Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. August 2007
Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart hat in einem Verfahren bezüglich der Untersagung der Vermittlung von Sportwetten mit Beschluss vom 24.07.2007 (Az.: 4 K 4435/06) den Rechtsstreit zur Klärung europarechtlicher Rechtfragen dem Europäischen Gerichtshof - EuGH - vorgelegt.
Die Klägerin ist Mieterin eines Geschäftslokals für Sportwetten in Stuttgart, das sie an eine GmbH untervermietet hat. Die GmbH ihrerseits leitet die Wettaufträge der Kunden online an eine Firma in Gibraltar weiter, die Inhaberin einer Lizenz der Regierung von Gibraltar ist, mit der ihr unter anderem die Veranstaltung von Sportwetten erlaubt wird. Das Regierungspräsidium Karlsruhe untersagte der Klägerin im November 2006, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen. Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht.
Nach der Vorlagebegründung geht die 4. Kammer unter Vorsitz von Michael Funke-Kaiser davon aus, dass die durch den EG-Vertrag garantierten Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheiten (Art. 43 und 49 EG-Vertrag) einem staatlichen Monopol auf bestimmte Glücksspiele wie Sportwetten und Lotterien, wie es derzeit in Deutschland existiert, entgegenstehen. Die Kammer hat grundlegende Zweifel daran, dass die hier anzuwendenden Vorschriften des Lotteriestaatsvertrages mit europäischem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Es spreche alles dafür, dass diese Vorschriften sich als unzulässige Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des Dienstleistungsverkehrs darstellten. Derzeit werde in Deutschland den europarechtlichen Vorgaben nicht ausreichend Rechnung getragen. Insbesondere könne eine noch zulässige Begrenzung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit nur dann bejaht werden, wenn die Glückspiel- und Wetttätigkeit kohärent und systematisch begrenzt werde. Die könne nur dann der Fall sein, wenn der Gesetzgeber nicht nur die Sportwetten, sondern auch alle sonstigen vielfältigen Formen des Glückspiels bewertend in den Blick nehme und sodann nach Maßgabe des jeweils ermittelten Gefährdungs- bzw. Suchtpotentials auch einschreite. Dies sei in Deutschland bei Geldspielautomaten und beim Casinobetrieb jedoch nicht der Fall. So seien etwa 80 von Hundert der pathologisch Spielsüchtigen an gewerblichen Geldspielgeräten in Spielhallen und Gaststätten aktiv. Dennoch habe der Gesetzgeber seit Anfang 2006 die Spieleverordnung in einer Weise geändert, dass verschiedene suchtrelevante Begrenzungen beim Geldspielautomatenbetrieb sogar gelockert worden seien. An einer systematischen und kohärenten Begrenzungspolitik fehle es auch deshalb, weil das staatliche Monopol in der Bundesrepublik bis heute in erheblichem Umfang werbend auftrete, was insbesondere die Ausspielungen mit dem sog. „Jackpot“ zeigten.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Ulrike Zeitler, Richterin am Verwaltungsgericht
Pressesprecherin
Hinweis:
Die 4. und 3./18. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart beabsichtigen, die anhängigen ca. 170 Verfahren in Sachen Sportwetten auszusetzen, bis der EuGH über das obige Vorabentscheidungsersuchen entschieden hat.
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