Landeslotteriegesellschaften dürfen terrestrischen Vertrieb nicht unterbinden
von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
Der Kartellsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf hat nunmehr auch in der Hauptsache das Verhalten des Deutschen Lotto- und Totoblocks für kartellrechtswidrig erklärt und eine Untersagungsverfügung des Bundeskartellamtes bestätigt. Das im Blockvertrag verankerte Regionalitätsprinzip stelle eine unzulässige Gebietsabsprache dar. Die Aufforderung, terrestrische Spielumsätze gewerblicher Spielvermittler zurückzuweisen, stelle eine nach europäischem und deutschem Kartellrecht verbotene wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung dar.
1. Hintergrund
In Deutschland ist die Veranstaltung und Durchführung von Sportwetten und größeren Lotterien nach dem derzeitigen Lotteriestaatsvertrag den von den Bundesländern kontrollierten Lottogesellschaften vorbehalten. Zur Gewinnpoolung und zur Vereinheitlichung des Spielangebots haben sich die 16 Lottogesellschaften in einem Kartell, den sog. Deutschen Lotto- und Totoblock (DLTB), zusammengeschlossen. Dabei wird die Zusammenarbeit der Lottogesellschaften in einem Blockvertrag geregelt, der unter § 2 bestimmt, dass die Lottogesellschaften die von ihnen angebotenen Glücksspiele nur innerhalb ihres jeweiligen Landesgebiets veranstalten dürfen (Regionalitätsprinzip). Eine ähnliche Aussage enthält § 5 Abs. 3 des Lotteriestaatsvertrages. Danach ist den Lottogesellschaften die Veranstaltung und Durchführung von öffentlichen Glücksspielen in einem anderen Bundesland nur mit dessen Zustimmung gestattet.
Angesichts des Vorhabens einiger gewerblicher Spielvermittler, künftig Spieleinsätze auch über Annahmestellen in Filialen großer Handelsunternehmen und Tankstellen entgegen zu nehmen (sog. terrestrischer Vertrieb), hat der Rechtsausschuss des DLTB die Mitglieder aufgefordert, Umsätze, welche die – bundesweit tätigen - gewerblichen Spielvermittler durch einen terrestrischen Vertrieb erzielen, nicht anzunehmen.
2. Untersagungsbeschluss des Bundeskartellamtes
Dieses Verhalten hielt das Bundeskartellamt für rechtswidrig. Es verstoße gegen die deutschen und europäischen Wettbewerbsregeln. Gegen den Deutschen Lotto- und Totoblock, dessen 16 Gesellschafter sowie die Freie und Hansestadt Hamburg erging daher am 23. August 2006 ein umfangreich begründeter, 200 Seiten umfassender Beschluss des Bundeskartellamtes (Az. B 10-92713-Kc-148/05).
Das Bundeskartellamt untersagte darin, der Aufforderung des Rechtsausschusses Folge zu leisten, da es sich um einen rechtswidrigen Boykottaufruf handele. Des Weiteren hat es den Lottogesellschaften verboten, ihr Sportwetten- und Lotterieangebot auf das eigene Landesgebiet zu beschränken, weil das unter § 2 des Blockvertrages vorgesehene Regionalitätsprinzip eine kartellrechtswidrige Gebietsabsprache darstelle. Im Hinblick darauf, dass die von den gewerblichen Spielvermittlern vermittelten Lotterieeinnahmen nach dem sog. Regionalisierungsstaatsvertrag in demjenigen Verhältnis zwischen den Bundesländern aufzuteilen sind, wie dies der Einnahmeverteilung der Lottogesellschaften im übrigen entspricht, hat das Bundeskartellamt den Lottogesellschaften weiterhin untersagt, den im Regionalisierungsstaatsvertrag vorgesehenen Informationsaustausch über die eigenen Sportwetten- und Lotterieumsätze vorzunehmen.
3. Entscheidung des Kartellsenats des OLG Düsseldorf
Gegen den Beschluss des Bundeskartellamtes legten die betroffenen Lottogesellschaften Beschwerde ein und gingen zunächst im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor, um eine aufschiebende Wirkung zu erreichen (und so nicht die Verbotsanordnungen des Bundeskartellamtes umsetzen zu müssen). Der Kartellsenat des OLG Düsseldorf bestätigte jedoch im Eilverfahren mit Beschluss vom 23. Oktober 2006 (Az. VI – Kart 15/06) den Untersagungsbeschluss des Bundeskartellamtes in den wesentlichen Punkten.
Diese Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz hat das OLG Düsseldorf nunmehr auch in der Hauptsache bestätigt (1. Kartellsenat, Beschluss vom 8. Juni 2007 – VI - Kart 15/06 (V)). Nach Ansicht des Gerichts dient die Aufforderung des Rechtsausschusses des DLTB an die Lottogesellschaften, die bundesweit terrestrisch erzielten Spielumsätze der gewerblichen Spielvermittler zurückzuweisen, alleine dem Ziel, die von den Lottogesellschaften bislang praktizierte Begrenzung des Spielbetriebs auf das eigene Bundesland aufrechtzuerhalten und den nahezu wettbewerbslosen Zustand zwischen den Lottogesellschaften abzusichern. Sie stelle daher eine sowohl nach europäischem als auch nach deutschem Kartellrecht verbotene wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung dar. Ähnlich verhalte es sich mit § 2 des Blockvertrages, der eine unzulässige - auch nicht durch § 5 Abs. 3 des Lotteriestaatsvertrages gedeckte – Gebietsabsprache enthalte.
Soweit der Lotteriestaatsvertrag die Möglichkeit eröffne, die Betätigung fremder Lottogesellschaften aus jedweden Gründen - und damit auch aus wettbewerbswidrigen Motiven - zu verhindern, müsse er europarechtskonform dahin ausgelegt werden, dass die Bundesländer ihre Zustimmung zur Betätigung einer „fremden“ Lottogesellschaft nur insoweit verweigern dürfen, wie dies aus ordnungsrechtlichen Gründen - d. h. insbesondere zur Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht und mit dem Glücksspiel einhergehenden Kriminalität - gerechtfertigt sei. Die im Regionalisierungsstaatsvertrag geregelte Verteilung der gewerblich vermittelten Spieleinnahmen schließlich widerspreche den Zielen des europäischen Kartellrechts, da die Umverteilung der gewerblich vermittelten Spielumsätze darauf abziele, einen Wettbewerb der Lottogesellschaften um die von gewerblichen Spielvermittlern erzielten Spielumsätze zu verhindern.
Das OLG Düsseldorf hat angesichts der Bedeutung die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Dr. Friedhelm Repnik, der Geschäftsführer der im DLTB derzeit federführenden Staatlichen Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg, kündigte bereits die Einlegung dieses Rechtsmittels an (Pressemitteilung vom 8. Juni 2007).
4. Kommentar
Nach der erneuten Bestätigung der Untersagungsverfügung des Bundeskartellamtes wird es für den Deutschen Lotto- und Totoblock, der erneut als rechtwidriges Kartell bestätigt wurde, eng. Auch die die Landespolitiker, die den Status quo auf jeden Fall aufrecht erhalten wollen (und bei denen es häufig Verflechtungen mit den Landeslottogesellschaften gibt), sollten sich nunmehr eine rechtlich haltbare neue Regelung überlegen, bevor ihnen das gesamte System um die Ohren fliegt.
Das OLG Düsseldorf hatte bereits in der Eilentscheidung vom 23. Oktober 2006 klar gemacht, dass Europarecht dem Landesrecht, hier dem Lotteriestaatsvertrag, vorgeht. Die unzulässige Gebietsaufteilung könne nicht durch landesrechtliche Bestimmungen ausgehebelt werden: „Zum anderen – und das ist entscheidend – kann Landesrecht nicht das europäische Kartellrecht teilweise außer Kraft setzen. (…) Soweit der Lotteriestaatsvertrag darüber hinausgehend bezweckt, Unternehmenswettbewerb in einem Bereich zu verhindern, der über die ordnungsrechtlichen Aufgabe, im eigenen Land ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen, hinausgeht, liegt ein Verstoß gegen EU-Recht vor, der gemäß Art. 10 EG dazu zwingt, das Landesrecht insoweit nicht anzuwenden.“
Die nach der nunmehrigen Bestätigung durch das OLG durch den DLTB geäußerte Rechtsauffassung, dass es den Lottogesellschaften der Länder nach geltendem Landesrecht weiterhin erlaubt sei, Glücksspiele allein auf dem Gebiet ihres Bundeslandes anzubieten, dürfte daher nicht ernsthaft zu halten sein. Auch die Rechtsansicht, dass jeglicher Wettbewerb unterblieben müsse, deutet auf das fehlende Verständnis der maßgeblichen Wettbewerbsregeln.
aus: Sportwettenrecht aktuell Nr. 82
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