von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
Der Hessische Verwaltungsgerichthof (VGH) hat einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden aufgehoben, mit dem dieses das hessische Innenministerium verpflichtet hatte, in dem bereits seit August 2012 laufenden Sportwetten-Konzessionierungsverfahren über den Antrag eines Antragstellers innerhalb von drei Monaten zu entscheiden (VG Wiesbaden, Beschluss vom 20. Dezember 2013, Az. 5 L 970/13.WI, siehe http://wettrecht.blogspot.de/2014/02/sportwetten-konzessionierungsverfahren.html). Der VGH ist der Beschwerde des Ministeriums gefolgt und hat die ebenfalls erhobene Beschwerde der staatlichen ODS Oddset Deutschland Sportwetten GmbH („ODS GmbH“) zurückgewiesen (Hess. VGH, Beschluss vom 11. März 2013, Az. 8 B 72/14).
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hatte festgestellt, dass der ODS GmbH eine noch längere Verfahrensdauer nicht zumutbar sei. Über den Antrag sei nicht in angemessener Zeit entschieden worden, ohne dass ein zureichender Grund dafür ersichtlich sei.
Dem folgt der VGH nicht. Die Antragstellerin ODS GmbH wolle gar keine Beschleunigung des Verfahrens, sondern vielmehr eine vorläufige Legalisierung oder Duldung ihrer gewerblichen Tätigkeit. Dieses Ziel erreiche die Antragstellerin nicht, wenn der Antragsgegner ohne inhaltliche Vorgaben zu einer Entscheidung über ihren Konzessionsantrag verpflichtet werde (Rn. 29). Die Verpflichtung zu einer Entscheidung binnen der vom Verwaltungsgericht festgelegten Frist würde zu einer Ablehnung des Konzessionsantrags führen, weil das Ministerium derzeit nicht alle für eine Konzessionserteilung erforderlichen Voraussetzungen als erfüllt ansehe. Es käme also absehbar weder zu einer vorläufigen noch zu einer endgültigen positiven Entscheidung für die Antragstellerin.
Die von der ODS GmbH mit ihrem Hauptantrag verfolgte behördliche Verfahrenshandlung, nämlich eine vorläufige Vorabentscheidung des Ministeriums im Verfahren der Konzessionserteilung, könne nicht zulässig durch eine einstweilige Anordnung (§ 123 VwGO) erreicht werden. Nach § 44a S. 1 VwGO könnten Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden (Rn. 32). Der Zweck der Vorschrift liegt nach Ansicht des VGH darin, die Sachentscheidung nicht durch Rechtsstreitigkeiten über Verfahrenshandlungen zu verzögern oder zu erschweren. Dagegen sprechende besondere Gründe, wie eine rechtlich selbständige Zwischenentscheidung, fehlten. Bisher sei auch eine der Antragstellerin nachteilige abschließende Entscheidung noch nicht ergangen. Als zulässiger Rechtsbehelf bleibe lediglich die Untätigkeitsklage.
Hinsichtlich der von der ODS GmbH hilfsweise angestrebten Duldung hat der VGH Zulässigkeitsbedenken. Jedenfalls fehle dem Ministerium die Passivlegitimation (d.h. es ist nicht der richtige Anspruchsgegner). Da die Antragstellerin (noch) keine Konzessionsnehmerin sei, seien die Voraussetzungen für die in § 9a Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 1 GlüStV geregelte bundesweite Zuständigkeit hessischer Behörden für die Glückspielaufsicht derzeit nicht gegeben (Rn. 35). Eine lediglich auf das Land Hessen bezogene Duldung strebe die ODS GmbH ersichtlich nicht an.
Kommentar: Ein Ende des Konzessionierungsverfahrens ist nicht absehbar. Die Situation ist mehr als verfahren. Das VG Wiesbaden hatte das Ministerium bereits kürzlich im Rahmen einer Untätigkeitsklage verpflichtet, über den Erlaubnisantrag der dortigen Klägerin (einer privaten Anbieterin) zu entscheiden, siehe http://wettrecht.blogspot.de/2014/02/sportwetten-konzessionierungsverfahren_11.html). Allerdings hatte das Gericht für eine „obergerichtliche Klärung“ die Berufung ausdrücklich zugelassen.
Interessant ist, dass das Hessische Innenministerium der von mehreren Landeslotteriegesellschaften getragenen staatlich ODS GmbH ausdrücklich bestätigt, gleich mehrere Mindestvoraussetzungen für eine Konzessionierung nicht zu erfüllen (wie der Darstellung des Sachverhalts durch den VGH zu entnehmen ist, Rn. 22). Trifft dies zu, wäre dies politisch eine Bankrotterklärung für das staatliche Glücksspielangebot.
Eine „Sonderrolle als staatlicher Wettanbieter“ hat das Ministerium nach den Angaben in der Entscheidung ausdrücklich abgelehnt. Nach dem zitierten Vortrag des Ministeriums kann gegen private Anbieter derzeit praktisch nicht vorgegangen werden. So seien wegen des bis zur Erteilung der Konzessionen fortbestehenden staatlichen Sportwettenmonopols die Erfolgsaussichten für ein Einschreiten seitens der zuständigen Aufsichtsbehörden als gering eingeschätzt worden, zumal das BVerwG und der EuGH das Monopol in Frage gestellt hätten (Rn. 24).
Eine weitere Klärung dürften die bevorstehenden Entscheidungen des EuGH und des EFTA-Gerichtshofs bringen. Der EuGH verhandelt am 2. April 2014 die Vorlage des BGH zur Kohärenz der deutschen Glücksspielregelungen. In einer weiteren, umfassenden Vorlagesache hat das Amtsgerichts Sonfthofen dem EuGH u.a. auch Fragen zu den europarechtlichen Anforderungen an ein Konzessionierungsverfahren gestellt, siehe http://wettrecht.blogspot.de/2014/03/neue-vorlage-den-eugh-zum-deutschen.html. Der EFTA-Gerichtshof entscheidet mehrere Vorabentscheidungsfragen zur Vergabe der Spielbankenkonzession in Liechtenstein, siehe http://wettrecht.blogspot.de/2013/11/eugh-und-efta-gerichtshof-klaren.html.
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Samstag, 22. März 2014
Freitag, 21. März 2014
Bundesverfassungsgericht: Stückzahlmaßstab der früheren Bremischen und Saarländischen Vergnügungsteuergesetze nur bis zum 31. Dezember 2005 anwendbar
Der in den früheren Bremischen und Saarländischen Vergnügungsteuergesetzen enthaltene Stückzahlmaßstab für Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit ist verfassungswidrig und nur bis zum 31. Dezember 2005 anwendbar. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden. Die Weitergeltung der Vorschriften kommt nur bis zu dem Zeitpunkt in Betracht, an dem die Normgeber aufgrund der im April 2005 erfolgten Rechtsprechungsänderung des Bundesverwaltungsgerichts erkennen mussten, dass ein Stückzahlmaßstab nicht verfassungsgemäß ist. Eine etwa sechsmonatige Frist zur Umsetzung war einzuräumen; ein Zuwarten bis zur Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Hamburgischen Vergnügungsteuergesetz aus dem Jahr 2009 ist hingegen nicht gerechtfertigt.
Sachverhalt und Verfahrensgang:
Beteiligte des Ausgangsverfahrens zur Vorlage 1 BvL 11/10 sind eine bremische Spielhallenbetreiberin und das Finanzamt. Diese streiten um die Vergnügungsteuerfestsetzung für die Monate Dezember 2007 bis Februar 2009. Nach dem im maßgeblichen Zeitraum geltenden Bremischen Vergnügungsteuergesetz unterlag unter anderem der Betrieb von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit der Vergnügungsteuer. Die Besteuerung richtete sich nach der Anzahl der aufgestellten Automaten.
Seit dem 1. Januar 2010 ist das Gesetz geändert; die Steuer wird anhand eines Prozentsatzes des Einspielergebnisses bemessen.
Beteiligte des Ausgangsverfahrens zur Vorlage 1 BvL 14/10 sind ein saarländischer Spielhallenbetreiber und der Bürgermeister der Gemeinde, in der die Spielhalle liegt. Diese streiten über die Vergnügungsteuerfestsetzung für die Monate Januar bis Dezember 007. Das im hier maßgeblichen Zeitraum geltende Saarländische Vergnügungsteuergesetz ermächtigte die Gemeinden unter anderem zur Erhebung einer Vergnügungsteuer für das Halten von Spielapparaten in Spielhallen. Die Höhe der Steuer konnte durch gemeindliche Satzung bis zu gesetzlich festgelegten Maximaltarifen festgelegt werden. Seit dem 1. März 2013 wird die Vergnügungsteuer für Apparate mit Gewinnmöglichkeit anhand eines Prozentsatzes des Einspielergebnisses bemessen.
Wesentliche Erwägungen des Senats:
§ 3 Abs. 1 des Bremischen Vergnügungsteuergesetzes und § 14 Abs. 1 des Saarländischen Vergnügungsteuergesetzes in der für das jeweilige Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung verletzen – soweit sie Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit betreffen – den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
1. Das Bundesverfassungsgericht hat die Maßstäbe für die Anwendung des Gleichheitssatzes auf die Spielgerätesteuer bereits geklärt (Beschluss vom 4. Februar 2009 – 1 BvL 8/05 -, BVerfGE 123, 1; vgl. hierzu auch Pressemitteilung Nr. 45/2009 vom 28. April 2009). Es ist kein Gesichtspunkt vorgetragen oder ersichtlich, der zu einer abweichenden Bewertung Anlass gäbe.
2. Die vorgelegten Vorschriften halten einer Prüfung anhand dieser verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht stand. Es besteht keine tragfähige Rechtfertigung dafür, statt des auf den Vergnügungsaufwand der einzelnen Spieler bezogenen Wirklichkeitsmaßstabs einen an der Automatenstückzahl orientierten pauschalierenden Ersatzmaßstab für die Besteuerung zu verwenden.
3. Die vorgelegten Vorschriften können nur bis zum 31. Dezember 2005 angewendet werden.
a) Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit. Etwas anderes gilt regelmäßig dann, wenn der Verfassungsverstoß seine Ursache in einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG hat. In diesen Fällen erklärt das Bundesverfassungsgericht die Vorschrift grundsätzlich für unvereinbar mit dem Grundgesetz, weil der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, den Verfassungsverstoß zu beseitigen. Das Bundesverfassungsgericht kann die zeitweilige Fortgeltung der für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärten Norm anordnen, wenn die hierfür sprechenden verfassungsrechtlichen Belange überwiegen.
b) Für die befristete Fortgeltung der vorgelegten Normen bis zum 31. Dezember 2005 sprechen zum einen Erfordernisse einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung der freien Hansestadt Bremen und des Saarlands. Zum anderen erscheint die Belastung der Automatenhalter durch die Anwendung des Stückzahlmaßstabs relativ gering. Durch die verfassungswidrige Gleichbehandlung im Steuersatz müssen sie nicht notwendig benachteiligt werden, sondern können je nach den von ihnen im Einzelfall erzielten Spielgeräteumsätzen auch einer vergleichsweise günstigen Besteuerung unterliegen.
c) Die Normgeber in den Ausgangsverfahren durften sich jedoch nur bis zur Rechtsprechungsänderung des Bundesverwaltungsgerichts durch die Urteile vom 13. April 2005 bei der Verwendung des Stückzahlmaßstabs im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung sehen. Danach bestand Anlass zu überprüfen, ob die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Voraussetzungen für die Beibehaltung des Stückzahlmaßstabs in ihrem Zuständigkeitsgebiet vorlagen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte ausdrücklich klargestellt, dass ein Stückzahlmaßstab für Spielgeräte nur noch mit der Verfassung zu vereinbaren ist, wenn bestimmte Toleranzgrenzen eingehalten werden; eine Neuregelung der Spielgerätesteuer dürfe aber nicht nur auf die Stückzahl abheben. Ob diese Toleranzgrenzen eingehalten sind, haben die Freie Hansestadt Bremen und das Saarland jedoch nicht geprüft und auch nicht sonst dargelegt, warum sie am Stückzahlmaßstab festhielten. Der Freien Hansestadt Bremen und dem Saarland war es auch möglich und zumutbar, binnen etwa sechs Monaten nach der Rechtsprechungsänderung des Bundesverwaltungsgerichts, also bis Ende des Jahres 2005, zu reagieren.
Bundesverfassungsgericht – Pressestelle -
Pressemitteilung Nr. 24/2014 vom 21. März 2014
Beschluss vom 12. Februar 2014
1 BvL 11/10
1 BvL 14/10
Sachverhalt und Verfahrensgang:
Beteiligte des Ausgangsverfahrens zur Vorlage 1 BvL 11/10 sind eine bremische Spielhallenbetreiberin und das Finanzamt. Diese streiten um die Vergnügungsteuerfestsetzung für die Monate Dezember 2007 bis Februar 2009. Nach dem im maßgeblichen Zeitraum geltenden Bremischen Vergnügungsteuergesetz unterlag unter anderem der Betrieb von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit der Vergnügungsteuer. Die Besteuerung richtete sich nach der Anzahl der aufgestellten Automaten.
Seit dem 1. Januar 2010 ist das Gesetz geändert; die Steuer wird anhand eines Prozentsatzes des Einspielergebnisses bemessen.
Beteiligte des Ausgangsverfahrens zur Vorlage 1 BvL 14/10 sind ein saarländischer Spielhallenbetreiber und der Bürgermeister der Gemeinde, in der die Spielhalle liegt. Diese streiten über die Vergnügungsteuerfestsetzung für die Monate Januar bis Dezember 007. Das im hier maßgeblichen Zeitraum geltende Saarländische Vergnügungsteuergesetz ermächtigte die Gemeinden unter anderem zur Erhebung einer Vergnügungsteuer für das Halten von Spielapparaten in Spielhallen. Die Höhe der Steuer konnte durch gemeindliche Satzung bis zu gesetzlich festgelegten Maximaltarifen festgelegt werden. Seit dem 1. März 2013 wird die Vergnügungsteuer für Apparate mit Gewinnmöglichkeit anhand eines Prozentsatzes des Einspielergebnisses bemessen.
Wesentliche Erwägungen des Senats:
§ 3 Abs. 1 des Bremischen Vergnügungsteuergesetzes und § 14 Abs. 1 des Saarländischen Vergnügungsteuergesetzes in der für das jeweilige Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung verletzen – soweit sie Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit betreffen – den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
1. Das Bundesverfassungsgericht hat die Maßstäbe für die Anwendung des Gleichheitssatzes auf die Spielgerätesteuer bereits geklärt (Beschluss vom 4. Februar 2009 – 1 BvL 8/05 -, BVerfGE 123, 1; vgl. hierzu auch Pressemitteilung Nr. 45/2009 vom 28. April 2009). Es ist kein Gesichtspunkt vorgetragen oder ersichtlich, der zu einer abweichenden Bewertung Anlass gäbe.
2. Die vorgelegten Vorschriften halten einer Prüfung anhand dieser verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht stand. Es besteht keine tragfähige Rechtfertigung dafür, statt des auf den Vergnügungsaufwand der einzelnen Spieler bezogenen Wirklichkeitsmaßstabs einen an der Automatenstückzahl orientierten pauschalierenden Ersatzmaßstab für die Besteuerung zu verwenden.
3. Die vorgelegten Vorschriften können nur bis zum 31. Dezember 2005 angewendet werden.
a) Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit. Etwas anderes gilt regelmäßig dann, wenn der Verfassungsverstoß seine Ursache in einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG hat. In diesen Fällen erklärt das Bundesverfassungsgericht die Vorschrift grundsätzlich für unvereinbar mit dem Grundgesetz, weil der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, den Verfassungsverstoß zu beseitigen. Das Bundesverfassungsgericht kann die zeitweilige Fortgeltung der für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärten Norm anordnen, wenn die hierfür sprechenden verfassungsrechtlichen Belange überwiegen.
b) Für die befristete Fortgeltung der vorgelegten Normen bis zum 31. Dezember 2005 sprechen zum einen Erfordernisse einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung der freien Hansestadt Bremen und des Saarlands. Zum anderen erscheint die Belastung der Automatenhalter durch die Anwendung des Stückzahlmaßstabs relativ gering. Durch die verfassungswidrige Gleichbehandlung im Steuersatz müssen sie nicht notwendig benachteiligt werden, sondern können je nach den von ihnen im Einzelfall erzielten Spielgeräteumsätzen auch einer vergleichsweise günstigen Besteuerung unterliegen.
c) Die Normgeber in den Ausgangsverfahren durften sich jedoch nur bis zur Rechtsprechungsänderung des Bundesverwaltungsgerichts durch die Urteile vom 13. April 2005 bei der Verwendung des Stückzahlmaßstabs im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung sehen. Danach bestand Anlass zu überprüfen, ob die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Voraussetzungen für die Beibehaltung des Stückzahlmaßstabs in ihrem Zuständigkeitsgebiet vorlagen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte ausdrücklich klargestellt, dass ein Stückzahlmaßstab für Spielgeräte nur noch mit der Verfassung zu vereinbaren ist, wenn bestimmte Toleranzgrenzen eingehalten werden; eine Neuregelung der Spielgerätesteuer dürfe aber nicht nur auf die Stückzahl abheben. Ob diese Toleranzgrenzen eingehalten sind, haben die Freie Hansestadt Bremen und das Saarland jedoch nicht geprüft und auch nicht sonst dargelegt, warum sie am Stückzahlmaßstab festhielten. Der Freien Hansestadt Bremen und dem Saarland war es auch möglich und zumutbar, binnen etwa sechs Monaten nach der Rechtsprechungsänderung des Bundesverwaltungsgerichts, also bis Ende des Jahres 2005, zu reagieren.
Bundesverfassungsgericht – Pressestelle -
Pressemitteilung Nr. 24/2014 vom 21. März 2014
Beschluss vom 12. Februar 2014
1 BvL 11/10
1 BvL 14/10
Montag, 17. März 2014
Neue Vorlage an den EuGH zum deutschen Glücksspielrecht
von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L-HSG
Das Amtsgericht Sonthofen hat in zwei verbundenen Strafverfahren dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mehrere Fragen zur Vereinbarkeit der glücksspielrechtlichen Regelungen und der strafrechtlichen Sanktionierung mit Europarecht vorgelegt (Az. 1 Ds 400 Js 17155/11 – Rechtssache Ince). Die Angeklagte hatte im Jahr 2012 Sportwetten an in einem anderen EU-Mitgliedstaat staatlich zugelassenen Buchmacher vermittelt.
In dem von den Rechtsanwälten Martin Arendts, Grünwald (bei München), und Rolf Karpenstein, Hamburg, erwirkten Beschluss bezweifelt das Amtsgericht, dass eine Strafbarkeit der binnengrenzüberschreitenden Vermittlung von Sportwetten mit dem Argument des sog. Erlaubnisvorbehalts begründet werden kann. Hierzu stellt es Fragen zur Dienstleistungsfreiheit (siehe unten unter 1)). Eine Frage (Nr. 2) betrifft die Notifizierungspflicht nach der EG-Richtlinie 98/34/EG. Mehrere Fragen betreffen die zum 1. Juli 2012 in Kraft getretene Neuregelung durch den Glücksspieländerungsstaatsvertrag, der im Rahmen einer sog. Experimentierklausel die Konzessionierung von bis zu 20 Wettanbietern vorsieht (ohne dass bislang eine Konzessionserteilung absehbar ist). Hierzu stellt das Amtsgericht unter Nr. 3 Fragen zur Ausgestaltung eines derartigen Konzessionierungsverfahrens nach Unionsrecht.
Die Vorlagefragen im Einzelnen:
- Zum ersten Tatvorwurf (Januar 2012) und zum zweiten Tatvorwurf bis Ende Juni 2012:
1 a) Ist Artikel 56 AEUV dahin auszulegen, dass den Strafverfolgungsbehörden untersagt ist, die ohne deutsche Erlaubnis erfolgte Vermittlung von Sportwetten an im EU-Ausland lizenzierte Wettveranstalter zu sanktionieren, wenn die Vermittlung auch eine deutsche Erlaubnis des Veranstalters voraussetzt, den nationalen Stellen aber durch eine unionsrechtswidrige Gesetzeslage („Sportwettenmonopol“) verboten ist, nichtstaatlichen Wettveranstaltern eine Erlaubnis zu erteilen?
1 b) Ändert sich die Beantwortung der Frage 1. a), wenn in einem der 15 deutschen Bundesländer, die das staatliche Sportwettenmonopol gemeinsam errichtet haben und gemeinsam vollziehen, staatliche Stellen in Verbots- oder Strafverfahren behaupten, das gesetzliche Verbot, privaten Anbietern eine Erlaubnis zu erteilen, werde bei einem eventuellen Antrag auf eine Veranstalter- oder Vermittlungserlaubnis für dieses Bundesland nicht angewendet?
1 c) Sind die unionsrechtlichen Grundsätze, insbesondere die Dienstleistungsfreiheit sowie das Urteil des Gerichtshofs in der Rs. C-186/11 dahin auszulegen, dass sie einer dauerhaften, als „präventiv“ bezeichneten Untersagung oder Sanktionierung der grenzüberschreitenden Vermittlung von Sportwetten entgegenstehen, wenn dies damit begründet wird, dass für die Untersagungsbehörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht „offensichtlich, d.h. ohne weitere Prüfung erkennbar war“, dass die Vermittlungstätigkeit alle materiellen Erlaubnisvoraussetzungen – abgesehen von dem monopolistischen Staatsvorbehalt – erfüllt?
2. Ist die Richtlinie 98/34/EG dahin auszulegen, dass sie der Untersagung und/oder Sanktionierung der ohne deutsche Erlaubnis erfolgten Vermittlung von Sportwetten über einen Wettautomaten an einen im EU-Ausland lizenzierten Wettveranstalter entgegensteht, wenn die staatlichen Eingriffe auf einem nicht an die EU-Kommission notifizierten Gesetz eines einzelnen Bundeslandes beruhen, das den ausgelaufenen Staatsvertrag zum Glücksspielwesen (GlüStV) zum Inhalt hat?
- Zum zweiten Tatvorwurf für die Zeit ab Juli 2012
3. Sind die Artikel 56 AEUV, das Transparenzgebot, der Gleichheitssatz und das unionsrechtliche Verbot der Günstlingswirtschaft dahin auszulegen, dass sie der Untersagung oder Sanktionierung der Vermittlung von Sportwetten ohne deutsche Erlaubnis an einen im EU-Ausland lizenzierten Wettveranstalter in einem Fall entgegenstehen, der durch ein für neun Jahre angelegtes monopolistisches Sportwettenregime (Glückspieländerungsstaatsvertrag, „GlüÄndStV“) mit einer „Experimentierklausel für Sportwetten“ gekennzeichnet ist, die für sieben Jahre die theoretische Möglichkeit vorsieht, maximal 20 Konzessionen auch an nicht staatliche Wettveranstalter mit Legalisierungswirkung für alle deutschen Bundesländer als notwendige Voraussetzung für eine Vermittlungserlaubnis zu vergeben, wenn
a) das Konzessionsverfahren und in diesem Zusammenhang geführte Rechtsstreitigkeiten von der Konzessionsstelle gemeinsam mit derjenigen Rechtsanwaltskanzlei betrieben werden, die die Mehrzahl der Bundesländer und ihre Lotterieunternehmen im Zusammenhang mit dem unionsrechtswidrigen Sportwettenmonopol regelmäßig beraten und vor nationalen Gerichten gegen private Wettanbieter vertreten hat und mit der Vertretung der staatlichen Stellen in den Vorabentscheidungsverfahren Markus Stoß, Carmen Media und Winner Wetten beauftragt war,
b) aus der am 8. August 2012 im Amtsblatt der EU veröffentlichten Konzessionsausschreibung keine Details zu den Mindestanforderungen an die vorzulegenden Konzepte, zum Inhalt der übrigen verlangten Erklärungen und Nachweise sowie zur Auswahl der maximal 20 Konzessionäre hervorgingen, Details vielmehr erst nach Ablauf der Bewerbungsfrist mit einem so genannten „Informationsmemorandum“ und zahlreichen weiteren Dokumenten nur Bewerbern mitgeteilt wurden, die sich für eine „zweite Stufe“ des Konzessionsverfahrens qualifiziert hatten,
c) die Konzessionsstelle acht Monate nach Beginn des Verfahrens entgegen der Ausschreibung nur 14 Konzessionsbewerber zur persönlichen Präsentation ihrer Sozial- und Sicherheitskonzepte einlädt, weil diese die Mindestvoraussetzungen für eine Konzession zu 100 % erfüllt hätten, 15 Monate nach Beginn des Verfahrens aber mitteilt, kein einziger Bewerber habe die Erfüllung der Mindestvoraussetzungen in prüffähiger Form nachgewiesen,
d) der aus einem Zusammenschluss der staatlichen Lotteriegesellschaften bestehende staatlich beherrschte Konzessionsbewerber (Ods; Ods Deutschland Sportwetten GmbH) zu den 14 Bewerbern gehört, die zur Präsentation ihrer Konzepte bei der Konzessionsstelle eingeladen wurden, wegen ihrer organisatorischen Verflechtung mit Veranstaltern von Sportereignissen aber wohl nicht konzessionsfähig ist, weil die Gesetzeslage (§ 21 Abs. 3 GlüÄndStV) eine strikte Trennung des aktiven Sports und der ihn organisierenden Vereinigungen von der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten verlangt,
e) für die Erteilung einer Konzession unter anderem die Darlegung „der rechtmäßigen Herkunft der für die Veranstaltung des beabsichtigten Sportwettenangebotes erforderlichen Mittel“ verlangt wird,
f) die Konzessionsstelle und das über die Vergabe von Konzessionen entscheidende Glücksspielkollegium, das aus Vertretern der Bundesländer besteht, von der Möglichkeit der Konzessionsvergabe an private Wettveranstalter keinen Gebrauch machen, während staatliche Lotterieunternehmen bis ein Jahr nach der eventuellen Konzessionsvergabe Sportwetten, Lotterien und andere Glücksspiele ohne Konzession veranstalten und über ihr flächendeckendes Netz gewerblicher Annahmestellen vertreiben und bewerben dürfen?
Das Amtsgericht Sonthofen hat in zwei verbundenen Strafverfahren dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mehrere Fragen zur Vereinbarkeit der glücksspielrechtlichen Regelungen und der strafrechtlichen Sanktionierung mit Europarecht vorgelegt (Az. 1 Ds 400 Js 17155/11 – Rechtssache Ince). Die Angeklagte hatte im Jahr 2012 Sportwetten an in einem anderen EU-Mitgliedstaat staatlich zugelassenen Buchmacher vermittelt.
In dem von den Rechtsanwälten Martin Arendts, Grünwald (bei München), und Rolf Karpenstein, Hamburg, erwirkten Beschluss bezweifelt das Amtsgericht, dass eine Strafbarkeit der binnengrenzüberschreitenden Vermittlung von Sportwetten mit dem Argument des sog. Erlaubnisvorbehalts begründet werden kann. Hierzu stellt es Fragen zur Dienstleistungsfreiheit (siehe unten unter 1)). Eine Frage (Nr. 2) betrifft die Notifizierungspflicht nach der EG-Richtlinie 98/34/EG. Mehrere Fragen betreffen die zum 1. Juli 2012 in Kraft getretene Neuregelung durch den Glücksspieländerungsstaatsvertrag, der im Rahmen einer sog. Experimentierklausel die Konzessionierung von bis zu 20 Wettanbietern vorsieht (ohne dass bislang eine Konzessionserteilung absehbar ist). Hierzu stellt das Amtsgericht unter Nr. 3 Fragen zur Ausgestaltung eines derartigen Konzessionierungsverfahrens nach Unionsrecht.
Die Vorlagefragen im Einzelnen:
- Zum ersten Tatvorwurf (Januar 2012) und zum zweiten Tatvorwurf bis Ende Juni 2012:
1 a) Ist Artikel 56 AEUV dahin auszulegen, dass den Strafverfolgungsbehörden untersagt ist, die ohne deutsche Erlaubnis erfolgte Vermittlung von Sportwetten an im EU-Ausland lizenzierte Wettveranstalter zu sanktionieren, wenn die Vermittlung auch eine deutsche Erlaubnis des Veranstalters voraussetzt, den nationalen Stellen aber durch eine unionsrechtswidrige Gesetzeslage („Sportwettenmonopol“) verboten ist, nichtstaatlichen Wettveranstaltern eine Erlaubnis zu erteilen?
1 b) Ändert sich die Beantwortung der Frage 1. a), wenn in einem der 15 deutschen Bundesländer, die das staatliche Sportwettenmonopol gemeinsam errichtet haben und gemeinsam vollziehen, staatliche Stellen in Verbots- oder Strafverfahren behaupten, das gesetzliche Verbot, privaten Anbietern eine Erlaubnis zu erteilen, werde bei einem eventuellen Antrag auf eine Veranstalter- oder Vermittlungserlaubnis für dieses Bundesland nicht angewendet?
1 c) Sind die unionsrechtlichen Grundsätze, insbesondere die Dienstleistungsfreiheit sowie das Urteil des Gerichtshofs in der Rs. C-186/11 dahin auszulegen, dass sie einer dauerhaften, als „präventiv“ bezeichneten Untersagung oder Sanktionierung der grenzüberschreitenden Vermittlung von Sportwetten entgegenstehen, wenn dies damit begründet wird, dass für die Untersagungsbehörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht „offensichtlich, d.h. ohne weitere Prüfung erkennbar war“, dass die Vermittlungstätigkeit alle materiellen Erlaubnisvoraussetzungen – abgesehen von dem monopolistischen Staatsvorbehalt – erfüllt?
2. Ist die Richtlinie 98/34/EG dahin auszulegen, dass sie der Untersagung und/oder Sanktionierung der ohne deutsche Erlaubnis erfolgten Vermittlung von Sportwetten über einen Wettautomaten an einen im EU-Ausland lizenzierten Wettveranstalter entgegensteht, wenn die staatlichen Eingriffe auf einem nicht an die EU-Kommission notifizierten Gesetz eines einzelnen Bundeslandes beruhen, das den ausgelaufenen Staatsvertrag zum Glücksspielwesen (GlüStV) zum Inhalt hat?
- Zum zweiten Tatvorwurf für die Zeit ab Juli 2012
3. Sind die Artikel 56 AEUV, das Transparenzgebot, der Gleichheitssatz und das unionsrechtliche Verbot der Günstlingswirtschaft dahin auszulegen, dass sie der Untersagung oder Sanktionierung der Vermittlung von Sportwetten ohne deutsche Erlaubnis an einen im EU-Ausland lizenzierten Wettveranstalter in einem Fall entgegenstehen, der durch ein für neun Jahre angelegtes monopolistisches Sportwettenregime (Glückspieländerungsstaatsvertrag, „GlüÄndStV“) mit einer „Experimentierklausel für Sportwetten“ gekennzeichnet ist, die für sieben Jahre die theoretische Möglichkeit vorsieht, maximal 20 Konzessionen auch an nicht staatliche Wettveranstalter mit Legalisierungswirkung für alle deutschen Bundesländer als notwendige Voraussetzung für eine Vermittlungserlaubnis zu vergeben, wenn
a) das Konzessionsverfahren und in diesem Zusammenhang geführte Rechtsstreitigkeiten von der Konzessionsstelle gemeinsam mit derjenigen Rechtsanwaltskanzlei betrieben werden, die die Mehrzahl der Bundesländer und ihre Lotterieunternehmen im Zusammenhang mit dem unionsrechtswidrigen Sportwettenmonopol regelmäßig beraten und vor nationalen Gerichten gegen private Wettanbieter vertreten hat und mit der Vertretung der staatlichen Stellen in den Vorabentscheidungsverfahren Markus Stoß, Carmen Media und Winner Wetten beauftragt war,
b) aus der am 8. August 2012 im Amtsblatt der EU veröffentlichten Konzessionsausschreibung keine Details zu den Mindestanforderungen an die vorzulegenden Konzepte, zum Inhalt der übrigen verlangten Erklärungen und Nachweise sowie zur Auswahl der maximal 20 Konzessionäre hervorgingen, Details vielmehr erst nach Ablauf der Bewerbungsfrist mit einem so genannten „Informationsmemorandum“ und zahlreichen weiteren Dokumenten nur Bewerbern mitgeteilt wurden, die sich für eine „zweite Stufe“ des Konzessionsverfahrens qualifiziert hatten,
c) die Konzessionsstelle acht Monate nach Beginn des Verfahrens entgegen der Ausschreibung nur 14 Konzessionsbewerber zur persönlichen Präsentation ihrer Sozial- und Sicherheitskonzepte einlädt, weil diese die Mindestvoraussetzungen für eine Konzession zu 100 % erfüllt hätten, 15 Monate nach Beginn des Verfahrens aber mitteilt, kein einziger Bewerber habe die Erfüllung der Mindestvoraussetzungen in prüffähiger Form nachgewiesen,
d) der aus einem Zusammenschluss der staatlichen Lotteriegesellschaften bestehende staatlich beherrschte Konzessionsbewerber (Ods; Ods Deutschland Sportwetten GmbH) zu den 14 Bewerbern gehört, die zur Präsentation ihrer Konzepte bei der Konzessionsstelle eingeladen wurden, wegen ihrer organisatorischen Verflechtung mit Veranstaltern von Sportereignissen aber wohl nicht konzessionsfähig ist, weil die Gesetzeslage (§ 21 Abs. 3 GlüÄndStV) eine strikte Trennung des aktiven Sports und der ihn organisierenden Vereinigungen von der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten verlangt,
e) für die Erteilung einer Konzession unter anderem die Darlegung „der rechtmäßigen Herkunft der für die Veranstaltung des beabsichtigten Sportwettenangebotes erforderlichen Mittel“ verlangt wird,
f) die Konzessionsstelle und das über die Vergabe von Konzessionen entscheidende Glücksspielkollegium, das aus Vertretern der Bundesländer besteht, von der Möglichkeit der Konzessionsvergabe an private Wettveranstalter keinen Gebrauch machen, während staatliche Lotterieunternehmen bis ein Jahr nach der eventuellen Konzessionsvergabe Sportwetten, Lotterien und andere Glücksspiele ohne Konzession veranstalten und über ihr flächendeckendes Netz gewerblicher Annahmestellen vertreiben und bewerben dürfen?