Umfang Spieler mit Wohnsitz oder Aufenthalt innerhalb und außerhalb von Schleswig-Holstein zum Rohertrag nach § 36 GlSpielG SH beigetragen haben, hat die Antragstellerin den gesetzlichen Abgabentatbestand verwirklicht. Sie hat im Geltungsbereich des GlSpielG SH Glücksspiele vertrieben und – wie sie selbst vorträgt – auch als Genehmigungsinhaber Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland haben, Glücksspiele bestimmungsgemäß zugänglich gemacht.

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Beschluss vom 17. September 2015 –5 V 242/14
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1) Gesetz zur Neuordnung des Glücksspiels (Glücksspielgesetz) vom 20.10.2011↩
2) VG Düsseldorf, Urteil vom 13.09.2011 27 K 1005/09 Rz. 44↩
3) Rojahn in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, Band 2, Art. 25 Rn. 2; Streinz in Jahn, GG-Kommentar, 6. Auflage, Art. 25 Rn. 54↩
4) vgl. BVerwG, Urteil vom 30.01.2002 – 9 A 20/01, BVerwGE 115, 373↩
5) vgl. zu diesen Voraussetzungen als hinreichenden Anknüpfungspunkt auch BVerfG, Beschluss vom 22.03.1983 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343↩

Dienstag, 15. Dezember 2015

Deutscher Sportwettenverband (DSWV): Sportwettlizenzen: Vier Jahre Wartezeit

Heute vor vier Jahren, am 15. Dezember 2011, unterzeichneten die Ministerpräsidenten in Berlin den Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag. Nach monatelangen Verhandlungen unter den Bundesländern sollte mit der Gesetzesnovelle das europarechtswidrige Staatsmonopol aufgegeben und der Grundstein für die Öffnung des Marktes für Sportwetten in Deutschland gelegt werden.

Doch auch vier Jahre später haben die Bundesländer den Beschluss der Ministerpräsidenten nicht umgesetzt. Stattdessen besteht ein Regulierungschaos ungeahnten Ausmaßes. Aufgrund eines Beschlusses des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom September wird es Sportwettenkonzessionen auch in den nächsten Jahren nicht geben. Das Konzessionsverfahren für Sportwetten ist de facto gescheitert. Effektiver Verbraucherschutz ist so kaum möglich.

Mathias Dahms, Präsident des Deutschen Sportwettenverbandes (DSWV), kommentiert: “Andere europäische Staaten haben längst gezeigt, dass der Sportwettenmarkt problemlos reguliert werden kann. In Deutschland hat sich der Glücksspielstaatsvertrag als untauglich erwiesen, den Markt auch nur ansatzweise unter Kontrolle zu bringen. Wir brauchen dringend eine neue gesetzliche Grundlage. Es darf nicht sein, dass wir darauf noch weitere vier Jahre warten.“

An dem Staatsvertrag selbst bestehen – wieder einmal – erhebliche verfassungsrechtliche und europarechtliche Zweifel. Das im Vertrag verankerte Glücksspielkollegium, ein zentrales Verwaltungsorgan der Bundesländer mit quasi legislativer Funktion, verstößt nach Auffassung mehrerer Verwaltungsgerichte gegen das Demokratie- und Bundesstaatsprinzip.

Auch die EU-Kommission hat mit der Einleitung eines Pilotverfahrens Zweifel erhoben, ob die deutsche Sportwettenregulierung europarechtskonform ist. Zudem prüft der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Regelungen der Bundesländer. Am 4. Februar 2016 wird er sein Urteil verkünden. Sollte der Gerichtshof – wie üblich – der Meinung des Generalanwalts folgen, wäre dies die dritte höchstrichterliche Schlappe für die Länder in Folge. Das Bundesverfassungsgericht und der EuGH hatten bereits 2006 und 2010 die beiden Vorgängerstaatsverträge als rechtswidrig verworfen.

Mathias Dahms ergänzt: “Es ist an der Zeit, das Flickwerk der Vergangenheit aufzulösen und einen neuen Staatsvertrag zu definieren, der die legitimen gesellschaftspolitischen Ziele in den Mittelpunkt stellt. Partielle Anpassungen an dem bestehenden Werk sind dafür nicht geeignet.“

Quelle: Deutscher Sportwettenverband e.V.

Hans-Jörn Arp und Wolfgang Kubicki: Vier Jahre Glücksspielstaatsvertrag – vier Jahre ohne Spielerschutz und Suchtprävention bei Sportwetten im Internet

Anlässlich des vierten Jahrestages der Unterzeichnung haben der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Hans-Jörn Arp, und der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki auf das komplette Scheitern des aktuellen Glücksspielstaatsvertrages hingewiesen:

„Heute ist ein Feiertag für Zocker und Geldwäscher. Vor vier Jahren wurde ein Glücksspielstaatsvertrag unterschrieben, der bis heute nicht umgesetzt ist. Der Schwarzmarkt boomt, die ehrlichen Anbieter gucken in die Röhre und Internetspieler haben keine Möglichkeit, die Seriosität eines Angebotes zu prüfen“, erklärte Arp heute (15. Dezember 2015) in Kiel.

Mittlerweile sei nach einem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes klar, dass es auf Grundlage des Vertrages auch in den kommenden Jahren keine Konzessionen geben werde. Ferner hätten Gerichte geurteilt, dass das vertraglich festgelegte Glücksspielkollegium gegen das Demokratie- und Bundesstaatsprinzip verstößt. Der Europäische Gerichtshof werde am 04. Februar 2016 über die Regelungen der Bundesländer urteilen, die EU-Kommission habe ein Pilotverfahren eingeleitet. Absehbar werde es dem aktuellen Vertrag deshalb so gehen, wie seinen Vorgängern, die 2006 und 2010 höchstrichterlich verworfen wurden.

Wolfgang Kubicki: „Gründlicher kann man nicht scheitern. Das deutsche Glücksspielsystem ist komplett verkorkst. Jedes Gericht würde Sanktionen der Ordnungsbehörden als rechtswidrig verwerfen. Weil die Ordnungsbehörden das wissen, darf jeder machen, was er will. Und die Ministerpräsidenten gucken dem Treiben zu. Deutschland macht sich lächerlich.“

Beide Abgeordneten erinnerten daran, dass Schleswig-Holstein unter Ministerpräsident Albig dem Vertrag nachträglich beigetreten ist. Vorher galt das von CDU und FDP erlassene – und von der EU-Kommission notifizierte – Glücksspielgesetz. Die auf dessen Grundlage problemlos vergebenen Lizenzen haben bis heute Gültigkeit.

Arp und Kubicki: „Wir haben gezeigt, wie es geht. Warum die Ministerpräsidenten seit vier Jahren nicht wollen, dass es geht, müssen sie erklären.“

EuGH-Vorlageverfahren Ince (Rs. C-336/14): Urteilsverkündung am 4. Februar 2016

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

In dem Vorlageverfahren Ince (Rs. C-336/14), die der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) am 10. Juni 2015 verhandelt hatte, wird am 4. Februar 2016, 9:30 Uhr das Urteil verkündet werden. Diese Rechtssache betrifft eine Vorlage aus Deutschland durch das Amtsgericht Sonthofen. Folgt der EuGH der Rechtsauffassung seines Generalanwalts, müsse das Glücksspiel- und Wettrecht in Deutschland neu geregelt werden, vgl. http://wettrecht.blogspot.de/2015/10/schlussantrage-in-der-rechtssache-ince.html.

Der EuGH-Generalanwalt Szpunar hatte die Sach- und Rechtslage in Deutschland in seinen Schlussanträgen vom 22. Oktober 2015 als klar europarechtswidrig kritisiert, siehe http://wettrecht.blogspot.de/2015/10/schlussantrage-des-generalanwalts-in.htmlDer Generalanwalt empfiehlt demnach den EuGH, auf die Vorlagefragen des Amtsgerichts Sonthofen wie folgt zu antworten:

1. Hat ein nationales Gericht festgestellt, dass ein Sportwettenmonopol gegen Unionsrecht verstößt, und können nach den Bestimmungen des nationalen Rechts nur öffentliche Einrichtungen eine innerstaatliche Erlaubnis erlangen, so hindert Art. 56 AEUV nationale Strafverfolgungsbehörden daran, die ohne innerstaatliche Erlaubnis erfolgte Vermittlung von Sportwetten an einen in einem anderen Mitgliedstaat lizenzierten Wettveranstalter zu sanktionieren.

2. Art. 8 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft hindert daran, die ohne innerstaatliche Erlaubnis erfolgte Vermittlung von Sportwetten über einen Spielautomaten an einen in einem anderen Mitgliedstaat lizenzierten Wettveranstalter zu sanktionieren, wenn die staatlichen Eingriffe auf technischen Vorschriften beruhen, die der Europäischen Kommission nicht notifiziert worden sind. Nationale Bestimmungen wie die §§ 4 Abs. 1 und 10 Abs. 2 und 5 des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen sind keine „technischen Vorschriften“ im Sinne von Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie 98/34.

3. Art. 56 AEUV steht der Sanktionierung der Vermittlung von Sportwetten ohne innerstaatliche Erlaubnis an einen in einem anderen Mitgliedstaat lizenzierten Wettveranstalter entgegen, wenn ein nationales Gericht festgestellt hat, dass ein Konzessionsverfahren, in dem höchstens 20 Konzessionen für Wettveranstalter vergeben werden, nicht mit allgemeinen Grundsätzen wie dem Gleichheitsgrundsatz, dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und dem Transparenzgrundsatz in Einklang steht.


Der EuGH hatte die Sache am 10. Juni 2015  verhandelt, siehe den Bericht zu dem Verhandlungstermin: http://wettrecht.blogspot.de/2015/06/das-fiasko-beim-sportwetten.html

Die Europäische Kommission hatte die Sach- und Rechtslage in Deutschland in ihrer Stellungnahme an den EuGH als europarechtswidrig kritisiert:
http://wettrecht.blogspot.de/2015/02/eugh-verfahren-ince-europaische.html

Zu dem Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Sonthofen:
http://wettrecht.blogspot.de/2014/09/vorlage-den-eugh-rechtssache-33614-ince.html

Rechtsanwalt Martin Arendts vertritt Frau Ince vor dem Amtsgericht Sonthofen und vor dem EuGH. 

Tel für Rückfragen: 089 / 64 91 11 75, Fax. - 76

Donnerstag, 5. November 2015

Wie geht es weiter mit dem Konzessionsverfahren?

Dazu gibt es selbst im Deutschen Lotto- und Toto-Block völlig unterschiedliche Auffassungen, die der "Wiesbadener Kurier" in einem Beitrag darstellt:

Jürgen Häfner, Geschäftsführer von Lotto Rheinland-Pfalz:

Häfner sieht noch Chancen für das aktuelle Verfahren. Die Feststellungen des VGH seien „nicht gleichbedeutend mit der Beendigung des Vergabeverfahrens. Es gilt nun, durch die zuständigen Behörden zu prüfen, wie die von den VGH Kassel gerügten Punkte geheilt und das Verfahren weitergeführt und beendet werden kann.“

Deutlich kritischer sieht es dagegen der Geschäftsführer von Lotto Hessen:

Der Schwarzmarkt sei nur in den Griff zu bekommen, „wenn wir endlich eine kontrollierte Öffnung des Sportwettenmarktes zulassen. Jeder Anbieter, der die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, soll anbieten dürfen; alles andere geht an der Lebenswirklichkeit vorbei“, so Geschäftsführer Heinz-Georg Sundermann. In der Lotto-Szene gaben viele der Lizenzvergabe an lediglich 20 Anbieter ohnehin nur wenig Chancen, zumal Größen wie Tipico oder Interwetten außen vor blieben
.

Freitag, 23. Oktober 2015

Wolfgang Kubicki und Hans-Jörn Arp: Der Glücksspielstaatsvertrag ist Makulatur - die Schleswig-Holsteinische Landesregierung muss jetzt Konsequenzen ziehen

Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki, und der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Hans-Jörn Arp, haben heute (22. Oktober 2015) Ministerpräsident Torsten Albig aufgefordert, auch vor dem Hintergrund des jüngsten Urteils des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zügig den Weg für eine verfassungs- und europarechtskonforme Glücksspielregulierung freizumachen. Sie verwiesen dabei auf eine Studie der wik-consult im Auftrag des Deutschen Verbandes für Telekommunikation und Medien (DVTM), die auf den Münchner Medientagen vorgestellt wurde und zum gleichen Fazit kommt.

„Die schleswig-holsteinische Landesregierung muss jetzt die richtigen Schlüsse ziehen und die unbegreifliche Irrfahrt beim Glücksspielstaatsvertrag beenden. Das jahrelange Leugnen der Realitäten auf dem Glücksspielmarkt fällt der schleswig-holsteinischen Landesregierung nun - auch durch das Urteil aus Hessen - auf die Füße. Die Botschaft der Studie an die Politik ist klar: Jetzt müssen die richtigen Weichenstellungen für die künftige Regelung des Glücksspiels geschaffen werden. Schleswig-Holstein war – genau wie der Staat Dänemark - mit seinem Glücksspielgesetz bereits auf dem richtigen Weg“, erklärte FDP-Fraktionschef Kubicki.

Am vergangenen Freitag (16. Oktober 2015) hatte der 8. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs das im Glücksspielstaatsvertrag festgeschriebene Konzessionsverfahren zur Vergabe von Sportwettlizenzen endgültig gestoppt
(8 B 1028/15/VG Wiesbaden 5 L 1453/14.WI).

Pressemitteilung der CDU- und FDP-Landtagsfraktionen

Donnerstag, 22. Oktober 2015

Deutscher Lottoverband: EuGH: Generalanwalt kritisiert deutsche Glücksspielregulierung erneut deutlich

Pressemitteilung des Deutschen Lottoverbands (DLV) vom 22. Oktober 2015

Deutscher Lottoverband fordert konsequente und kohärente Neuausrichtung

Hamburg, 22.10.2015 – Die deutsche Glücksspielgesetzgebung gerät immer mehr unter Druck. In Luxemburg hat heute der Generalanwalt vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) seine Schlussanträge in einem weiteren deutschen Verfahren vorgelegt (Rechtssache Ince, C-336/14).

Die Aussagen des Generalanwalts sind eine Ohrfeige für die deutsche Rechtsprechung zum alten Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV), der bis 2012 galt. Der EuGH hatte 2010 entschieden, dass die Glücksspielpolitik der Bundesländer eklatant widersprüchlich sei und den Staatsvertrag gekippt. Die Bundesländer hätten mit ihrem Glücksspielmonopol fiskalische Interessen verfolgt. Dann aber könnten sie nicht private Glücksspielangebote verbieten mit der Begründung, dass hiermit die Spielleidenschaft der Bevölkerung eingedämmt werden soll. Trotzdem verboten deutsche Behörde und Gerichte in vielen Fällen private Glücksspielangebote. Die Rechtsprechung bis hin zum Bundesverwaltungsgericht hielt den privaten Anbietern vor, dass sie keine behördliche Genehmigung hätten – eine Genehmigung, die im Staatsvertrag gar nicht vorgesehen war und die kein einziger Anbieter erhalten hat. Der Generalanwalt spricht insofern von einer „Fiktion eines Erlaubnisverfahrens“. „Es sei zynisch, von einem Wirtschaftsteilnehmer zu verlangen, dass er sich einem Verfahren unterzieht, das zum Scheitern verurteilt ist.

Sprengstoff für die Glücksspielregulierung der Bundesländer sind zudem die heutigen Aussagen des Generalanwalts zur Notifizierung von staatlichen Vorschriften für das Internet. Wenn diese Vorschriften nicht bei der Europäischen Kommission notifiziert werden, dürften sie von deutschen Gerichten nicht angewandt werden. Die deutschen Bundesländer hatten im Jahr 2012 den Glücksspielstaatsvertrag verlängert, ohne dies zu notifizieren. Das war, so der Generalanwalt, rechtswidrig. „Wir brauchen endlich Rechtssicherheit und eine kohärente Glücksspielregulierung in Deutschland“, so Norman Faber, Präsident des Deutschen Lottoverbandes (DLV).

Bereits in der mündlichen Anhörung beklagten Kommissionsvertreter deutlich die „Misere des deutschen Glücksspielrechts“ und forderten Reformen. Die wichtigste Hausaufgabe der Länder, die Vergabe von Lizenzen für die Veranstaltung von Sportwetten, ist auf Basis des aktuellen GlüStV unlösbar geworden. Denn bereits in der vergangenen Woche hatte der Hessische Verwaltungsgerichtshof das deutsche Sportwetten-Konzessionsverfahren gestoppt, weil es gegen Verfassungs- und Europarecht verstößt. Aber gerade hierfür drängt die EU-Kommission auf eine europarechtskonforme Lösung und hat ein EU-Pilotverfahren gegen Deutschland eingeleitet, das in einem Vertragsverletzungsverfahren münden könnte. Der Generalanwalt betonte heute noch einmal die strengen unionsrechtlichen Anforderungen, die bei der Erteilung nationaler Glücksspiellizenzen gelten.

Der Deutsche Lottoverband setzt sich als Vertretung der unabhängigen Lotterievermittler in Deutschland für eine umfassend neue Lotterie-Regulierung ein. Infolge des GlüStV sind dem deutschen Lotto seit 2008 kumuliert rund 20 Milliarden Euro an Einnahmen weggebrochen. Darunter leiden auch der Breitensport und die zahlreichen sozialen Projekte, die aus den Lottoeinnahmen gefördert werden. Parallel zum dramatischen Rückgang bei den Lotterien haben sich die Umsätze spielsuchtgefährlicher Spielarten vervielfacht.

Deutscher Sportwettenverband: EuGH Generalanwalt: Deutsches Sportwettenkonzessionsverfahren europarechtswidrig

Pressemitteilung des Deutschen Spotwettenbverbandes (DSWV)

Durch EuGH-Urteil würden wesentliche Teile des Glücksspielstaatsvertrags nicht mehr anwendbar
 

Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof Maciej Szpunar hat heute im Vorlageverfahren Sebat Ince (C-336/14) seine Schlussanträge vorgelegt. Sollten die Luxemburger Richter den Schlussanträgen folgen, dürfte höchstrichterlich besiegelt sein, dass das seit Jahren verzögerte bundesweite Sportwettenkonzessionsverfahren auch gegen Europarecht verstößt.

Hintergrund ist, dass bayerische Behörden eine Vermittlerin von Sportwetten wegen fehlender Erlaubnis strafrechtlich belangen wollten. Das zuständige Amtsgericht in Sonthofen hatte jedoch erhebliche Zweifel, ob der zugrunde liegende Glücksspielstaatsvertrag mit dem Europarecht konform sei und legte dem EuGH mehrere Fragen zur Prüfung vor.

Der EuGH-Generalanwalt erteilt den bayerischen Behörden nun eine deutliche Absage und bestätigt, dass staatliche Stellen nicht gegen Sportwettenvermittler ohne behördliche Genehmigung vorgehen dürfen, wenn zugleich ein auf 20 Anbieter begrenztes Sportwettenkonzessionsverfahren gegen die allgemeinen europarechtlichen Grundsätze, wie das Transparenz- und das Bestimmtheitsgebot, verstößt.

Erst letzte Woche hatte der Verwaltungsgerichtshof Hessen solch einen Verstoß gegen das Transparenzgebot unanfechtbar festgestellt. Damit sind die Bedingungen erfüllt, unter denen der Generalanwalt das Verfahren für europarechtswidrig erachtet.

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs wird gegen Ende des Jahres erwartet. Weit überwiegend folgen die Luxemburger Richter den Anträgen des Generalanwalts.

Im konkreten Fall hieße dies auch, dass wesentliche Teile des Glücksspielstaatsvertrags nicht mehr anwendbar wären. Insbesondere dürften staatliche Stellen nicht mehr das Fehlen einer Erlaubnis zum Anlass nehmen, gegen Glücksspielanbieter vorzugehen.

Mathias Dahms, Präsident des Deutschen Sportwettenverbands (DSWV) kommentiert die Schlussanträge:

“Wir gehen davon aus, dass der EuGH dem Generalanwalt folgt. Damit wäre das Sportwettenkonzessionsverfahren nicht nur verfassungswidrig, sondern auch unionsrechtswidrig. Wir fordern die Ministerpräsidenten auf, einen runden Tisch mit allen Interessengruppen zu bilden und gemeinsam ein faire und rechtskonformes Glücksspielregulierung zu schaffen.“

Schlussanträge in der Rechtssache Ince (C-336/14): Neuregelung des Glücksspielrechts in Deutschland erforderlich

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

In dem Vorlageverfahren Ince (Rs. C-336/14), die der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) am 10. Juni 2015 verhandelt hatte, hat der zuständige Generalanwalt Maciej Szpunar am 22. Oktober 2015 seine Schlussanträge vorgelegt. Eine Entscheidung des EuGH ist noch im laufenden Jahr, spätestens Anfang des kommenden Jahres, zu erwarten. Der Gerichtshof folgt dabei in mehr als ¾ der Fälle den Schlussanträgen.

Die Vorlagefragen des Amtsgerichts Sonthofen an den EuGH betreffen neben der mit dem sog. Erlaubnisvorbehalt begründeten Strafbarkeit der binnengrenzüberschreitenden Vermittlung von Sportwetten auch das problematische Sportwetten-Konzessionsverfahren in Deutschland, da bereits von mehreren deutschen Gerichten als rechtswidrig beurteilt worden ist.

Eingangs seiner Schlussanträge (eine umfassende rechtliche Beurteilung der zu entscheidenden Rechtssache) betont der Generalanwalt den – von der Staatsanwaltschaft Kempten bestrittenen – Vorrang des Unionsrechts vor nationalen Rechtsvorschriften (Rn. 1). Auch später bekräftigt er, dass dieser Vorrang sämtliche Stellen des Mitgliedstaats binde. Die nationalen Gerichte müssen unionsrechtswidrige Bestimmungen des nationalen Rechts unangewandt lassen (Rn. 33). Die gleiche Pflicht treffe alle Behörden. Die Staatsanwaltschaft Kempten hatte dem gegenüber mehrfach argumentiert, dass das Unionsrecht alleine den Gesetzgeber binde. So hatte der damals in den Sportwettenverfahren ermittelnde Oberstaatsanwalt Dr. Zweng ernsthaft behauptet, dass „europarechtliche Vorgaben nur für den Gesetzgeber verbindlich“ seien.

Es gehe in dem Fall „nicht um die Vereinbarkeit eines Sportwettenmonopols mit dem Unionsrecht“, da sowohl das vorlegende Gericht (wie auch offenkundig der Generalanwalt) keinerlei Zweifel hätten, dass die Durchführung eines Sportwettenmonopols in Deutschland entsprechend mehrerer EuGH-Urteile unrechtmäßige Ziele verfolge und damit gegen die durch Europarecht verbürgte Dienstleistungsfreiheit verstoße. Zu klären sei vielmehr, „welche unionsrechtlichen Konsequenzen aus diesen Urteilen im Kontext verwaltungsrechtlicher Verbote und strafrechtlicher Sanktionen zu ziehen sind“. Der Generalanwalt verweist dabei auf divergierenden deutsche Urteile und merkt an, „dass die innerstaatliche Rechtsprechung insoweit alles andere als kohärent ist. Konfrontiert mit einer verwirrenden und widersprüchlichen Rechtsprechung in Deutschland benötigt das vorlegende Gericht eine Orientierungshilfe seitens des Gerichtshofs.“ (Rn. 20)

Zu klären sei, ob nur die Bestimmungen über das staatliche Monopol (§ 10 GlüStV) oder auch die Vorschrift über die Erlaubnispflicht für das Veranstalten und das Vermitteln von Sportwetten (§ 4 GlüStV) unangewandt bleiben müssten. Zum Teil wurde eine Verbotsmöglichkeit und eine Strafbarkeit der Vermittlung von Sportwetten über den sog. Erlaubnisvorbehalt angenommen, der unabhängig von der unionsrechtwidrigen Monopolregelung Anwendung finde. Insoweit wird dann (fiktiv) geprüft, „ob private Veranstalter oder Vermittler unter den Bedingungen, die der Glücksspielstaatsvertrag und dessen Ausführungsgesetze für die staatlichen Monopolträger und deren Vermittler vorsehen, eine Erlaubnis erhalten könnten.“ (Rn. 35)

Hierzu verweist der Generalanwalt zunächst auf den Umstand, „dass die innerstaatliche Rechtsprechung zu der Pflicht, sich einem Erlaubnisverfahren zu unterziehen, widersprüchlich ist, nicht für Rechtssicherheit auf Seiten der Wirtschaftsteilnehmer“ sorgt (Rn. 40). Auch sei keine einzige Erlaubnis erteilt worden, woraus der Generalanwalt schließt: „Diese Praxis macht das ganze Erlaubnisverfahren natürlich nutzlos. Ein solches Verfahren stellt sich nicht als Verfahren dar, bei dem das Ergebnis von Anfang an offen ist (fehlende „Ergebnisoffenheit“). Es wäre zynisch, von einem Wirtschaftsteilnehmer zu verlangen, dass er sich einem Verfahren unterzieht, das zum Scheitern verurteilt ist. Rechtlich kann daraus nur die Konsequenz gezogen werden, dass ein solches Verfahren für ihn nicht notwendig ist.“ (Rn. 41)

Nach Überzeugung des Generalanwalts kann die Erlaubnispflicht nicht vom staatlichen Monopol getrennt werden, da sie eine Einheit bildeten: „Beide Bestimmungen sind untrennbar miteinander verbunden, da das ganze Erlaubnisverfahren auf öffentliche Einrichtungen ausgerichtet ist. Die ganze Logik des Glücksspielstaatsvertrags besteht darin, dass er nur für staatliche Einrichtungen gilt. Wenn nach dieser Logik nur staatliche Einrichtungen eine Erlaubnis beantragen können, kann von einem privaten Wirtschaftsteilnehmer kaum erwartet werden, dass er eine solche Erlaubnis beantragt, wenn das Gesetz daran ausdrücklich hindert.“ (Rn. 43)

Nach alledem sei der Tatbestand des § 284 StGB nicht verwirklicht. Die in dem Ausgangsverfahren angeklagte Frau Ince hat sich demnach nicht strafbar gemacht.

Im Folgenden hält der Generalanwalt fest, dass das Bayerische Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag zu notifizieren gewesen sei (entsprechend der Richtlinie 98/34).

Abschließend beschäftigt sich der Generalanwalt mit dem im Fragekomplex 3 problematisierten Sportwetten-Konzessionsverfahren. Der Generalanwalt verweist dabei auf die einschlägige Rechtsprechung des EuGH: Öffentliche Stellen, die Lizenzen erteilen, haben die Grundregeln des Vertrags, insbesondere den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit sowie das daraus folgende Transparenzgebot zu beachten. Die Mitgliedstaaten müssen insoweit einen angemessenen Grad an Öffentlichkeit sicherstellen, der eine Öffnung der Dienstleistungskonzessionen für den Wettbewerb und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden. (Rn. 69) Ferner muss ein Lizensierungssystem auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruhen, damit der Ermessensausübung durch die Behörden Grenzen gesetzt werden, die einen Ermessensmissbrauch verhindern. (Rn. 70)

Ansonsten verweist der Generalanwalt, insbesondere hinsichtlich der Lösung von Interessenkonflikten, auf die Grundsätze der (nicht unmittelbar anwendbaren) Richtlinie 2014/23/EU über die Konzessionsvergabe. Insoweit müssten die Mitgliedstaaten die Günstlingswirtschaft bekämpfen und Interessenkonflikte aufdecken und beheben. Die Gleichbehandlung aller Bewerber sei zu gewährleisten. Zur Vereinbarkeit des Konzessionsverfahrens mit den allgemeinen Grundsätzen muss die konkrete Beurteilung des Sachverhalts durch das nationale Gericht erfolgen.

Der Generalanwalt empfiehlt demnach den EuGH, auf die Vorlagefragen des Amtsgerichts Sonthofen wie folgt zu antworten:

1. Hat ein nationales Gericht festgestellt, dass ein Sportwettenmonopol gegen Unionsrecht verstößt, und können nach den Bestimmungen des nationalen Rechts nur öffentliche Einrichtungen eine innerstaatliche Erlaubnis erlangen, so hindert Art. 56 AEUV nationale Strafverfolgungsbehörden daran, die ohne innerstaatliche Erlaubnis erfolgte Vermittlung von Sportwetten an einen in einem anderen Mitgliedstaat lizenzierten Wettveranstalter zu sanktionieren.

2. Art. 8 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft hindert daran, die ohne innerstaatliche Erlaubnis erfolgte Vermittlung von Sportwetten über einen Spielautomaten an einen in einem anderen Mitgliedstaat lizenzierten Wettveranstalter zu sanktionieren, wenn die staatlichen Eingriffe auf technischen Vorschriften beruhen, die der Europäischen Kommission nicht notifiziert worden sind. Nationale Bestimmungen wie die §§ 4 Abs. 1 und 10 Abs. 2 und 5 des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen sind keine „technischen Vorschriften“ im Sinne von Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie 98/34.

3. Art. 56 AEUV steht der Sanktionierung der Vermittlung von Sportwetten ohne innerstaatliche Erlaubnis an einen in einem anderen Mitgliedstaat lizenzierten Wettveranstalter entgegen, wenn ein nationales Gericht festgestellt hat, dass ein Konzessionsverfahren, in dem höchstens 20 Konzessionen für Wettveranstalter vergeben werden, nicht mit allgemeinen Grundsätzen wie dem Gleichheitsgrundsatz, dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und dem Transparenzgrundsatz in Einklang steht.



Kommentar von Rechtsanwalt Martin Arendts:

Nach den zutreffenden Ausführungen des Generalanwalts kommt eine Strafbarkeit der Vermittlung von Sportwetten an in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugelassenen Wettanbieter nicht in Betracht. Die Vermittlung und das Angebot von Sportwetten dürfen nach dem derzeitigen Sach- und Rechtsstand auch nicht verwaltungsrechtlich verboten werden.  

Das seit 3 ½ Jahren in Deutschland laufende Sportwetten-Konzessionsverfahren erfüllt ersichtlich nicht die europarechtlichen Anforderungen. Eine transparente und diskriminierungsfreie Vergabe der Konzessionen ist nicht sichergestellt, wie zahlreiche Gerichte, zuletzt der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 19. Oktober 2015, Az. 8 B 1028/15, entschieden haben.

Das rechtlich nicht mehr „heilbare“ Konzessionsverfahren ist daher komplett neu zu starten. Hierzu ist allerdings eine grundlegende Neuregelung des Glückspiel- und Wettrechts erforderlich, da das staatliche Monopol nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage nicht mehr haltbar ist.

__________

Zu dem Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Sonthofen:
http://wettrecht.blogspot.de/2014/09/vorlage-den-eugh-rechtssache-33614-ince.html

Auch die Europäische Kommission hatte die Sach- und Rechtslage in Deutschland in ihrer Stellungnahme an den EuGH als europarechtswidrig kritisiert:
http://wettrecht.blogspot.de/2015/02/eugh-verfahren-ince-europaische.html

Mittwoch, 21. Oktober 2015

EuGH-Vorlageverfahren Ince (Rs. C-336/14): Veröffentlichung der Schlussanträge am 22. Oktober 2015

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Die Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar zu der Rechtssache Ince (C-336/14), einer Vorlage aus Deutschland durch das Amtsgericht Sonthofen, werden morgen, am Donnerstag, den 22. Oktober 2015, veröffentlich werden.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hatte dieses Verfahren am 10. Juni 2015  verhandelt, siehe den Bericht zu dem Verhandlungstermin: http://wettrecht.blogspot.de/2015/06/das-fiasko-beim-sportwetten.html

Die Europäische Kommission hatte die Sach- und Rechtslage in Deutschland in ihrer Stellungnahme an den EuGH als europarechtswidrig kritisiert:
http://wettrecht.blogspot.de/2015/02/eugh-verfahren-ince-europaische.html

Zu dem Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Sonthofen:
http://wettrecht.blogspot.de/2014/09/vorlage-den-eugh-rechtssache-33614-ince.html

Mit einer Entscheidung des EuGH ist Ende des Jahres/Anfang nächsten Jahres zu rechnen.

Rechtsanwalt Martin Arendts vertritt Frau Ince vor dem Amtsgericht Sonthofen und vor dem EuGH.

Tel für Rückfragen: 089 / 64 91 11 75, Fax. - 76

Bundesverwaltungsgericht: Rechtmäßigkeit der Spielgerätesteuer in Ochtrup weiter offen

Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Oktober 2015

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat den Rechtsstreit um die Rechtmäßigkeit der Spielgerätesteuer in Ochtrup an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zurückverwiesen.

Die Klägerin betreibt in der münsterländischen Gemeinde Ochtrup eine Spielhalle mit zwölf Geldspielgeräten. Die Vergnügungssteuersatzung der Gemeinde sah bis einschließlich 2009 auf Geldspielgeräte eine Vergnügungssteuer nach dem Stückzahlmaßstab i.H.v. 150 € monatlich je Gerät vor. Ab dem 1. Januar 2010 wurde der Steuermaßstab geändert und eine Geldspielgerätesteuer i.H.v. 20 v. H. des Einspielergebnisses erhoben. Dies führte bei der Klägerin zu mehr als einer Verdoppelung der Steuer.

Mit ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht hat sich die Klägerin gegen insgesamt zehn Bescheide gewandt, die auf die neue Satzung gestützt waren. Dabei hat sie im Wesentlichen eine Erdrosselungswirkung der Steuererhöhung geltend gemacht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage unter Hinweis auf das positive Betriebsergebnis des Jahres 2011 abgewiesen. Auch die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Berufung blieb erfolglos.

Das Oberverwaltungsgericht argumentierte, eine Erdrosselungswirkung sei ausgeschlossen, da die Klägerin rechtlich nicht gehindert sei, Geräte mit einem höheren durchschnittlichen Kasseninhalt einzusetzen. Eine solche Preiserhöhung sei auch am Markt durchsetzbar. Zwar könne die Klägerin selbst die Geräte nicht umprogrammieren, da nur Geräte mit einer zuvor erteilten Bauartzulassung verwendet werden dürften. Ob solche Geräte auf dem Markt angeboten würden und ob sich ein Austausch der Geräte einfach gestalte, sei aber unerheblich. Denn es sei Sache des Unternehmers, sich auf eine etwaige Steuererhöhung vorzubereiten.

Das Bundesverwaltungsgericht ist dem nicht gefolgt. Das Oberverwaltungsgericht durfte die genannten Fragen auf der Grundlage seiner Argumentation nicht offen lassen. Falls die neue Steuerlast für ein wirtschaftlich arbeitendes Unternehmen in der Situation der Klägerin nur nach einem zeitaufwändigen und kapitalintensiven Austausch des Gerätebestandes tragbar ist, hätte die Steuer nicht ohne angemessene Übergangsfrist derart erhöht werden dürfen. Das Oberverwaltungsgericht muss daher entweder die von ihm offen gelassenen Fragen nach dem Umstellungsaufwand und der Verfügbarkeit von Aus tauschgeräten aufklären, oder es muss untersuchen, ob ein durchschnittlicher Spielhallenbetreiber in Ochtrup auch ohne Preiserhöhung eine Spielgerätesteuer von 20 v. H. des Einspielergebnisses verkraften kann.

BVerwG 9 C 22.14 – Urteil vom 14. Oktober 2015

Vorinstanzen:
OVG Münster, 14 A 692/13 – Urteil vom 24. Juli 2014 –
VG Münster, 9 K 2028/10 – Urteil vom 24. Januar 2013 –

Montag, 19. Oktober 2015

Hessischer Verwaltungsgerichtshof: Vergabe von Konzessionen zur Veranstaltung von Sportwetten gestoppt

Pressemitteilung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Oktober 2015

Hessischer Verwaltungsgerichtshof weist Beschwerde des Landes Hessen zurück

Nach einer Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Oktober 2015 dürfen die Konzessionen zur Veranstaltung von Sportwetten an die vom Land Hessen ausgewählten Bewerber auch weiterhin nicht erteilt werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerde des Landes Hessen gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 5. Mai 2015 zurückgewiesen und die erstinstanzliche Entscheidung diese Gerichts bestätigt. Die Vergabe von Konzessionen aufgrund des sog. Glücksspielvertrages ist somit nicht möglich.

Ziele des von den Ländern geschlossene Glücksspielstaatsvertrages sind die Vermeidung der Glücksspielsucht und die Suchtbekämpfung, die Kanalisierung des natürlichen Spieltriebes – insbesondere die Schwarzmarktbekämpfung −, der Jugend- und Spielerschutz, die Abwehr der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität sowie die Abwehr von Gefahren für die Integrität des sportlichen Wettbewerbs. Zur Erreichung dieser Ziele sieht der Glücksspielstaatsvertrag für Sportwetten im Grundsatz ein staatliches Veranstaltungsmonopol vor. Im Rahmen einer sog. Experimentierklausel zur besseren Erreichung seiner Ziele, insbesondere zur Bekämpfung des Schwarzmarktes, hat der Glücksspielstaatsvertrag allerdings für einen bis zum 30. Juni 2019 befristeten Zeitraum das staatliche Monopol ausgesetzt und die Vergabe von maximal 20 Konzessionen an Private zur Veranstaltung von Sportwetten zugelassen.

Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport ist die zentral zuständige Behörde in Deutschland für das Konzessionsverfahren zur Veranstaltung von Sportwetten nach dem Glücksspielstaatsvertrag. Es erteilt die Konzessionen. Intern trifft das sog. Glücksspielkollegium die Entscheidung, welche Bewerber eine Konzession erhalten. Die Beschlüsse des Glücksspielkollegiums sind für das Hessische Ministerium des Innern und für Sport bindend. Das Glücksspielkollegium besteht aus 16 Vertretern aller Länder und kann mit einer Mehrheit von 2/3 seiner Mitglieder entscheiden.

Nach einer europaweiten Ausschreibung der Konzessionen wurden auf einer ersten Verfahrensstufe die grundsätzlich geeigneten Bewerber ermittelt. Auf einer zweiten Verfahrensstufe erfolgte sodann in einem umfangreichen Prüfverfahren die Auswahl zwischen den grundsätzlich geeigneten Bewerbern, die zu einer Reihenfolge der Bewerber führte (sog. Ranking).

Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport informierte die Bewerber darüber, dass die Konzessionsvergabe an die 20 ausgewählten Bewerber erfolgen solle. Auf Eilantrag der Antragstellerin dieses Verfahrens, die im Ranking Platz 21 belegt hatte, gab das Verwaltungsgericht Wiesbaden dem Land Hessen mit Beschluss vom 5. Mai 2015 auf, vorläufig von einer Vergabe der Konzessionen an die ausgewählten Bewerber abzusehen.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Landes Hessen hat der 8. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs mit Beschluss vom 16. Oktober 2015 zurückgewiesen. Die Erteilung der Konzessionen zur Veranstaltung von Sportwetten an die 20 ausgewählten Bewerber bleibt dem Land Hessen damit untersagt.

Der 8. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs sieht die Antragstellerin durch die getroffene Auswahlentscheidung in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit verletzt. Die Übertragung der verbindlichen Entscheidung über die Vergabe der Konzessionen auf das Glücksspielkollegium widerspreche dem Grundgesetz. Das hoheitliche Handeln des Glücksspielkollegiums könne weder dem Bund noch einem der Länder zugerechnet werden, sondern allenfalls der Gesamtheit der Länder oder gegebenenfalls einer Mehrheit der Länder. Dies verstoße gegen das Bundesstaatsprinzip, wonach es neben der Bundes- und der Landesebene keine dritte Ebene staatlicher Gewalt geben dürfe. Zudem verletze die Ausübung von Hoheitsgewalt durch das Glücksspielkollegium das Demokratieprinzip. Dem Glücksspielkollegium, das als Gesamtheit weder der Aufsicht des Bundes noch der eines Landes unterliege, fehle eine ausreichende demokratische Legitimation. Sein hoheitliches Handeln lasse sich weder auf das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland noch auf das Staatsvolk eines der Länder zurückführen. Ein Staatsvolk der Gesamtoder Mehrheit der Länder kenne das Grundgesetz nicht.

Auch bei unterstellter Vereinbarkeit des Vergabeverfahrens unter Beteiligung des Glücksspielkollegiums mit dem Grundgesetz sieht der 8. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs die Antragstellerin im übrigen in ihrem durch § 4b des Glücksspielstaatsvertrages gewährleisteten Recht auf Durchführung eines transparenten und diskriminierungsfreien Auswahlverfahrens verletzt. Bereits das in der europaweiten Ausschreibung als „Zuschlagskriterium“ benannte „wirtschaftlich günstigste Angebot“ sei nicht transparent. Denn für die Auswahlentscheidung sei nicht eine Kombination aus Preis- und Qualitätsgesichtspunkten ausschlaggebend, sondern die Eignung eines Bewerbers, die Ziele des Glücksspielstaatsvertrages zu unterstützen. Darüber hinaus sei die der Auswahlentscheidung zugrunde gelegte Bewertungsmatrix fehlerhaft. Die dort vorgenommene Gewichtung von Kriterien, die aus der Zuweisung von Punktezahlen an die jeweiligen Kriterien ersichtlich sei, entspreche nicht deren Bedeutung nach dem Glücksspielstaatsvertrag.

Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 8 B 1028/15

Deutscher Lottoverband: Hessischer Verwaltungsgerichtshof: Glücksspielkollegium verfassungswidrig

Pressemitteilung des Deutschen Lottoverbands
 
Deutscher Lottoverband: Glücksspielstaatsvertrag ist nicht länger zu halten
 
Hamburg, 19.10.2015 – Der 8. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat am vergangenen Freitag das im Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) festgeschriebene Konzessionsverfahren zur Vergabe von Sportwettlizenzen endgültig gestoppt (8 B 1028/15 / VG Wiesbaden 5 L 1453/14.WI). Der Beschluss ist unanfechtbar. Zudem kritisiert das Gericht sehr ausführlich die Einrichtung des Glücksspielkollegiums als zentrale Instanz der Glücksspielregulierung in Deutschland. Die im GlüStV für das Kollegium definierten weitreichenden Befugnisse, Entscheidungskompetenzen und Zuständigkeiten widersprächen der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes und seien weder verfassungskonform noch demokratisch legitimiert. Zudem würde das Glücksspielkollegium in einem aufsichtsfreien Raum agieren; es sei nicht gewährleistet, dass Verfahren transparent, objektiv und diskriminierungsfrei geführt werden.
 
„Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes entzieht dem Glücksspielkollegium als zentrale Schaltstelle des umstrittenen GlüStV ihre Legitimation“, so Norman Faber, Präsident des Deutschen Lottoverbandes (DLV). „Damit ist der Staatsvertrag Makulatur; die Politik muss daraus Konsequenzen ziehen und jetzt rasch den Weg für eine verfassungs- und europarechtskonforme Glücksspielregulierung bereiten“.
 
Der Deutsche Lottoverband setzt sich als Vertretung der unabhängigen Lotterievermittler in Deutschland für eine umfassend neue Lotterie-Regulierung ein. Infolge des GlüStV wurden den Lotterien massive Werbe- und Vertriebsbeschränkungen auferlegt, die mit einer Spielsuchtgefahr gerechtfertigt werden, die es bei Lotto nachweislich nicht gibt. Dadurch sind dem deutschen Lotto seit 2008 kumuliert rund 20 Milliarden Euro an Einnahmen weggebrochen. Darunter leiden auch der Breitensport und die zahlreichen sozialen Projekte, die aus den Lottoeinnahmen gefördert werden. Parallel zum dramatischen Rückgang bei den Lotterien haben sich die Umsätze spielsuchtgefährlicher Spielarten vervielfacht.

Der Deutsche Lottoverband begrüßt die hessischen Leitlinien für eine moderne Glücksspielregulierung

Pressemitteilung des Deutschen Lottoverbands
 
Kritik am Glücksspielstaatsvertrag wird immer lauter
 
Hamburg, 15.10.2015 – Erst Ende September hatte der Bayerische Verfassungsgerichtshof die Legitimation des Glücksspielkollegiums als verfassungswidrig verworfen und damit eine tragende Säule des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) erschüttert. Mit den Vorschlägen für eine moderne Glücksspielregulierung schlägt Hessen nun in die gleiche Kerbe. Die hessische Landesregierung hat mit dem Verweis, dass die gesetzgeberische Intention mit Blick auf die Ziele des GlüStV bis heute nicht erfüllt sind, fünf Leitlinien für eine moderne Glücksspielregulierung beschlossen. Die Kritik richtet sich auch an das Glückspielkollegium. Zudem fordert Hessen eine differenzierte Betrachtung von Glücksspielen hinsichtlich ihres Gefährdungspotentials. „Wir hoffen, dass diese geballte Kritik am GlüStV nun endlich ein Umlenken einläutet,“ so Norman Faber, Präsident des Deutschen Lottoverbandes. „Die Leitlinien aus Hessen sind ein Schritt in die richtige Richtung.“
 
Auch die EU-Kommission betrachtet die verquaste Glücksspielregulierung in Deutschland argwöhnisch und hat ein Pilot-Verfahren angestrengt. Sollte die aktuelle Stellungnahme, die von den Bundesländern hierzu vor ein paar Tagen in Brüssel eingereicht worden ist, die Kommission nicht zufriedenstellen, droht ein teures Vertragsverletzungsverfahren mit weitreichenden Konsequenzen auch für das staatliche Lotteriemonopol.
 
Der Deutsche Lottoverband setzt sich als Vertretung der unabhängigen Lotterievermittler in Deutschland schon seit langem für eine umfassend neue Lotterie-Regulierung ein. „Nur Rahmenbedingungen, die ein faires Miteinander von staatlichen und privatwirtschaftlichen Anbietern ermöglichen, können den Lotteriemarkt hierzulande nachhaltig schützen,“ mahnt Faber. Dafür bedürfe es einer europarechtskonformen Gesetzgebung, die den Bedürfnissen einer modernen und digitalen Gesellschaft gerecht werde.
 
Infolge des umstrittenen GlüStV wurden den Lotterien massive Werbe- und Vertriebsbeschränkungen auferlegt, die mit einer Spielsuchtgefahr gerechtfertigt werden, die es bei Lotto nachweislich nicht gibt. Dadurch sind dem deutschen Lotto in den vergangenen Jahren über 20 % der Einnahmen weggebrochen. Dem Breitensport und sozialen Projekten, die aus den Lottoeinnahmen gefördert werden, sind dadurch Milliardenbeträge entgangen. Parallel zum dramatischen Rückgang bei den Lotterien haben sich die Umsätze gefährlicher Spielformen vervielfacht. „Wer Spielsucht wirksam bekämpfen will, muss das Gefährdungspotenzial von Glücksspielen differenziert behandeln,“ fordert Faber. „Die aktuelle Glücksspielpolitik bagatellisiert die wirklichen Gefahren und hat zu einer unverhältnismäßigen Regulierung der harmlosen Lotterien geführt.“

Freitag, 16. Oktober 2015

Deutscher Sportwettenverband e.V.: Hessischer Verwaltungsgerichtshof: Sportwettenkonzessionsverfahren am Ende

Paradigmenwechsel in der deutschen Glücksspielpolitik notwendig

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat heute das seit Jahren andauernde Sportwettenkonzessionsverfahren gestoppt. In einem Beschluss von bemerkenswerter Härte und Deutlichkeit bestätigt das Gericht die vorinstanzliche Entscheidung des VG Wiesbaden und stellt fest, dass die Entscheidungen des Glücksspielkollegiums über die Vergabe der Sportwettenkonzessionen verfassungswidrig waren, da das Gremium nicht hinreichend demokratisch legitimiert und bundesstaatlich unzulässig ist.

Zudem ist die konkrete Durchführung des Verfahrens fehlerhaft, da diese unter Verletzung des Transparenzgebots erfolgte. Aufgrund fehlerhafter Gewichtung von Auswahlkriterien verletzt das Konzessionsverfahren das verfassungsrechtliche Grundrecht der Berufsfreiheit der Konzessionsbewerber. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

DSWV-Präsident Mathias Dahms kommentiert den Beschluss:

“Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat heute den Glücksspielstaatsvertrag zertrümmert. Die Sportwettenanbieter haben über Jahre hinweg einen enormen Aufwand betrieben, um am Konzessionsverfahren teilzunehmen und in Deutschland endlich Rechtssicherheit und faire Wettbewerbsbedingungen zu erhalten. Gleichzeitig haben wir mehr als eine halbe Milliarde Euro an Wettsteuern an die Länder gezahlt. Mit dem heutigen Beschluss rücken die Sportwettenlizenzen, auf die wir alle hingearbeitet haben, in weite Ferne.“

Folge des Beschlusses dürfte sein, dass auch weitere grundsätzliche Entscheidungen des Glücksspielkollegiums verfassungswidrig sind. Der Glücksspielstaatsvertrag wäre damit völlig entkernt.

Dahms appelliert an die Bundesländer:

“Wir benötigen jetzt dringend einen konstruktiven Dialog über einen glücksspielrechtlichen Paradigmenwechsel in Deutschland. Das Regulierungschaos muss ein Ende haben. Die hessische Landesregierung hat hierfür gerade eine vernünftige Diskussionsgrundlage vorgelegt.“

Mittwoch, 14. Oktober 2015

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag: Glücksspielstaatsvertrag: Endlich aufs richtige Pferd setzen

DIE GRÜNEN im Landtag unterstützen die Bemühungen der Landesregierung, den Glücksspielstaatsvertrag der Länder zu ändern. „Wir GRÜNE haben die quantitative Beschränkung der Konzessionen auf eine bestimmte Zahl noch nie verstanden. Stattdessen waren wir immer dafür, den Zugang zum Sportwettenmarkt an qualitative Kriterien wie Spieler- und Jugendschutz, Suchtprävention und Zuverlässigkeit zu knüpfen. Die nun von der Landesregierung vorgelegten Reformvorschläge ebnen den Weg für eine moderne Glücksspielregelung in diesem Sinne“, erklärt Jürgen Frömmrich, innenpolitischer Sprecher der GRÜNEN.

Die Regierung hat fünf Leitlinien zur zeitgemäßen Glücksspielregulierung vorgelegt. Kernpunkte sind die notwendige Regulierung des Glücksspiels im Internet unter Berücksichtigung des Spieler- und Jugendschutzes, die Aufhebung der willkürlichen Zahl der zu vergebenden Konzessionen, die Einführung von Verlust- und die Abschaffung von Einsatzlimits sowie die Gründung einer gemeinsamen Anstalt des öffentlichen Rechts ähnlich der BaFin, die für die bundesweite Erteilung der Interneterlaubnisse, die Aufsicht sowie die Untersagung unerlaubten Glücksspiels zuständig wäre.

DIE GRÜNEN hoffen, dass einige andere Bundesländer nun über ihren Schatten springen und ihre Blockadehaltung aufgeben. Neben Staatseinnahmen gehe es doch auch um bessere Regulierungen zum Schutz vor Spielsucht. Dazu Frömmrich: „Die Geschäfte laufen momentan auch ohne uns munter weiter. Mehr oder weniger seriöse Anbieter bieten ihre Leistungen von vielen Orten der Welt aus an, ohne sich um Jugendschutz oder das Problem der Spielsucht zu scheren. Und der Steuerzahler guckt dabei in die Röhre.“

Der Glücksspielstaatsvertrag in seiner jetzigen Form setze nach Ansicht der GRÜNEN die Ent-scheidung des EuGH aus dem Jahr 2010 nicht um. Dieser hatte festgestellt, dass die deutschen Regelungen das Glücksspiel nicht kohärent und systematisch begrenzen. „Aus diesem Grund ist es an der Zeit, den Glücksspielstaatsvertrag endlich zu ändern.“

Pressemitteilung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag 

Freitag, 9. Oktober 2015

Neuregelung des deutschen Glücksspiel- und Wettrechts? - Hessische Landesregierung schlägt grundlegende Änderung des Glückspielstaatsvertrags vor

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Das Land Hessen will eine grundlegende Änderung des in der Praxis gescheiterten und in vielen Punkten rechtlich angreifbaren Glücksspielstaatsvertrags 2012 erreichen. Ein diesbezüglicher Kabinettsbeschluss der schwarz-grünen Regierung soll nun den anderen Bundesländern vorgestellt werden.

Die die von der Hessischen Landesregierung beschlossenen „Leitlinien für eine zeitgemäße Glücksspielregulierung in Deutschland“ sehen grundlegende Änderungen bei dem zwischen den 16 deutschen Ländern abgeschlossenen Glücksspielstaatsvertrag vor.

In den insgesamt fünf Leitlinien wird u.a. eine Zulassung von Poker- und Casinospielen im Internet vorgeschlagen. Bei Sportwetten will man statt der quantitative Begrenzung auf 20 Anbieter eine qualitative Konzessionierung durchsetzen. Auch Anbieter von Poker- und Casinospielen sollen ohne zahlenmäßige Begrenzung zugelassen werden.

Hessen übernimmt damit im Wesentlichen die 2012 bis Anfang 2013 geltende Regelung in Schleswig-Holstein, das Lizenzen auch für Online-Casinospielanbieter und ohne zahlenmäßige Begrenzung auch an Sportwettenanbieter ausgereicht hatte. Der Vorschlag Hessens wurde daher auch umgehend von den damaligen Initiatoren des schleswig-holsteinischen Glücksspielgesetztes, dem Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Hans-Jörn Arp, und dem FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki begrüßt. Sie forderten in einer Pressemitteilung auf, Hessen in seinem Kurs zu unterstützen.

Nach den „Leitlinien“ soll darüber hinaus das staatsrechtlich höchst problematische sog. Glücksspielkollegium durch eine gemeinsame Anstalt des öffentlichen Rechts ersetzt werden.

Für eine Umsetzung der „Leitlinien für eine zeitgemäße Glücksspielregulierung in Deutschland“ müsste der Glückspielstaatsvertrag grundlegend geändert werden. Für eine entsprechende Änderung des Staatsvertrags müssten die Länderparlamente zustimmen, da der Bayerische Verfassungsgerichtshof in einer aktuellen, nachfolgend näher dargestellten Entscheidung eine Änderung der Anzahl der zu vergebenden Sportwetten-Konzessionen durch einen Beschluss der Ministerpräsidenten als verfassungswidrig beurteilt hatte.

Zu den von der Hessischen Landesregierung beschlossenen Leitlinien im Einzelnen:

Leitlinie 1: Zulassung von Casino- und Pokerspielen im Internet

Hessen will das derzeit nach der deutschen Gesetzeslage geltende strikte Verbot von Onlinecasino- und Onlinepokerspielen aufheben. Die gesetzgeberische Intention mit Blick auf die Ziele des Glücksspielstaatvertrags sei bis heute nicht erfüllt worden. Gerade in den letzten beiden Jahren sei der illegale Onlinecasino- und Pokermarkt weiter gewachsen. Der eigentlich beabsichtigte Schutz der Jugendlichen in einem unregulierten Markt sei nicht möglich. Außerdem entgingen dem Staat Einnahmen in Höhe von vielen Millionen Euro.

Vor diesem Hintergrund solle zur Bekämpfung des laut Hessen inzwischen „größten Schwarzmarkts in Deutschland“ sowie auch aus Gründen des Spieler- und Jugendschutzes eine Regulierung dieses Marktsegments erfolgen. Eine Erlaubniserteilung für Casino- und Pokerspiele im Internet soll ohne quantitative Begrenzung möglich sein. Überdies sollte ein Steuertatbestand geschaffen werden.

Leitlinie 2: Aufhebung der Zahl der zu vergebenden Sportwettkonzessionen 

Hessen, das im Rahmen des derzeit noch geltenden Glücksspielstaatsvertrags auch im Namen der anderen Bundesländern Konzessionen an Sportwettenanbieter im Rahmen des Glücksspielstaatsvertrags vergeben soll, will insbesondere die verfassungs- und europarechtlich problematische Begrenzung auf 20 Lizenzen aufheben. Diese hatte – neben zahlreichen Verfahrensfehlern – trotz mehr als dreijähriger Verfahrensdauer die Vergabe der Lizenzen bislang verhindert. 

Nach dem hessischen Vorschlag soll jeder Anbieter, der die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, nunmehr eine Erlaubnis erhalten. Die derzeitige Einschränkung auf 20 Sportwetten-Konzessionen werde dem Markt nicht gerecht. Einen entsprechenden Vorschlag einer „qualitativen Konzessionierung“ hatte der hessische Innenminister Peter Beuth bereits vor einigen Monaten in einem in der FAZ erschienen Gastbeitrag lanciert (FAZ vom 15. Juni 2015). Beuth verwies nunmehr erneut darauf, dass die Begrenzung dem aktuellen Markt nicht gerecht werde. Derzeit gebe es bundesweit 133 (illegale) Sportwettenseiten. Europarechtlich sei die Einschränkung auf 20 Konzessionen nicht haltbar.

Für eine Aufhebung der Beschränkung auf 20 Konzessionen ist eine Änderung des Glücksspielstaatsvertrags erforderlich. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat nämlich kürzlich in seiner Entscheidung vom 25. September 2015 Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) für nicht mit der Bayerischen Verfassung vereinbar erklärt (Az. Vf. 9-VII-13, Vf. 4-VII-14 und Vf. 10-VII-14). So verstößt die Regelung, dass die in dem GlüStV bestimmte Zahl der Wettkonzessionen im Nachhinein durch einen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz (§ 4 a Abs. 3 Satz 2 GlüStV) abgeändert werden kann, nach den Feststellungen des Verfassungsgerichtshofs gegen Verfassungsrecht. Diese Ermächtigung der Ministerpräsidentenkonferenz zu einer verbindlichen (Neu-)Festlegung der Zahl der zu vergebenden Konzessionen für Sportwetten verstoße gegen das bundes- und landesverfassungsrechtliche Gebot, dass es auch bei föderalem Zusammenwirken der Bundesländer möglich bleiben muss, einen außenwirksamen Hoheitsakt dem jeweiligen Land zuzurechnen, und ist daher mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) nicht vereinbar. 

Leitlinie 3: Selbstlimitierungsmöglichkeiten statt Internet-Höchsteinsatzgrenze 

Die derzeitige Regelung sieht eine Beschränkung des Höchsteinsatzes auf EUR 1.000,- je Monat vor. Eine derartige Begrenzung des Höchsteinsatzes sei jedoch weder marktgerecht, noch helfe es dem Spielerschutz oder der Suchtprävention. Bei marktüblichen Gewinnausschüttungen von 95% dürfe bei einem Höchsteinsatz von EUR 1.000,- nicht weitergespielt werden, obwohl der Spieler möglicherweise gar nichts verloren habe. Zudem führe eine starre Regelung dazu, dass die sogenannten „High-roller“ und andere Spieler, die höhere Einsätze spielen wollten, in den Schwarzmarkt abwanderten. Vor diesem Hintergrund wäre die Einführung von Selbstlimitierungsmöglichkeiten durch den Spieler sowie die Einführung von Verlustlimits anstelle von Einsatzlimits eine wesentlich geeignetere Möglichkeit.

Bei der Registrierung der Spieler im Internet sollen derzeit die recht strikten Anforderungen der Standards der KJM (Kommission für Jugendmedienschutz) eingehalten werden. Diese Anforderungen seien jedoch derart hoch, dass der Durchschnittsspieler die Registrierung abbreche und nach einfacheren, meist illegalen Alternativen suche (Abbruchquoten zwischen 50 und 70%). Die Anforderungen an die Registrierung sollten nicht zu hoch sein, da der von Bequemlichkeit geleitete Internetspieler sonst nach einfacheren Alternativen suche. Insbesondere sollten medienbruchfreie Verfahren bevorzugt werden.

Leitlinie 4: Ersatz des Glücksspielkollegiums durch eine gemeinsame Anstalt des öffentlichen Rechts

Nach der derzeitigen Rechtslage entscheidet für die ländereinheitlich zu führenden Verfahren das aus 16 Beamten bestehende sog. Glücksspielkollegium mit einer qualifizierten Mehrheit (Zwei-Drittel-Mehrheit) für die Länder. Diese Entscheidung wird von der Behörde eines Landes dann mit Wirkung für alle Länder nach außen umgesetzt. Nach Einschätzung Hessens habe sich dieses Verfahren als wenig effektiv herausgestellt. Zum einen seien durch das Erfordernis einer Zwei-Drittel-Mehrheit nur wenige Länder nötig, um positive Entscheidungen zu blockieren. Zum anderen bestehe die Problematik, dass eine Einigung häufig nur „auf den geringsten gemeinsamen Nenner“ möglich ist. Das Verfahren führe zum Teil zu untragbaren Konsequenzen für die Länder. Die Hessische Landesregierung verweist dabei auf die eigene Erfahrungen: So habe Hessen im Sportwettkonzessionsverfahren oder bei Pferdewetten Entscheidungen des Glückspielkollegiums umsetzen und entsprechend vor Gericht verteidigen müssen, die es selbst rechtlich für bedenklich halte.

Inzident verweist die Hessische Landesregierung damit auf die gravierenden rechtlichen Bedenken mehrerer Gerichte gegen das im Geheimen tagende, parlamentarisch nicht legitimierte und ohne Begründungen entscheidende Glückspielkollegium (vgl. etwa den Beschluss des VG Wiesbaden vom 16.04.2014, Az.: 5 L 1448/14.WI).

Nach dem Willen Hessens soll die notwendige Zusammenarbeit der Länder zukünftig durch Gründung einer gemeinsamen Anstalt des öffentlichen Rechts gewährleistet werden (ähnlich der für die Finanzaufsicht zuständigen BaFin). Diese Anstalt solle für die bundesweite Erteilung der Interneterlaubnisse, die Aufsicht sowie die Untersagung unerlaubten Glücksspiels und der Werbung hierfür im Internet zuständig sein.

Leitlinie 5: Bundesweite zentrale Sperrdatei

Nach dem derzeitigen Glücksspielstaatvertrag betreibt das Land Hessen die bundesweite zentrale Sperrdatei, an die u.a. die Landeslotteriegesellschaften, die Spielbanken und die Sportwettkonzessionäre angebunden werden sollen, sowie eine eigene Sperrdatei, an welche die hessischen Spielhallen angeschlossen sind. Ursprünglich sei geplant gewesen, die hessischen Spielhallen an die bundesweite, zentrale Sperrdatei, anzuschließen, damit Spieler, die sich in einer hessischen Spielhalle sperren lassen, auch an anderen Glücksspielen mit besonderem Gefährdungspotential, wie beispielsweise Glücksspiele in Spielbanken, nicht teilnehmen können. Der Betrieb zweier Sperrdateien sei zudem aufwändig und überdies sehr kostenintensiv. Vor diesem Hintergrund soll daher eine Rechtsgrundlage zur Ermöglichung des Anschlusses der Spielhallen an die bundesweite zentrale Sperrdatei geschaffen werden. 

Deutsche Automatenwirtschaft begrüßt Vorstoß der Hessischen Landesregierung

Nur Qualität garantiert wirksamen Verbraucherschutz

Der Vorstoß der Hessischen Landesregierung mit den „Leitlinien für eine zeitgemäße Glücksspielregulierung“ ist eine glücksspielpolitische Kehrtwende, auch für das gewerbliche Automatenspiel. Damit nimmt man Abschied von der quantitativen Angebotsbegrenzung und wendet sich qualitativen Maßstäben zu.

Georg Stecker, Vorstandssprecher der Deutschen Automatenwirtschaft: „Nur so – und da hat die Hessische Regierung Recht – kann man den sich immer weiter verbreitenden illegalen Spielangeboten wirksam entgegentreten“. Die Deutsche Automatenwirtschaft sieht darin die einzige Chance für einen wirksamen Verbraucherschutz gegenüber unregulierten und illegalen Angeboten.

Deswegen unterwerfen sich die Unternehmen der Deutschen Automatenwirtschaft auch der strengen Prüfung durch unabhängige TÜV-Organisationen. Wer die strengen Spielerschutz- Anforderungen nicht einhält und die hohen qualitativen Standards nicht erreicht, hat aus der Sicht der Deutschen Automatenwirtschaft in Zukunft nichts auf dem Markt des gewerblichen Automatenspiels zu suchen. So werden nur noch verlässliche und sozial verantwortliche Spielangebote dem Kunden angeboten.

Die Deutschen Automatenwirtschaft begrüßt ausdrücklich die Qualitätsmaßstäbe und hält diese den willkürlich gesetzten Abstandsregelungen zwischen Spielhallen, der Angebotsbegrenzung auf Kleinstspielhallen und sonstigen rein quantitativen Beschränkungen gegenüber für weit überlegen: „Wer es mit dem Spielerschutz ernst meint, muss auf Qualität setzen. Ich fordere die anderen Bundesländer auf, den guten Impuls aus Hessen parteiübergreifend aufzugreifen und schnellstmöglich umzusteuern. Damit können Fehlentwicklungen endlich korrigiert werden“, so DAW-Vorstandssprecher Georg Stecker.

Pressemitteilung der Deutschen Automatenwirtschaft e.V. 

Hessisches Ministerium des Innern und für Sport: „Hessen macht konkrete Vorschläge für eine moderne Glücksspielregulierung“

Pressemitteilung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 8. Oktober 2015

Die Hessische Landesregierung hat fünf „Leitlinien für eine zeitgemäße Glücksspielregulierung in Deutschland“ beschlossen. „Wir machen damit konkrete Vorschläge an die anderen Bundesländer, den Glücksspielstaatsvertrag anzupassen, um seine Ziele zu erreichen“, sagte der Hessische Innenminister Peter Beuth. Die gesetzgeberische Intention, wie Jugendschutz, Bekämpfung der Spielsucht und die Sicherstellung des Verbraucherschutzes der Spieler sei nicht erreicht worden, da mangels Ordnung völliger Wildwuchs entstanden sei.

Beuth spielt damit vor allem auf die bisher gescheiterte Vergabe der Sportwettenkonzessionen an, die zurzeit bei unterschiedlichen Gerichten beklagt wird. Es sei an der Zeit aus der bundesweit unbefriedigenden Situation herauszukommen. Man müsse handeln statt den Ausgang der langwierigen Gerichtsverfahren abzuwarten. „Wir Hessen haben immer wieder darauf hingewiesen, dass wir eine Neuregelung des bestehenden gesetzlichen Rahmens brauchen: auf der Ebene der Ministerpräsidentenkonferenz, bei der Innenministerkonferenz und in der Öffentlichkeit. Die nun von uns vorgelegten Leitlinien zeigen, was nun praktisch zu tun ist“, betonte Beuth.

Die fünf Leitlinien sähen u.a. die Regulierung von Casino- und Pokerspielen im Internet oder die Aufhebung der Zahl der zu vergebenden Sportwettkonzessionen vor. Zudem würden Vorschläge zu den Anforderungen an die Registrierung im Internet, die Zusammenarbeit der Länder oder zur bundesweiten zentralen Sperrdatei gemacht.

„Eine quantitative Deckelung bei der Konzessionsvergabe im Bereich der Sportwetten führt nicht zu einer Verbesserung der Suchtprävention. Deshalb setzen wir uns für eine qualitative Begrenzung der Konzessionen ein. Sportwettenanbieter, die die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags korrekt umsetzen, sollen auch eine Konzession erhalten können. Die Anzahl spielt dann keine Rolle mehr. Dem tragen wir mit unseren Leitlinien Rechnung. Denn wir wollen, dass die Ziele des Glückspielstaatsvertrags wie Jugendschutz, Bekämpfung der Spielsucht, des Schwarzmarkts und der damit einhergehenden Kriminalität wirksam erreicht werden“, erklärte der Innenminister.

„Unser Ziel ist eindeutig: Der Glücksspielmarkt in Deutschland muss wieder klaren Regeln unterliegen. Es ist im Interesse der Spielerinnen und Spieler, der Anbieter und nicht zuletzt der Steuerzahler, dass die hessischen Vorschläge schnellstmöglich umgesetzt werden, um zu einem geordneten Verfahren zurück zu gelangen“, machte Beuth deutlich.

Im Einzelnen sehen die von der Hessischen Landesregierung beschlossenen Leitlinien folgendes vor:

Leitlinien für eine zeitgemäße Glücksspielregulierung in Deutschland

Leitlinie 1: Regulierung von Casino- und Pokerspielen im Internet


Aus der Begründung zum Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) ergibt sich, dass es bei dem strikten Verbot von Onlinecasino- und Onlinepokerspielen verbleiben sollte, da der Gesetzgeber von einer hohen Manipulationsanfälligkeit solcher Spiele und einem hohen Suchtpotential ausgegangen ist. Die Nachfrage nach solchen Spielen sollte in den terrestrischen Spielbanken gedeckt werden. Eventuell vorhandene unerlaubte Angebote im Internet sollten mit Nachdruck bekämpft werden, etwa durch Unterbindung der Zahlungsströme. Der Gesetzgeber ging von einem Marktvolumen in 2009 von 0,1 bis 0,3 Mrd. Euro bei Casinospielen aus sowie 0,2 bis 0,3 Mrd. Euro bei Poker im Internet.

Diese gesetzgeberische Intention mit Blick auf die Ziele des GlüStV wurde bis heute nicht erfüllt.

Gerade in den letzten beiden Jahren ist der illegale Onlinecasino- und Pokermarkt weiter gewachsen. Von den etwa 823 deutschsprachigen Internetseiten bieten 394 (48%) ein Casinoangebot und 86 (11%) Pokerspiele an. Im vierten Quartal 2014 betrug der Internetcasinoeinsatz Studien zufolge 5,941 Mrd. Euro (im gesamten Jahr 2014 waren es 18,357 Mrd. Euro) und der Internetpokereinsatz 789 Mio. Euro (im gesamten Jahr 2014 waren es 3,952 Mrd. Euro). Ein legales Angebot, wie etwa ein Angebot der regulierten Spielbanken, existiert nicht. Der Erfolg der vorgesehenen Unterbindung des illegalen Spiels lässt sich an den genannten Zahlen ablesen. Das gesetzlich geregelte Ziel der Schwarzmarktbekämpfung wird in diesem Bereich daher vollkommen außer Acht gelassen. Aber auch der Wille des Gesetzgebers Spieler und Jugendliche zu schützen, kann in einem unregulierten Markt nicht gewährleistet werden. Alle dargestellten Umsätze werden derzeit im Schwarzmarkt generiert. Den Ländern entgehen hierdurch Einnahmen in erheblicher Höhe (ausgehend von einer Besteuerung, die sich an die Regelung in Schleswig Holstein anlehnt, wären dies in 2014 Steuern in Höhe von 230 Mio. Euro gewesen).

Vor diesem Hintergrund sollte zur Bekämpfung des inzwischen größten Schwarzmarkts in Deutschland sowie auch aus Gründen des Spieler- und Jugendschutzes eine Regulierung dieses Marktsegments erfolgen. Eine Erlaubniserteilung für Casino- und Pokerspiele im Internet sollte, ohne quantitative Begrenzung, möglich sein. Überdies sollte ein Steuertatbestand geschaffen werden. Dies hätte unter anderem den Vorteil, dass der Schwarzmarkt effektiv bekämpft werden kann, die manipulationsanfälligen Spiele im Internet einer Kontrolle unterliegen, die Vorgaben des Spieler- und Jugendschutzes auch in diesem Marktsegment Anwendung finden und die hierdurch entstehenden Steuern guten Zwecken zugeführt werden können.

Leitlinie 2: Aufhebung der Zahl der zu vergebenden Sportwettkonzessionen (derzeit Begrenzung auf 20)

Nach dem GlüStV sollte innerhalb des Experimentierzeitraums von sieben Jahren die Kanalisierungswirkung der konzessionierten Öffnung der Sportwetten durch die Lenkung der Nachfrage in rechtmäßige, aber zahlenmäßig beschränkte Bahnen, getestet werden. Eine Expansion des Sportwettmarkts sollte aber nach dem Willen des Gesetzgebers vermieden werden. Der Gesetzgeber ging dabei jedoch von einer „überschaubaren Zahl illegal tätiger Unternehmen“ aus, sodass die Beschränkung der Sportwettkonzessionen auf 20 plausibel erschien.

Diese gesetzgeberische Intention mit Blick auf die Ziele des GlüStV wurde bis heute nicht erfüllt.

Laut aktueller Studien gibt es in Deutschland derzeit 133 (illegale) Sportwettseiten. Dies entspricht in etwa auch der Zahl der an einer Konzession interessierten Unternehmen. Steuern werden bereits von 39 Unternehmen alleine an das Finanzamt Frankfurt III entrichtet. Die Begrenzung der Anzahl der Konzessionen auf 20 wird dem bestehenden Markt daher nicht gerecht und führt auch nicht etwa zu einem geringeren Angebot. Die quantitative Begrenzung führt lediglich zu Klagewellen der im Konzessionsverfahren unterlegenen Anbieter und hierdurch zum Stillstand in diesem Marktsegment, da die Experimentierphase gar nicht erst zum Tragen kommen kann. Eine Marktregulierung findet ebenfalls nicht statt. Im Übrigen ist eine Begrenzung der Zahl der zu vergebenden Konzessionen auf 20 europarechtlich kaum haltbar.

Vor diesem Hintergrund sollten die Erlaubnisse für Sportwetten ohne quantitative Begrenzung vergeben werden können. Jeder Anbieter, der die ohnehin hohen glücksspielrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, sollte eine Erlaubnis erhalten können. Des Weiteren wäre zu empfehlen, auch die Anforderungen an die Ausgestaltung der Sportwette an die Marktbedürfnisse anzupassen (Beispiel: Verbot der Live-Wette; dies macht jedoch etwa 60 bis 70% des Umsatzes bei den Unternehmen aus).

Leitlinie 3: Internet-Höchsteinsatzgrenze von 1.000 Euro; Anforderungen an die Registrierung im Internet

Nach dem GlüStV soll die Beschränkung des Höchsteinsatzes auf 1.000 Euro je Monat insbesondere dem Spielerschutz und der Suchtprävention dienen. Aus der Begründung zum GlüStV ergibt sich zudem, dass bei der Registrierung der Spieler im Internet die Anforderungen der KJM (Kommission für Jugendmedienschutz)-Standards einzuhalten sind. Dies soll insbesondere dazu dienen, Minderjährige vom Spiel im Internet abzuhalten.

Diese gesetzgeberische Intention mit Blick auf die Ziele des GlüStV wurde bis heute nicht erfüllt.

Eine Begrenzung des Höchsteinsatzes auf 1.000 Euro je Monat ist weder marktgerecht, noch hilft es dem Spielerschutz oder der Suchtprävention. Bei marktüblichen Gewinnausschüttungen von 95% dürfte demnach bei einem Höchsteinsatz von 1.000 Euro nicht weitergespielt werden, obwohl der Spieler möglicherweise gar nichts verloren hat. Auch Suchtexperten raten eher zu monatlichen Verlustgrenzen. Zudem führt eine starre Regelung dazu, dass die sogenannten „high-roller“ und andere Spieler, die höhere Einsätze spielen wollen, in den Schwarzmarkt abwandern. Das belegen auch Studien in anderen Ländern. Bei den Anforderungen an die Registrierung im Internet sind die Anforderungen der KJM derart hoch, dass der Durchschnittsspieler die Registrierung abbricht und nach einfacheren, meist illegalen Alternativen sucht. Die Abbruchquoten im Registrierungsprozess liegen Studien und Aussagen der Landeslotteriegesellschaften zufolge bei diesen Anforderungen zwischen 50 und 70%.

Vor diesem Hintergrund wäre die Einführung von Selbstlimitierungsmöglichkeiten durch den Spieler sowie die Einführung von Verlustlimits anstelle von Einsatzlimits eine wesentlich geeignetere Möglichkeit. Diese Änderung könnte den gewünschten Spielerschutz erheblich besser gewährleisten, da sich die Sperre an der Höhe der Verluste orientiert. Die Anforderungen an die Registrierung sollten nicht zu hoch sein, da der von Bequemlichkeit geleitete Internetspieler nach einfacheren Alternativen suchen wird. Insbesondere sollten medienbruchfreie Verfahren bevorzugt werden.

Leitlinie 4: Glücksspielkollegium – Zusammenarbeit der Länder; Gründung einer gemeinsamen Anstalt des öffentlichen Rechts

Nach dem GlüStV sollte durch die Schaffung des Glücksspielkollegiums die Zusammenarbeit der Länder fortentwickelt und effektiver gestaltet werden. Für die ländereinheitlich zu führenden Verfahren entscheidet das Kollegium mit einer qualifizierten Mehrheit (Zwei-Drittel-Mehrheit) für die Länder. Diese Entscheidung wird von der Behörde eines Landes mit Wirkung für alle Länder nach außen umgesetzt.

Diese gesetzgeberische Intention mit Blick auf die Ziele des GlüStV wurde bis heute nicht erfüllt.

Das Verfahren hat sich als wenig effektiv herausgestellt. Zum einen sind durch das Erfordernis einer Zwei-Drittel-Mehrheit nur wenige Länder nötig, um positive Entscheidungen zu blockieren. Zum anderen besteht die Problematik, dass eine Einigung häufig nur „auf den geringsten gemeinsamen Nenner“ möglich ist. Das Verfahren führt zum Teil zu untragbaren Konsequenzen für die Länder. So muss ein zentral zuständiges Bundesland wie Hessen im Sportwettkonzessionsverfahren oder bei Pferdewetten Entscheidungen des Glückspielkollegiums umsetzen und entsprechend vor Gericht verteidigen, die es selbst rechtlich für bedenklich hält.

Vor diesem Hintergrund sollte die notwendige Zusammenarbeit der Länder durch Gründung einer gemeinsamen Anstalt des öffentlichen Rechts gewährleistet werden. Der Wunsch nach effektiver Zusammenarbeit könnte besser gewährleistet werden, wenn die Länder eine gemeinsame Anstalt des öffentlichen Rechts ähnlich der BaFin (mit Sitz in Hessen) hätten, die für die bundesweite Erteilung der Interneterlaubnisse, die Aufsicht sowie die Untersagung unerlaubten Glücksspiels und der Werbung hierfür im Internet zuständig wäre. Hier wäre die politische Steuerung der Bundesländer gewährleistet, da die Länder die Anstalt über einen Verwaltungsrat steuern könnten. Zudem wäre Deutschland durch eine solche Regelung auf Augenhöhe mit Ländern wie Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien oder Dänemark, die ebenfalls über eine Aufsichts- und Regulierungsbehörde verfügen.

Leitlinie 5: Bundesweite zentrale Sperrdatei / Hessische Sperrdatei für Spielhallen; Anschluss der Spielhallen an die bundesweite zentrale Sperrdatei

Nach dem GlüStV betreibt das Land Hessen die bundesweite zentrale Sperrdatei, an die u.a. die Landeslotteriegesellschaften, die Spielbanken und die Sportwettkonzessionäre angebunden werden sollen, sowie eine eigene Sperrdatei, an welche die hessischen Spielhallen angeschlossen sind. Die Regelungen dienen dem aktiven Spielerschutz.

Diese gesetzgeberische Intention mit Blick auf die Ziele des GlüStV wurde bis heute nicht vollständig erfüllt.

Ursprünglich war geplant, die hessischen Spielhallen an die bundesweite, zentrale Sperrdatei, anzuschließen, damit Spieler, die sich in einer hessischen Spielhalle sperren lassen, auch an anderen Glücksspielen mit besonderem Gefährdungspotential, wie beispielsweise Glücksspiele in Spielbanken, nicht teilnehmen können. Dies war jedoch mangels Rechtsgrundlage im GlüStV bislang nicht möglich. Der Betrieb zweier Sperrdateien ist zudem aufwändig und überdies sehr kostenintensiv. Mangels Regelung im GlüStV unterscheiden einige Länder bei Glücksspielen im Internet nicht zwischen Spielen mit hohem Gefährdungspotential und Spielen mit geringem Gefährdungspotential, wie es im terrestrischen Bereich der Fall ist. Dies führt zu der Situation, dass bspw. Lotto Hessen keine Abfragepflicht gegen die Sperrdatei für ihr Produkt Lotto „6 aus 49“ auferlegt bekommen hat, andere Länder dies ihren Lottogesellschaften jedoch als Pflicht auferlegen. Das Land Hessen als Betreiber der Sperrdatei überprüft aber nicht die Erlaubnisse anderer Länder, sondern schließt die Verpflichteten entsprechend der jeweiligen Erlaubnis an. Eine Abfragepflicht für das Produkt „6 aus 49“ könnte jedoch zu einer solch enormen Sperrdateiabfrage an Samstagen führen (im millionenfachen Bereich), dass es zu Ausfällen des Sperrsystems mit noch ungeklärten Haftungsfolgen kommen könnte.

Vor diesem Hintergrund sollte eine Rechtsgrundlage im GlüStV zur Ermöglichung des Anschlusses der Spielhallen an die bundesweite zentrale Sperrdatei geschaffen werden. Dies dient zum einen dem Spielerschutz, führt aber auch zur Einsparung erheblicher Kosten, da nur noch eine Sperrdatei betrieben werden müsste. Im Hinblick auf die Abfragepflicht bedarf es einer Klarstellung im GlüStV, dass auch bei Glücksspielen im Internet zwischen Glücksspielen mit hohem Gefährdungspotential und Glücksspielen mit geringerem Gefährdungspotential unterschieden werden sollte.

Vorschlag der hessischen Landesregierung: Grundlegende Neuregelung des Glücksspielrechts?

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Nach Zeitungsberichten, u.a. in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), will das Land Hessen eine grundlegende Änderung des Glücksspielstaatsvertrags 2012 erreichen. Ein diesbezüglicher Beschluss der schwarz-grünen Regierung in Wiesbaden soll nun den anderen Bundesländern vorgestellt werden. 

Hessen, das im Rahmen des derzeitig noch geltenden Glücksspielstaatsvertrags auch im Namen der anderen Bundesländern Konzessionen an Sportwettenanbieter im Rahmen des Glücksspielstaatsvertrags vergeben soll, will insbesondere die rechtlich problematische Begrenzung auf 20 Lizenzen aufheben. Diese hatte – neben Verfahrensfehlern – trotz mehr als dreijähriger Verfahrensdauer die Vergabe der Lizenzen bislang verhindert. Jeder Anbieter, der die gesetzlichen Voraussetzungen erfülle, solle nunmehr eine Erlaubnis erhalten. Die derzeitige Einschränkung auf 20 Konzessionen werde dem Markt nicht gerecht. Einen entsprechenden Vorschlag einer qualitativen Konzessionierung hatte der hessische Innenminister Peter Beuth bereits vor einigen Monaten in einem in der FAZ erschienen Gastbeitrag lanciert (FAZ vom 15. Juni 2015). Beuth verwies nunmehr erneut darauf, dass die Begrenzung dem aktuellen Markt nicht gerecht werde. Derzeit gebe es bundesweit 133 (illegale) Sportwettenseiten. Europarechtlich sei die Einschränkung auf 20 Konzessionen nicht haltbar.

Auch für die nach der derzeitigen Regelung unzulässigen Casino- und Pokerspiele im Internet sollen zukünftig erlaubt werden. Mit dieser Neuregelung solle der "größte Schwarzmarkt in Deutschland" bekämpft werden. Der eigentlich beabsichtigte Schutz der Jugendlichen in einem unregulierten Markt sei nicht möglich. Außerdem entgingen dem Staat Einnahmen in Höhe von vielen Millionen Euro. 

Hessen übernimmt damit im Wesentlichen die 2012 bis Anfang 2013 geltende Regelung in Schleswig-Holstein, das Lizenzen auch für Online-Casinospielanbieter und ohne zahlenmäßige Begrenzung auch an Sportwettenanbieter ausgereicht hatte. Der Vorschlag Hessens wurde daher auch umgehend von den damaligen Initiatoren des schleswig-holsteinischen Glücksspielgesetzes, dem Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Hans-Jörn Arp, und dem FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki begrüßt. Sie forderten in einer Pressemitteilung auf, Hessen in seinem Kurs zu unterstützen.

Hans-Jörn Arp und Wolfgang Kubicki: Schleswig-Holstein kann und muss an der Seite der hessischen Landesregierung stehen

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Hans-Jörn Arp, und FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki haben Ministerpräsident Torsten Albig aufgefordert, das federführende Bundesland Hessen nach dessen Kabinettsbeschluss für eine Neuordnung des Glücksspielmarktes in seinem Kurs zu unterstützen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte heute (08. Oktober 2015, S. 26) darüber berichtet:

„Hessen hat als federführendes Bundesland erkannt, dass der Glücksspielstaatsvertrag schlicht und einfach Murks ist. Er lässt sich nicht umsetzen. Deshalb wird er Stück für Stück von den Gerichten auseinander genommen, während der Schwarzmarkt blüht“, sagte Arp in Kiel.

Die Begründung der Hessischen Landesregierung für ihre Initiative lese sich wie diejenige des von SPD, Grünen und SSW nach deren Regierungsübernahme 2012 aufgehobenen Schleswig-Holsteinische Glücksspielgesetzes, betonte Kubicki:

„Der heutige Glücksspielstaatsvertrag führt zu einem blühenden Schwarzmarkt und zu einer Vernachlässigung des Spieler- und Jugendschutzes. Das Glücksspielkollegium ist in erster Linie ein intransparenter Lobbyverein zur Verteidigung der Interessen der Lottogesellschaften der Länder. Mit den eigentlichen Zielen der Glücksspielregulierung hat das nichts mehr zu tun“, so Kubicki.

Die beiden Abgeordneten zeigten sich optimistisch, dass nach dem Vorstoß aus Hessen endlich Bewegung in die Sache komme.

„Die Ministerpräsidenten müssen endlich erkennen, dass dieses von den Glücksspielreferenten ausgehandelte Konstrukt völlig verkorkst ist. Es lässt sich auch nicht mehr heilen. Man hat versucht, einen rechtmäßigen Vertrag für ein verfassungs- und europarechtswidriges System zurecht zu zimmern. Das konnte von Anfang an nicht klappen. Deshalb hat Schleswig-Holstein diesen Unsinn in unserer Regierungszeit auch nicht mitgemacht“, sagte der FDP-Fraktionschef.

Leider sei in den vergangenen Jahren aufgrund der Abwanderung der Spieler in den Schwarzmarkt nicht nur viel Steuergeld verloren gegangen, sondern auch viel Vertrauen der seriösen Anbieter zerstört, sowie den Spielern und vor allem Spielsüchtigen im Land geschadet worden.

„Deshalb sollte sich Schleswig-Holstein jetzt unverzüglich an die Seite Hessens stellen. Hier gibt es die Expertise, und von der EU notifizierte Gesetze liegen in der Schublade. Man muss sie nur heraus holen. Schließlich haben wir Erfahrung“, so Arp.

Pressemitteilung der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag