Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig-Holstein hat mit Beschluss vom 2. Januar 2007(Az. 3 MB 38/06) die Beschwerde der Hansestadt Lübeck gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Schleswig-Holstein zurückgewiesen und damit dem betroffenen Sportwettenvermittler weiterhin Schutz gewährt. Das VG war mit Beschluss vom 23. August 2006 dem Antrag des Vermittlers gefolgt und hatte die aufschiebende Wirkung seines Widerspruches gegen die Untersagungverfügung der Stadt wiederhergestellt. Der Vermittler könne sich auf verfassungs- und europarechtlich geschützte Rechtsgüter berufen.
Auch für das OVG ist die europarechtliche Rechtslage maßgeblich. Insbesondere weist das Gericht darauf hin, dass die Strafbarkeit der Vermittlung von Sportwetten an einen privaten Sportwettenanbieter nach § 284 StGB auf der Grundlage der Ausführungen des EuGH in der Entscheidung vom 6. November 2003 (Gambelli-Urteil) rechtlich als zweifelhaft anzusehen sei. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens sei daher zutreffend vom VG als offen beurteilt worden.
Die danach erforderliche Interessenabwägung falle zu Gunsten des Vermittlers aus. Insbesondere ist für das OVG nicht nachzuvollziehen, weshalb es zu einer Gefährdung von Allgemeinwohlbelangen kommen sollte, wenn private Wettanbieter noch bis zum Jahresende (Ende der vom Bundesverfassungsgericht festgesetzten Übergangszeit) tätig sein können. Die von der Stadt geltend gemachten „zusätzlichen schädlichen Auswirkungen“ sind für das OVG nicht erkennbar. Bereits das VG hatte „angesichts der jahrelang geübten Praxis staatlicher Lotterieunternehmen und der Betätigung privater Wettanbieter auf dem Markt“ derartige Gefahren nicht erkennen können.
Kommentar: Es ist erfreulich, dass sich nach dem OVG Saarland (Beschluss vom 6. Dezember 2006) ein weiteres Oberverwaltungsgericht auf die Seite des Europarechts stellt und damit der offenen Suspendierung des Europarechts durch das OVG Nordrhein-Westfalen entgegen tritt. Das OVG Schleswig-Holstein verweist zutreffend darauf, dass das Bundesverfassungsgericht einem möglichen Verstoß des staatlichen Monopols für Sportwetten gegen europäisches Gemeinschaftsrecht gerade nicht nachgegangen ist. Der angeblichen Strafbarkeit der Vermittlung von Sportwetten begegnet erheblichen Bedenken (so auch nunmehr höchstrichterlich der BGH). Der dann alleine noch übrig bleibenden Begründung für ein Verbot, nämlich die angeblichen „schädlichen Auswirkungen“ privater Vermittler hält das OVG für offenkundig nicht tragfähig. In der Tat haben sich die staatlichen Anbieter bislang nicht um Spielsucht und Minderjährigenschutz gekümmert, die nunmehr vielfach zur Begründung des Monopols vorgeschoben werden. Europarechtlich wäre der Staat nach dem Lindman-Urteil des Europäischen Gerichtshofs auch voll dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass schädlichen Auswirkungen alleine durch ein Monopol begegnet werden kann (ohne dass mildere Mittel, wie etwa Auflagen oder aufsichtsrechtliche Maßnahmen, in Betracht kommen).
aus: Sportwettenrecht aktuell Nr. 60
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