Donnerstag, 24. Januar 2013

EuGH: Das Unionsrecht setzt dem ausschließlichen Recht der OPAP-AG, in Griechenland Glücksspiele zu veranstalten und zu betreiben, Grenzen

Pressemitteilung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 24. Januar 2013 zu dem Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-186/11 und C-209/11

Hält der Staat jedoch eine Liberalisierung dieses Marktes mit dem von ihm angestrebten Niveau des Schutzes der Verbraucher und der Sozialordnung nicht für vereinbar, kann er sich darauf beschränken, das Monopol zu reformieren, indem er es insbesondere einer wirksamen und strengen Kontrolle unterwirft

In Griechenland wurde der an der Börse von Athen notierten OPAP-AG (Organismos prognostikon agonon podosfairou – Organisation für Fußballtoto) für einen Zeitraum von 20 Jahren, d. h. bis 2020, das ausschließliche Recht zur Veranstaltung und zum Betrieb von Glücksspielen und Wetten eingeräumt. Der griechische Staat genehmigt die Verordnungen über die Tätigkeiten der OPAP und überwacht das Verfahren zur Durchführung der Spiele. Er hält an dem Unternehmen derzeit eine Aktienminderheit (34 %). Die OPAP setzt den Höchstbetrag der Einsätze und der Gewinne je Teilnahmeschein (und nicht je Spieler) fest und ist berechtigt, bis zu 10 % der Werbeflächen in staatlichen und kommunalen Stadien und Sportanlagen unentgeltlich zu nutzen. Sie hat ihre Geschäftstätigkeit auch auf das Ausland, insbesondere auf Zypern, ausgeweitet.

Stanleybet, William Hill und Sportingbet sind Gesellschaften mit Sitz im Vereinigten Königreich, wo ihnen gemäß dem englischen Recht Genehmigungen zur Veranstaltung von Glücksspielen erteilt worden sind.

Sie haben vor dem Symvoulio tis Epikrateias (griechischer Staatsrat) die stillschweigende Zurückweisung ihrer Anträge auf Erteilung einer Genehmigung zur Veranstaltung von Sportwetten in Griechenland durch die griechischen Behörden angefochten.

Das griechische Gericht hat daraufhin den Gerichtshof gefragt, ob das Unionsrecht und insbesondere die Grundfreiheiten (Niederlassungsfreiheit und freier Dienstleistungsverkehr) einer nationalen Regelung entgegenstehen, die das ausschließliche Recht zum Betrieb von Glücksspielen einem einzigen Unternehmen überträgt. Es weist darauf hin, dass die OPAP eine expansive Geschäftspolitik verfolge, obwohl der Zweck der nationalen Regelung darin bestehe, das Angebot von Glücksspielen zu begrenzen und die Bekämpfung von Straftaten im Zusammenhang mit Glücksspielen zu fördern.

Der Gerichtshof stellt in seinem Urteil vom heutigen Tag zunächst fest, dass die nationale Regelung, die der OPAP ein Monopol einräumt und es in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Wettbewerbern untersagt, die gleichen Glücksspiele in Griechenland anzubieten, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs oder der Niederlassungsfreiheit darstellt. Er prüft daher, ob eine solche Beschränkung ausnahmsweise aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zulässig oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

Der Gerichtshof weist sodann darauf hin, dass die Regelung der Glücksspiele zu den Bereichen gehört, in denen beträchtliche sittliche, religiöse und kulturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen, und dass in Ermangelung einer gemeinschaftlichen Harmonisierung die einzelnen Mitgliedstaaten im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung beurteilen müssen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben. So können, wie er bereits in seiner Rechtsprechung anerkannt hat, die Begrenzung des Angebots von Glücksspielen und die Bekämpfung von Straftaten im Zusammenhang mit Glücksspielen eine Beschränkung der Grundfreiheiten rechtfertigen.

Der Gerichtshof betont jedoch, dass die von den Mitgliedstaaten auferlegten Beschränkungen die Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung erfüllen und zugleich tatsächlich gewährleisten müssen, dass die geltend gemachten Ziele in kohärenter und systematischer Weise erreicht werden.

Es ist daher Sache des nationalen Gerichts, sich zu vergewissern, dass die nationale Regelung tatsächlich das Ziel verfolgt, die Gelegenheiten zum Glücksspiel zu verringern und damit zusammenhängende Straftaten zu bekämpfen.

Der Gerichtshof empfiehlt dem nationalen Gericht allerdings, hinsichtlich des ersten Ziels die verschiedenen Merkmale des Regelungsrahmens und der Funktionsweise der OPAP in der Praxis wie z. B. die Rechte und Privilegien der OPAP bezüglich der Werbung für Glücksspiele und die Festlegung des maximalen Einsatzes je Teilnahmeschein (und nicht je Spieler) zu berücksichtigen. Was das zweite Ziel angeht, hat das nationale Gericht zu prüfen, ob tatsächlich eine staatliche Überwachung erfolgt, und dabei zu berücksichtigen, dass eine so restriktive Maßnahme wie ein Monopol einer strengen Kontrolle unterliegen muss, während die Überwachung der OPAP, einer an der Börse notierten Aktiengesellschaft, durch den griechischen Staat nur oberflächlich sein soll.

Somit antwortet der Gerichtshof, dass das Unionsrecht einer nationalen Regelung, die einem einzigen Unternehmen das Monopol für Glücksspiele überträgt, ohne die Gelegenheiten zum Spiel tatsächlich zu verringern, entgegensteht, wenn diese Regelung die Tätigkeiten in diesem Bereich nicht in kohärenter und wirksamer Weise beschränkt und eine strenge Kontrolle der Expansion von Glücksspielen – nur soweit dies für die Bekämpfung von Straftaten im Zusammenhang mit Glücksspielen erforderlich ist – nicht gewährleistet ist.

Außerdem weist der Gerichtshof darauf hin, dass aufgrund des Vorrangs des unmittelbar geltenden Unionsrechts eine nationale Regelung, die Beschränkungen mit sich bringt, die mit der Niederlassungsfreiheit und dem freien Dienstleistungsverkehr unvereinbar sind, nicht für eine Übergangszeit weiter angewandt werden darf. Die nationalen Behörden können also nicht während einer solchen Übergangszeit davon absehen, Anträge auf Erteilung von Genehmigungen zu prüfen.

Bei einer solchen Unvereinbarkeit hat der griechische Staat zwei Möglichkeiten.

Hält er die Liberalisierung des Glücksspielmarkts mit dem von ihm angestrebten Niveau des Schutzes der Verbraucher und der Sozialordnung nicht für vereinbar, kann er sich darauf beschränken, das Monopol zu reformieren und es einer wirksamen und strengen behördlichen Kontrolle zu unterwerfen.

Entscheidet sich der Staat dagegen für eine Liberalisierung des Marktes, wozu er nach dem Unionsrecht nicht unbedingt verpflichtet ist, muss er den Gleichbehandlungsgrundsatz, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und das Transparenzgebot beachten. Die Einführung eines Systems der vorherigen behördlichen Genehmigung muss dann auf objektiven und nichtdiskriminierenden Kriterien beruhen, damit eine missbräuchliche Ausübung des Ermessens der nationalen Behörden verhindert wird.

HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.

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