Freitag, 9. Oktober 2015

Neuregelung des deutschen Glücksspiel- und Wettrechts? - Hessische Landesregierung schlägt grundlegende Änderung des Glückspielstaatsvertrags vor

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Das Land Hessen will eine grundlegende Änderung des in der Praxis gescheiterten und in vielen Punkten rechtlich angreifbaren Glücksspielstaatsvertrags 2012 erreichen. Ein diesbezüglicher Kabinettsbeschluss der schwarz-grünen Regierung soll nun den anderen Bundesländern vorgestellt werden.

Die die von der Hessischen Landesregierung beschlossenen „Leitlinien für eine zeitgemäße Glücksspielregulierung in Deutschland“ sehen grundlegende Änderungen bei dem zwischen den 16 deutschen Ländern abgeschlossenen Glücksspielstaatsvertrag vor.

In den insgesamt fünf Leitlinien wird u.a. eine Zulassung von Poker- und Casinospielen im Internet vorgeschlagen. Bei Sportwetten will man statt der quantitative Begrenzung auf 20 Anbieter eine qualitative Konzessionierung durchsetzen. Auch Anbieter von Poker- und Casinospielen sollen ohne zahlenmäßige Begrenzung zugelassen werden.

Hessen übernimmt damit im Wesentlichen die 2012 bis Anfang 2013 geltende Regelung in Schleswig-Holstein, das Lizenzen auch für Online-Casinospielanbieter und ohne zahlenmäßige Begrenzung auch an Sportwettenanbieter ausgereicht hatte. Der Vorschlag Hessens wurde daher auch umgehend von den damaligen Initiatoren des schleswig-holsteinischen Glücksspielgesetztes, dem Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Hans-Jörn Arp, und dem FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki begrüßt. Sie forderten in einer Pressemitteilung auf, Hessen in seinem Kurs zu unterstützen.

Nach den „Leitlinien“ soll darüber hinaus das staatsrechtlich höchst problematische sog. Glücksspielkollegium durch eine gemeinsame Anstalt des öffentlichen Rechts ersetzt werden.

Für eine Umsetzung der „Leitlinien für eine zeitgemäße Glücksspielregulierung in Deutschland“ müsste der Glückspielstaatsvertrag grundlegend geändert werden. Für eine entsprechende Änderung des Staatsvertrags müssten die Länderparlamente zustimmen, da der Bayerische Verfassungsgerichtshof in einer aktuellen, nachfolgend näher dargestellten Entscheidung eine Änderung der Anzahl der zu vergebenden Sportwetten-Konzessionen durch einen Beschluss der Ministerpräsidenten als verfassungswidrig beurteilt hatte.

Zu den von der Hessischen Landesregierung beschlossenen Leitlinien im Einzelnen:

Leitlinie 1: Zulassung von Casino- und Pokerspielen im Internet

Hessen will das derzeit nach der deutschen Gesetzeslage geltende strikte Verbot von Onlinecasino- und Onlinepokerspielen aufheben. Die gesetzgeberische Intention mit Blick auf die Ziele des Glücksspielstaatvertrags sei bis heute nicht erfüllt worden. Gerade in den letzten beiden Jahren sei der illegale Onlinecasino- und Pokermarkt weiter gewachsen. Der eigentlich beabsichtigte Schutz der Jugendlichen in einem unregulierten Markt sei nicht möglich. Außerdem entgingen dem Staat Einnahmen in Höhe von vielen Millionen Euro.

Vor diesem Hintergrund solle zur Bekämpfung des laut Hessen inzwischen „größten Schwarzmarkts in Deutschland“ sowie auch aus Gründen des Spieler- und Jugendschutzes eine Regulierung dieses Marktsegments erfolgen. Eine Erlaubniserteilung für Casino- und Pokerspiele im Internet soll ohne quantitative Begrenzung möglich sein. Überdies sollte ein Steuertatbestand geschaffen werden.

Leitlinie 2: Aufhebung der Zahl der zu vergebenden Sportwettkonzessionen 

Hessen, das im Rahmen des derzeit noch geltenden Glücksspielstaatsvertrags auch im Namen der anderen Bundesländern Konzessionen an Sportwettenanbieter im Rahmen des Glücksspielstaatsvertrags vergeben soll, will insbesondere die verfassungs- und europarechtlich problematische Begrenzung auf 20 Lizenzen aufheben. Diese hatte – neben zahlreichen Verfahrensfehlern – trotz mehr als dreijähriger Verfahrensdauer die Vergabe der Lizenzen bislang verhindert. 

Nach dem hessischen Vorschlag soll jeder Anbieter, der die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, nunmehr eine Erlaubnis erhalten. Die derzeitige Einschränkung auf 20 Sportwetten-Konzessionen werde dem Markt nicht gerecht. Einen entsprechenden Vorschlag einer „qualitativen Konzessionierung“ hatte der hessische Innenminister Peter Beuth bereits vor einigen Monaten in einem in der FAZ erschienen Gastbeitrag lanciert (FAZ vom 15. Juni 2015). Beuth verwies nunmehr erneut darauf, dass die Begrenzung dem aktuellen Markt nicht gerecht werde. Derzeit gebe es bundesweit 133 (illegale) Sportwettenseiten. Europarechtlich sei die Einschränkung auf 20 Konzessionen nicht haltbar.

Für eine Aufhebung der Beschränkung auf 20 Konzessionen ist eine Änderung des Glücksspielstaatsvertrags erforderlich. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat nämlich kürzlich in seiner Entscheidung vom 25. September 2015 Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) für nicht mit der Bayerischen Verfassung vereinbar erklärt (Az. Vf. 9-VII-13, Vf. 4-VII-14 und Vf. 10-VII-14). So verstößt die Regelung, dass die in dem GlüStV bestimmte Zahl der Wettkonzessionen im Nachhinein durch einen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz (§ 4 a Abs. 3 Satz 2 GlüStV) abgeändert werden kann, nach den Feststellungen des Verfassungsgerichtshofs gegen Verfassungsrecht. Diese Ermächtigung der Ministerpräsidentenkonferenz zu einer verbindlichen (Neu-)Festlegung der Zahl der zu vergebenden Konzessionen für Sportwetten verstoße gegen das bundes- und landesverfassungsrechtliche Gebot, dass es auch bei föderalem Zusammenwirken der Bundesländer möglich bleiben muss, einen außenwirksamen Hoheitsakt dem jeweiligen Land zuzurechnen, und ist daher mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) nicht vereinbar. 

Leitlinie 3: Selbstlimitierungsmöglichkeiten statt Internet-Höchsteinsatzgrenze 

Die derzeitige Regelung sieht eine Beschränkung des Höchsteinsatzes auf EUR 1.000,- je Monat vor. Eine derartige Begrenzung des Höchsteinsatzes sei jedoch weder marktgerecht, noch helfe es dem Spielerschutz oder der Suchtprävention. Bei marktüblichen Gewinnausschüttungen von 95% dürfe bei einem Höchsteinsatz von EUR 1.000,- nicht weitergespielt werden, obwohl der Spieler möglicherweise gar nichts verloren habe. Zudem führe eine starre Regelung dazu, dass die sogenannten „High-roller“ und andere Spieler, die höhere Einsätze spielen wollten, in den Schwarzmarkt abwanderten. Vor diesem Hintergrund wäre die Einführung von Selbstlimitierungsmöglichkeiten durch den Spieler sowie die Einführung von Verlustlimits anstelle von Einsatzlimits eine wesentlich geeignetere Möglichkeit.

Bei der Registrierung der Spieler im Internet sollen derzeit die recht strikten Anforderungen der Standards der KJM (Kommission für Jugendmedienschutz) eingehalten werden. Diese Anforderungen seien jedoch derart hoch, dass der Durchschnittsspieler die Registrierung abbreche und nach einfacheren, meist illegalen Alternativen suche (Abbruchquoten zwischen 50 und 70%). Die Anforderungen an die Registrierung sollten nicht zu hoch sein, da der von Bequemlichkeit geleitete Internetspieler sonst nach einfacheren Alternativen suche. Insbesondere sollten medienbruchfreie Verfahren bevorzugt werden.

Leitlinie 4: Ersatz des Glücksspielkollegiums durch eine gemeinsame Anstalt des öffentlichen Rechts

Nach der derzeitigen Rechtslage entscheidet für die ländereinheitlich zu führenden Verfahren das aus 16 Beamten bestehende sog. Glücksspielkollegium mit einer qualifizierten Mehrheit (Zwei-Drittel-Mehrheit) für die Länder. Diese Entscheidung wird von der Behörde eines Landes dann mit Wirkung für alle Länder nach außen umgesetzt. Nach Einschätzung Hessens habe sich dieses Verfahren als wenig effektiv herausgestellt. Zum einen seien durch das Erfordernis einer Zwei-Drittel-Mehrheit nur wenige Länder nötig, um positive Entscheidungen zu blockieren. Zum anderen bestehe die Problematik, dass eine Einigung häufig nur „auf den geringsten gemeinsamen Nenner“ möglich ist. Das Verfahren führe zum Teil zu untragbaren Konsequenzen für die Länder. Die Hessische Landesregierung verweist dabei auf die eigene Erfahrungen: So habe Hessen im Sportwettkonzessionsverfahren oder bei Pferdewetten Entscheidungen des Glückspielkollegiums umsetzen und entsprechend vor Gericht verteidigen müssen, die es selbst rechtlich für bedenklich halte.

Inzident verweist die Hessische Landesregierung damit auf die gravierenden rechtlichen Bedenken mehrerer Gerichte gegen das im Geheimen tagende, parlamentarisch nicht legitimierte und ohne Begründungen entscheidende Glückspielkollegium (vgl. etwa den Beschluss des VG Wiesbaden vom 16.04.2014, Az.: 5 L 1448/14.WI).

Nach dem Willen Hessens soll die notwendige Zusammenarbeit der Länder zukünftig durch Gründung einer gemeinsamen Anstalt des öffentlichen Rechts gewährleistet werden (ähnlich der für die Finanzaufsicht zuständigen BaFin). Diese Anstalt solle für die bundesweite Erteilung der Interneterlaubnisse, die Aufsicht sowie die Untersagung unerlaubten Glücksspiels und der Werbung hierfür im Internet zuständig sein.

Leitlinie 5: Bundesweite zentrale Sperrdatei

Nach dem derzeitigen Glücksspielstaatvertrag betreibt das Land Hessen die bundesweite zentrale Sperrdatei, an die u.a. die Landeslotteriegesellschaften, die Spielbanken und die Sportwettkonzessionäre angebunden werden sollen, sowie eine eigene Sperrdatei, an welche die hessischen Spielhallen angeschlossen sind. Ursprünglich sei geplant gewesen, die hessischen Spielhallen an die bundesweite, zentrale Sperrdatei, anzuschließen, damit Spieler, die sich in einer hessischen Spielhalle sperren lassen, auch an anderen Glücksspielen mit besonderem Gefährdungspotential, wie beispielsweise Glücksspiele in Spielbanken, nicht teilnehmen können. Der Betrieb zweier Sperrdateien sei zudem aufwändig und überdies sehr kostenintensiv. Vor diesem Hintergrund soll daher eine Rechtsgrundlage zur Ermöglichung des Anschlusses der Spielhallen an die bundesweite zentrale Sperrdatei geschaffen werden. 

Deutsche Automatenwirtschaft begrüßt Vorstoß der Hessischen Landesregierung

Nur Qualität garantiert wirksamen Verbraucherschutz

Der Vorstoß der Hessischen Landesregierung mit den „Leitlinien für eine zeitgemäße Glücksspielregulierung“ ist eine glücksspielpolitische Kehrtwende, auch für das gewerbliche Automatenspiel. Damit nimmt man Abschied von der quantitativen Angebotsbegrenzung und wendet sich qualitativen Maßstäben zu.

Georg Stecker, Vorstandssprecher der Deutschen Automatenwirtschaft: „Nur so – und da hat die Hessische Regierung Recht – kann man den sich immer weiter verbreitenden illegalen Spielangeboten wirksam entgegentreten“. Die Deutsche Automatenwirtschaft sieht darin die einzige Chance für einen wirksamen Verbraucherschutz gegenüber unregulierten und illegalen Angeboten.

Deswegen unterwerfen sich die Unternehmen der Deutschen Automatenwirtschaft auch der strengen Prüfung durch unabhängige TÜV-Organisationen. Wer die strengen Spielerschutz- Anforderungen nicht einhält und die hohen qualitativen Standards nicht erreicht, hat aus der Sicht der Deutschen Automatenwirtschaft in Zukunft nichts auf dem Markt des gewerblichen Automatenspiels zu suchen. So werden nur noch verlässliche und sozial verantwortliche Spielangebote dem Kunden angeboten.

Die Deutschen Automatenwirtschaft begrüßt ausdrücklich die Qualitätsmaßstäbe und hält diese den willkürlich gesetzten Abstandsregelungen zwischen Spielhallen, der Angebotsbegrenzung auf Kleinstspielhallen und sonstigen rein quantitativen Beschränkungen gegenüber für weit überlegen: „Wer es mit dem Spielerschutz ernst meint, muss auf Qualität setzen. Ich fordere die anderen Bundesländer auf, den guten Impuls aus Hessen parteiübergreifend aufzugreifen und schnellstmöglich umzusteuern. Damit können Fehlentwicklungen endlich korrigiert werden“, so DAW-Vorstandssprecher Georg Stecker.

Pressemitteilung der Deutschen Automatenwirtschaft e.V. 

Hessisches Ministerium des Innern und für Sport: „Hessen macht konkrete Vorschläge für eine moderne Glücksspielregulierung“

Pressemitteilung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 8. Oktober 2015

Die Hessische Landesregierung hat fünf „Leitlinien für eine zeitgemäße Glücksspielregulierung in Deutschland“ beschlossen. „Wir machen damit konkrete Vorschläge an die anderen Bundesländer, den Glücksspielstaatsvertrag anzupassen, um seine Ziele zu erreichen“, sagte der Hessische Innenminister Peter Beuth. Die gesetzgeberische Intention, wie Jugendschutz, Bekämpfung der Spielsucht und die Sicherstellung des Verbraucherschutzes der Spieler sei nicht erreicht worden, da mangels Ordnung völliger Wildwuchs entstanden sei.

Beuth spielt damit vor allem auf die bisher gescheiterte Vergabe der Sportwettenkonzessionen an, die zurzeit bei unterschiedlichen Gerichten beklagt wird. Es sei an der Zeit aus der bundesweit unbefriedigenden Situation herauszukommen. Man müsse handeln statt den Ausgang der langwierigen Gerichtsverfahren abzuwarten. „Wir Hessen haben immer wieder darauf hingewiesen, dass wir eine Neuregelung des bestehenden gesetzlichen Rahmens brauchen: auf der Ebene der Ministerpräsidentenkonferenz, bei der Innenministerkonferenz und in der Öffentlichkeit. Die nun von uns vorgelegten Leitlinien zeigen, was nun praktisch zu tun ist“, betonte Beuth.

Die fünf Leitlinien sähen u.a. die Regulierung von Casino- und Pokerspielen im Internet oder die Aufhebung der Zahl der zu vergebenden Sportwettkonzessionen vor. Zudem würden Vorschläge zu den Anforderungen an die Registrierung im Internet, die Zusammenarbeit der Länder oder zur bundesweiten zentralen Sperrdatei gemacht.

„Eine quantitative Deckelung bei der Konzessionsvergabe im Bereich der Sportwetten führt nicht zu einer Verbesserung der Suchtprävention. Deshalb setzen wir uns für eine qualitative Begrenzung der Konzessionen ein. Sportwettenanbieter, die die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags korrekt umsetzen, sollen auch eine Konzession erhalten können. Die Anzahl spielt dann keine Rolle mehr. Dem tragen wir mit unseren Leitlinien Rechnung. Denn wir wollen, dass die Ziele des Glückspielstaatsvertrags wie Jugendschutz, Bekämpfung der Spielsucht, des Schwarzmarkts und der damit einhergehenden Kriminalität wirksam erreicht werden“, erklärte der Innenminister.

„Unser Ziel ist eindeutig: Der Glücksspielmarkt in Deutschland muss wieder klaren Regeln unterliegen. Es ist im Interesse der Spielerinnen und Spieler, der Anbieter und nicht zuletzt der Steuerzahler, dass die hessischen Vorschläge schnellstmöglich umgesetzt werden, um zu einem geordneten Verfahren zurück zu gelangen“, machte Beuth deutlich.

Im Einzelnen sehen die von der Hessischen Landesregierung beschlossenen Leitlinien folgendes vor:

Leitlinien für eine zeitgemäße Glücksspielregulierung in Deutschland

Leitlinie 1: Regulierung von Casino- und Pokerspielen im Internet


Aus der Begründung zum Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) ergibt sich, dass es bei dem strikten Verbot von Onlinecasino- und Onlinepokerspielen verbleiben sollte, da der Gesetzgeber von einer hohen Manipulationsanfälligkeit solcher Spiele und einem hohen Suchtpotential ausgegangen ist. Die Nachfrage nach solchen Spielen sollte in den terrestrischen Spielbanken gedeckt werden. Eventuell vorhandene unerlaubte Angebote im Internet sollten mit Nachdruck bekämpft werden, etwa durch Unterbindung der Zahlungsströme. Der Gesetzgeber ging von einem Marktvolumen in 2009 von 0,1 bis 0,3 Mrd. Euro bei Casinospielen aus sowie 0,2 bis 0,3 Mrd. Euro bei Poker im Internet.

Diese gesetzgeberische Intention mit Blick auf die Ziele des GlüStV wurde bis heute nicht erfüllt.

Gerade in den letzten beiden Jahren ist der illegale Onlinecasino- und Pokermarkt weiter gewachsen. Von den etwa 823 deutschsprachigen Internetseiten bieten 394 (48%) ein Casinoangebot und 86 (11%) Pokerspiele an. Im vierten Quartal 2014 betrug der Internetcasinoeinsatz Studien zufolge 5,941 Mrd. Euro (im gesamten Jahr 2014 waren es 18,357 Mrd. Euro) und der Internetpokereinsatz 789 Mio. Euro (im gesamten Jahr 2014 waren es 3,952 Mrd. Euro). Ein legales Angebot, wie etwa ein Angebot der regulierten Spielbanken, existiert nicht. Der Erfolg der vorgesehenen Unterbindung des illegalen Spiels lässt sich an den genannten Zahlen ablesen. Das gesetzlich geregelte Ziel der Schwarzmarktbekämpfung wird in diesem Bereich daher vollkommen außer Acht gelassen. Aber auch der Wille des Gesetzgebers Spieler und Jugendliche zu schützen, kann in einem unregulierten Markt nicht gewährleistet werden. Alle dargestellten Umsätze werden derzeit im Schwarzmarkt generiert. Den Ländern entgehen hierdurch Einnahmen in erheblicher Höhe (ausgehend von einer Besteuerung, die sich an die Regelung in Schleswig Holstein anlehnt, wären dies in 2014 Steuern in Höhe von 230 Mio. Euro gewesen).

Vor diesem Hintergrund sollte zur Bekämpfung des inzwischen größten Schwarzmarkts in Deutschland sowie auch aus Gründen des Spieler- und Jugendschutzes eine Regulierung dieses Marktsegments erfolgen. Eine Erlaubniserteilung für Casino- und Pokerspiele im Internet sollte, ohne quantitative Begrenzung, möglich sein. Überdies sollte ein Steuertatbestand geschaffen werden. Dies hätte unter anderem den Vorteil, dass der Schwarzmarkt effektiv bekämpft werden kann, die manipulationsanfälligen Spiele im Internet einer Kontrolle unterliegen, die Vorgaben des Spieler- und Jugendschutzes auch in diesem Marktsegment Anwendung finden und die hierdurch entstehenden Steuern guten Zwecken zugeführt werden können.

Leitlinie 2: Aufhebung der Zahl der zu vergebenden Sportwettkonzessionen (derzeit Begrenzung auf 20)

Nach dem GlüStV sollte innerhalb des Experimentierzeitraums von sieben Jahren die Kanalisierungswirkung der konzessionierten Öffnung der Sportwetten durch die Lenkung der Nachfrage in rechtmäßige, aber zahlenmäßig beschränkte Bahnen, getestet werden. Eine Expansion des Sportwettmarkts sollte aber nach dem Willen des Gesetzgebers vermieden werden. Der Gesetzgeber ging dabei jedoch von einer „überschaubaren Zahl illegal tätiger Unternehmen“ aus, sodass die Beschränkung der Sportwettkonzessionen auf 20 plausibel erschien.

Diese gesetzgeberische Intention mit Blick auf die Ziele des GlüStV wurde bis heute nicht erfüllt.

Laut aktueller Studien gibt es in Deutschland derzeit 133 (illegale) Sportwettseiten. Dies entspricht in etwa auch der Zahl der an einer Konzession interessierten Unternehmen. Steuern werden bereits von 39 Unternehmen alleine an das Finanzamt Frankfurt III entrichtet. Die Begrenzung der Anzahl der Konzessionen auf 20 wird dem bestehenden Markt daher nicht gerecht und führt auch nicht etwa zu einem geringeren Angebot. Die quantitative Begrenzung führt lediglich zu Klagewellen der im Konzessionsverfahren unterlegenen Anbieter und hierdurch zum Stillstand in diesem Marktsegment, da die Experimentierphase gar nicht erst zum Tragen kommen kann. Eine Marktregulierung findet ebenfalls nicht statt. Im Übrigen ist eine Begrenzung der Zahl der zu vergebenden Konzessionen auf 20 europarechtlich kaum haltbar.

Vor diesem Hintergrund sollten die Erlaubnisse für Sportwetten ohne quantitative Begrenzung vergeben werden können. Jeder Anbieter, der die ohnehin hohen glücksspielrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, sollte eine Erlaubnis erhalten können. Des Weiteren wäre zu empfehlen, auch die Anforderungen an die Ausgestaltung der Sportwette an die Marktbedürfnisse anzupassen (Beispiel: Verbot der Live-Wette; dies macht jedoch etwa 60 bis 70% des Umsatzes bei den Unternehmen aus).

Leitlinie 3: Internet-Höchsteinsatzgrenze von 1.000 Euro; Anforderungen an die Registrierung im Internet

Nach dem GlüStV soll die Beschränkung des Höchsteinsatzes auf 1.000 Euro je Monat insbesondere dem Spielerschutz und der Suchtprävention dienen. Aus der Begründung zum GlüStV ergibt sich zudem, dass bei der Registrierung der Spieler im Internet die Anforderungen der KJM (Kommission für Jugendmedienschutz)-Standards einzuhalten sind. Dies soll insbesondere dazu dienen, Minderjährige vom Spiel im Internet abzuhalten.

Diese gesetzgeberische Intention mit Blick auf die Ziele des GlüStV wurde bis heute nicht erfüllt.

Eine Begrenzung des Höchsteinsatzes auf 1.000 Euro je Monat ist weder marktgerecht, noch hilft es dem Spielerschutz oder der Suchtprävention. Bei marktüblichen Gewinnausschüttungen von 95% dürfte demnach bei einem Höchsteinsatz von 1.000 Euro nicht weitergespielt werden, obwohl der Spieler möglicherweise gar nichts verloren hat. Auch Suchtexperten raten eher zu monatlichen Verlustgrenzen. Zudem führt eine starre Regelung dazu, dass die sogenannten „high-roller“ und andere Spieler, die höhere Einsätze spielen wollen, in den Schwarzmarkt abwandern. Das belegen auch Studien in anderen Ländern. Bei den Anforderungen an die Registrierung im Internet sind die Anforderungen der KJM derart hoch, dass der Durchschnittsspieler die Registrierung abbricht und nach einfacheren, meist illegalen Alternativen sucht. Die Abbruchquoten im Registrierungsprozess liegen Studien und Aussagen der Landeslotteriegesellschaften zufolge bei diesen Anforderungen zwischen 50 und 70%.

Vor diesem Hintergrund wäre die Einführung von Selbstlimitierungsmöglichkeiten durch den Spieler sowie die Einführung von Verlustlimits anstelle von Einsatzlimits eine wesentlich geeignetere Möglichkeit. Diese Änderung könnte den gewünschten Spielerschutz erheblich besser gewährleisten, da sich die Sperre an der Höhe der Verluste orientiert. Die Anforderungen an die Registrierung sollten nicht zu hoch sein, da der von Bequemlichkeit geleitete Internetspieler nach einfacheren Alternativen suchen wird. Insbesondere sollten medienbruchfreie Verfahren bevorzugt werden.

Leitlinie 4: Glücksspielkollegium – Zusammenarbeit der Länder; Gründung einer gemeinsamen Anstalt des öffentlichen Rechts

Nach dem GlüStV sollte durch die Schaffung des Glücksspielkollegiums die Zusammenarbeit der Länder fortentwickelt und effektiver gestaltet werden. Für die ländereinheitlich zu führenden Verfahren entscheidet das Kollegium mit einer qualifizierten Mehrheit (Zwei-Drittel-Mehrheit) für die Länder. Diese Entscheidung wird von der Behörde eines Landes mit Wirkung für alle Länder nach außen umgesetzt.

Diese gesetzgeberische Intention mit Blick auf die Ziele des GlüStV wurde bis heute nicht erfüllt.

Das Verfahren hat sich als wenig effektiv herausgestellt. Zum einen sind durch das Erfordernis einer Zwei-Drittel-Mehrheit nur wenige Länder nötig, um positive Entscheidungen zu blockieren. Zum anderen besteht die Problematik, dass eine Einigung häufig nur „auf den geringsten gemeinsamen Nenner“ möglich ist. Das Verfahren führt zum Teil zu untragbaren Konsequenzen für die Länder. So muss ein zentral zuständiges Bundesland wie Hessen im Sportwettkonzessionsverfahren oder bei Pferdewetten Entscheidungen des Glückspielkollegiums umsetzen und entsprechend vor Gericht verteidigen, die es selbst rechtlich für bedenklich hält.

Vor diesem Hintergrund sollte die notwendige Zusammenarbeit der Länder durch Gründung einer gemeinsamen Anstalt des öffentlichen Rechts gewährleistet werden. Der Wunsch nach effektiver Zusammenarbeit könnte besser gewährleistet werden, wenn die Länder eine gemeinsame Anstalt des öffentlichen Rechts ähnlich der BaFin (mit Sitz in Hessen) hätten, die für die bundesweite Erteilung der Interneterlaubnisse, die Aufsicht sowie die Untersagung unerlaubten Glücksspiels und der Werbung hierfür im Internet zuständig wäre. Hier wäre die politische Steuerung der Bundesländer gewährleistet, da die Länder die Anstalt über einen Verwaltungsrat steuern könnten. Zudem wäre Deutschland durch eine solche Regelung auf Augenhöhe mit Ländern wie Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien oder Dänemark, die ebenfalls über eine Aufsichts- und Regulierungsbehörde verfügen.

Leitlinie 5: Bundesweite zentrale Sperrdatei / Hessische Sperrdatei für Spielhallen; Anschluss der Spielhallen an die bundesweite zentrale Sperrdatei

Nach dem GlüStV betreibt das Land Hessen die bundesweite zentrale Sperrdatei, an die u.a. die Landeslotteriegesellschaften, die Spielbanken und die Sportwettkonzessionäre angebunden werden sollen, sowie eine eigene Sperrdatei, an welche die hessischen Spielhallen angeschlossen sind. Die Regelungen dienen dem aktiven Spielerschutz.

Diese gesetzgeberische Intention mit Blick auf die Ziele des GlüStV wurde bis heute nicht vollständig erfüllt.

Ursprünglich war geplant, die hessischen Spielhallen an die bundesweite, zentrale Sperrdatei, anzuschließen, damit Spieler, die sich in einer hessischen Spielhalle sperren lassen, auch an anderen Glücksspielen mit besonderem Gefährdungspotential, wie beispielsweise Glücksspiele in Spielbanken, nicht teilnehmen können. Dies war jedoch mangels Rechtsgrundlage im GlüStV bislang nicht möglich. Der Betrieb zweier Sperrdateien ist zudem aufwändig und überdies sehr kostenintensiv. Mangels Regelung im GlüStV unterscheiden einige Länder bei Glücksspielen im Internet nicht zwischen Spielen mit hohem Gefährdungspotential und Spielen mit geringem Gefährdungspotential, wie es im terrestrischen Bereich der Fall ist. Dies führt zu der Situation, dass bspw. Lotto Hessen keine Abfragepflicht gegen die Sperrdatei für ihr Produkt Lotto „6 aus 49“ auferlegt bekommen hat, andere Länder dies ihren Lottogesellschaften jedoch als Pflicht auferlegen. Das Land Hessen als Betreiber der Sperrdatei überprüft aber nicht die Erlaubnisse anderer Länder, sondern schließt die Verpflichteten entsprechend der jeweiligen Erlaubnis an. Eine Abfragepflicht für das Produkt „6 aus 49“ könnte jedoch zu einer solch enormen Sperrdateiabfrage an Samstagen führen (im millionenfachen Bereich), dass es zu Ausfällen des Sperrsystems mit noch ungeklärten Haftungsfolgen kommen könnte.

Vor diesem Hintergrund sollte eine Rechtsgrundlage im GlüStV zur Ermöglichung des Anschlusses der Spielhallen an die bundesweite zentrale Sperrdatei geschaffen werden. Dies dient zum einen dem Spielerschutz, führt aber auch zur Einsparung erheblicher Kosten, da nur noch eine Sperrdatei betrieben werden müsste. Im Hinblick auf die Abfragepflicht bedarf es einer Klarstellung im GlüStV, dass auch bei Glücksspielen im Internet zwischen Glücksspielen mit hohem Gefährdungspotential und Glücksspielen mit geringerem Gefährdungspotential unterschieden werden sollte.

Vorschlag der hessischen Landesregierung: Grundlegende Neuregelung des Glücksspielrechts?

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Nach Zeitungsberichten, u.a. in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), will das Land Hessen eine grundlegende Änderung des Glücksspielstaatsvertrags 2012 erreichen. Ein diesbezüglicher Beschluss der schwarz-grünen Regierung in Wiesbaden soll nun den anderen Bundesländern vorgestellt werden. 

Hessen, das im Rahmen des derzeitig noch geltenden Glücksspielstaatsvertrags auch im Namen der anderen Bundesländern Konzessionen an Sportwettenanbieter im Rahmen des Glücksspielstaatsvertrags vergeben soll, will insbesondere die rechtlich problematische Begrenzung auf 20 Lizenzen aufheben. Diese hatte – neben Verfahrensfehlern – trotz mehr als dreijähriger Verfahrensdauer die Vergabe der Lizenzen bislang verhindert. Jeder Anbieter, der die gesetzlichen Voraussetzungen erfülle, solle nunmehr eine Erlaubnis erhalten. Die derzeitige Einschränkung auf 20 Konzessionen werde dem Markt nicht gerecht. Einen entsprechenden Vorschlag einer qualitativen Konzessionierung hatte der hessische Innenminister Peter Beuth bereits vor einigen Monaten in einem in der FAZ erschienen Gastbeitrag lanciert (FAZ vom 15. Juni 2015). Beuth verwies nunmehr erneut darauf, dass die Begrenzung dem aktuellen Markt nicht gerecht werde. Derzeit gebe es bundesweit 133 (illegale) Sportwettenseiten. Europarechtlich sei die Einschränkung auf 20 Konzessionen nicht haltbar.

Auch für die nach der derzeitigen Regelung unzulässigen Casino- und Pokerspiele im Internet sollen zukünftig erlaubt werden. Mit dieser Neuregelung solle der "größte Schwarzmarkt in Deutschland" bekämpft werden. Der eigentlich beabsichtigte Schutz der Jugendlichen in einem unregulierten Markt sei nicht möglich. Außerdem entgingen dem Staat Einnahmen in Höhe von vielen Millionen Euro. 

Hessen übernimmt damit im Wesentlichen die 2012 bis Anfang 2013 geltende Regelung in Schleswig-Holstein, das Lizenzen auch für Online-Casinospielanbieter und ohne zahlenmäßige Begrenzung auch an Sportwettenanbieter ausgereicht hatte. Der Vorschlag Hessens wurde daher auch umgehend von den damaligen Initiatoren des schleswig-holsteinischen Glücksspielgesetzes, dem Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Hans-Jörn Arp, und dem FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki begrüßt. Sie forderten in einer Pressemitteilung auf, Hessen in seinem Kurs zu unterstützen.

Hans-Jörn Arp und Wolfgang Kubicki: Schleswig-Holstein kann und muss an der Seite der hessischen Landesregierung stehen

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Hans-Jörn Arp, und FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki haben Ministerpräsident Torsten Albig aufgefordert, das federführende Bundesland Hessen nach dessen Kabinettsbeschluss für eine Neuordnung des Glücksspielmarktes in seinem Kurs zu unterstützen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte heute (08. Oktober 2015, S. 26) darüber berichtet:

„Hessen hat als federführendes Bundesland erkannt, dass der Glücksspielstaatsvertrag schlicht und einfach Murks ist. Er lässt sich nicht umsetzen. Deshalb wird er Stück für Stück von den Gerichten auseinander genommen, während der Schwarzmarkt blüht“, sagte Arp in Kiel.

Die Begründung der Hessischen Landesregierung für ihre Initiative lese sich wie diejenige des von SPD, Grünen und SSW nach deren Regierungsübernahme 2012 aufgehobenen Schleswig-Holsteinische Glücksspielgesetzes, betonte Kubicki:

„Der heutige Glücksspielstaatsvertrag führt zu einem blühenden Schwarzmarkt und zu einer Vernachlässigung des Spieler- und Jugendschutzes. Das Glücksspielkollegium ist in erster Linie ein intransparenter Lobbyverein zur Verteidigung der Interessen der Lottogesellschaften der Länder. Mit den eigentlichen Zielen der Glücksspielregulierung hat das nichts mehr zu tun“, so Kubicki.

Die beiden Abgeordneten zeigten sich optimistisch, dass nach dem Vorstoß aus Hessen endlich Bewegung in die Sache komme.

„Die Ministerpräsidenten müssen endlich erkennen, dass dieses von den Glücksspielreferenten ausgehandelte Konstrukt völlig verkorkst ist. Es lässt sich auch nicht mehr heilen. Man hat versucht, einen rechtmäßigen Vertrag für ein verfassungs- und europarechtswidriges System zurecht zu zimmern. Das konnte von Anfang an nicht klappen. Deshalb hat Schleswig-Holstein diesen Unsinn in unserer Regierungszeit auch nicht mitgemacht“, sagte der FDP-Fraktionschef.

Leider sei in den vergangenen Jahren aufgrund der Abwanderung der Spieler in den Schwarzmarkt nicht nur viel Steuergeld verloren gegangen, sondern auch viel Vertrauen der seriösen Anbieter zerstört, sowie den Spielern und vor allem Spielsüchtigen im Land geschadet worden.

„Deshalb sollte sich Schleswig-Holstein jetzt unverzüglich an die Seite Hessens stellen. Hier gibt es die Expertise, und von der EU notifizierte Gesetze liegen in der Schublade. Man muss sie nur heraus holen. Schließlich haben wir Erfahrung“, so Arp.

Pressemitteilung der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag