Dienstag, 2. Juli 2013

Forschungsinstitut Glücksspiel und Wetten: Neue Gesetze treiben über eine Million Freizeitspieler in die Illegalität

Studie: Massive Abwanderung von Automatenspielern in den unkontrollierten Markt erwartet

Bonn/Berlin. „Wenn das restriktive Glücksspielrecht in Deutschland nicht bald grundlegend und nachhaltig korrigiert wird, werden innerhalb der nächsten fünf Jahre mindestens 750.000 Freizeitspieler allein aus dem Bereich des gewerblichen Automatenspiels zu illegalen und staatlich nicht mehr kontrollierbaren Spielangeboten abwandern. Berücksichtigt man auch die Spieler, die nur gelegentlich an Automaten spielen, so dürften wahrscheinlich sogar mehr als eine Million Bundesbürger durch deutsche Gesetze in die Illegalität getrieben werden.“, so Professor Dr. Dr. Peren, der zusammen mit Professor Dr. Clement am Forschungsinstitut für Glücksspiel und Wetten, Bonn, die erste groß angelegte Prognosestudie zu den realwirtschaftlichen Auswirkungen der Neuregelung des Glücksspielwesens in Deutschland vorgelegt hat.
 
Spielen in Deutschland: hier Liberalisierung – dort Prohibition
 
Auf der einen Seite werde es, so begrüßen die Wissenschaftler, durch die Liberalisierung des Sportwettenmarktes dazu kommen, dass Bundesbürger, die derzeit in erster Linie über das Internet bei den nach deutschem Recht noch illegalen Sportwettenanbietern ihre Wetten platzieren, dies in Zukunft endlich auf dem legalen deutschen Markt tun können. Dies setze allerdings voraus, dass die Erteilung der Online-Lizenzen für Sportwetten, Poker und Casino-Spiele in Deutschland nicht noch weiter verzögert werde.
 
Genau die gegenläufige Tendenz sei nach den Ergebnissen der Studie allerdings im Bereich des gewerblichen Automatenspiels zu erwarten. Der im letzten Jahr in Kraft getretene Glücksspieländerungsstaatsvertrag und die entsprechenden Landesregelungen für Spielhallen zielten auf eine grundlegende Veränderung der Spielhallenstruktur in Deutschland ab. Spätestens mit Ablauf von fünf Jahren werde, so weist die Studie nach, die Anzahl der öffentlich nutzbaren Automatenspielgeräte in Spielhallen und Gaststätten um mindestens 55% Prozent aufgrund der gesetzlichen Vorgaben geschrumpft sein. Der Gesetzgeber zielt mit der Verknappung von Spielangeboten auf eine Reduzierung des Geldgewinnspielkonsums.
 
Der globale Spielemarkt macht nicht an deutschen Grenzen halt
 
Mit realistischen Marktsimulationen bei sehr konservativ und vorsichtig gesetzten Annahmen ging das Bonner Forscherteam in dieser von der Deutschen Automatenwirtschaft in Auftrag gegebenen Studie der Frage nach, ob und wie realistisch es ist, dass die mit den gesetzlichen Beschränkungen angestrebte Reduzierung des Geldgewinnspielkonsums faktisch erreicht wird. „Ein solch komplexer Simulationsprozess mit Hilfe von Monte-Carlo-Simulationen ist notwendig“, so Prof. Peren, „weil das Spiel mit und um Geld, nicht nur an den in Spielhallen und Gaststätten aufgestellten Geräten, sondern mit exakt denselben Spielinhalten, hier jedoch meist ohne die gesetzlichen Beschränkungen von Einsatz und Gewinn, in illegalen Spielclubs und besonders einfach erreichbar in einer fast unüberschaubaren Angebotsfülle über das globale Internet möglich sind.“
 
Spielprohibition fördert Illegalität
 
In der Studie wird der Frage nachgegangen, wie sich das Spielverhalten verändert, wenn die gesetzlich beabsichtigte Angebotsverknappung von gewerblich angebotenen Automatenspielen wirksam würde. Das Ergebnis ist eindeutig: Neben den Spielern, die das Automatenspiel mangels angemessener Angebote aufgeben müssten, würden etwa eine Million Freizeitspieler an Automaten auf andere Spielangebote ausweichen. Mindestens 750.000 davon dürften ihrem Spielvergnügen dann mangels legaler Angebote in Deutschland am nicht-regulierten Markt nachgehen – und dies regelmäßig. Wenn man zudem die Spieler berücksichtigt, die nur gelegentlich an Automaten spielen möchten, so dürften in Summe wahrscheinlich mehr als eine Million Freizeitspieler durch deutsche Gesetze in die Illegalität getrieben werden. Für Deutschland würde das bedeuten, dass der Staat nicht nur jährlich auf etwa 1,7 Mrd. Euro an Steuern und Sozialabgaben verzichten würde, sondern dass er bewusst insbesondere gefährdete und pathologische Spieler in den illegalen und staatlich nicht mehr kontrollierbaren Markt drängen würde. Ordnungs- und sozialpolitisch ein zudem wahrscheinlich irreversibler Fauxpas. Denn einmal in einen illegalen Markt migrierte Spieler mit deutlich höher spielbaren Einsatzhöhen und Gewinnchancen wieder zurückzuholen in ein legales, hier gar terrestrisches Angebot, das sich staatlich überaus gut beobachten und kontrollieren lässt und über geschultes Personal verfügt, dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit weitgehend unmöglich sein.
 
Spieler sind souveräne Konsumenten, die sich nicht gängeln lassen
 
„Wenn die für das Glücksspielwesen verantwortlichen Politiker glauben“, so kommentiert Prof. Peren dieses Ergebnis, „dass sich durch eine Verminderung des Angebots an Automatenspielen auch die Anzahl derjenigen sinken werde, die gerne und möglicherweise aus-schließlich oder gar pathologisch an diesen Geräten spielen, dann scheint für sie das Internet tatsächlich noch unbekanntes Neuland zu sein“. Auch im Glücksspielwesen dürfe die Politik die Rechnung nicht ohne die souveräne Konsumentenautonomie der Spieler machen. Spielinteressierte lassen sich, so die Studie, durch eine Verknappung des Spielangebots, die prohibitive Züge trägt, nicht davon abhalten, nach alternativen Möglichkeiten zu suchen, um ihre Spielbedürfnisse zu befriedigen. Diese Möglichkeiten bieten sich tausendfach und vor allem jederzeit und rund um die Uhr verfügbar über das Internet, wo es bisher nicht einmal ansatzweise Reglementierungen beziehungsweise wirksame Kontrollmöglichkeiten gibt.
 
Spielerschutz: Legale Spiele müssen gegenüber den illegalen wettbewerbsfähig sein.
 
Der Bundesgesetzgeber sei gerade damit befasst, mit der neuen Spielverordnung, in der die Eckwerte für das Automatenspiel in Deutschland festgelegt werden sollen, die Attraktivität der Automatenspiele zu verringern und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der in Deutschland terrestrisch angebotenen Geldgewinnspiele signifikant zu vermindern. „Erstmalig in ihrer Geschichte“, erläutert der Bonner Wirtschaftswissenschaftler, „würde die Spielverordnung in den Wettbewerb auf dem globalen Glücksspielmarkt eingreifen.“ Das sollte der Gesetzgeber dringlich vermeiden, denn wenn er das Automatenspiel in seinen terrestrischen Spielmöglichkeiten innerhalb des Bundesgebietes stark einenge, begünstige er die Wettbewerber aus dem illegalen Bereich, dem Internet oder aus dem Ausland und treibe die deutschen Konsumenten dorthin. Die Anzahl der in den illegalen Markt abwandernden Spieler könne sich relativ zeitnah unschwer mehr als verdoppeln, wenn der Gesetzgeber das in deutschen Spielhallen und Gaststätten angebotene Automatenspiel so eng reglementiere, dass dieses nicht mehr wettbewerbsfähig sein könne. „Exakt Umgekehrtes müsse der Gesetzgeber fördern“, so Peren, “das legale Spiel müsse so attraktiv gestaltet und gesetzlich reguliert werden, dass es im realen Wettbewerb den illegalen Markt austrockne.“ Gleiches gilt auch für die Sportwetten.

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