Donnerstag, 11. Juni 2015

Das Fiasko beim Sportwetten-Konzessionsverfahren: Klärung durch den EuGH?

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat am 10. Juni 2015 die Rechtssache Ince (Rs. C-336/14) im großen Sitzungssaal verhandelt. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Ersten Kammer des EuGH hat der zuständige Generalanwalt Szpunar angekündigt, seine Schlussanträge bereits am 17. September 2015 vorzulegen. Eine Entscheidung des EuGH ist daher noch im laufenden Jahr zu erwarten.

Die Vorlagefragen des Amtsgerichts Sonthofen an den EuGH (siehe hierzu http://wettrecht.blogspot.de/2014/03/neue-vorlage-den-eugh-zum-deutschen.html) betreffen u.a. das Sportwetten-Konzessionsverfahren in Deutschland. Eine Entscheidung des EuGH hat allerdings nicht nur für dieses bereits seit drei Jahren ohne Konzessionserteilung andauernde, rechtlich höchst problematische Verfahren, sondern auch für Glücksspiel-Genehmigungsverfahren in anderen EU-Mitgliedstaaten erhebliche Bedeutung (wie etwa die Casinolizenzvergabe in Österreich, über die das österreichische Bundesverwaltungsgericht am Tag zuvor verhandelt hatte).

Die Frau Ince vertretenden Rechtsanwälte Rolf Karpenstein und Martin Arendts verwiesen in ihrem Plädoyer auf die zahlreichen Verstöße gegen das sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergebende Transparenzgebot bei der Vergabe von Konzessionen. Die nicht klar ausformulierten und zum Teil im Laufe des Verfahrens geänderten Konzessionsvoraussetzungen wurden erst dann in der zweiten Stufe des Verfahrens festgelegt, als der Kreis der Bewerber bereits feststand (und somit die Gefahr bestand, dass die Anforderungen entsprechend zurecht „geschneidert“ werden). Dabei ist die Einbindung der Kanzlei CBH wegen des bestehenden Interessenkonflikts problematisch, da diese die Landeslotteriegesellschaften (u.a. WestLotto in dem im letzten Jahr vor dem EuGH verhandelten Digibet-Verfahren) vertritt (von denen mehrere an dem Bewerber ODS Oddset Deutschland Sportwetten GmbH beteiligt sind).

Die Gefahr der Günstlingswirtschaft habe sich auch bei der ODS verwirklicht. Aus dem Protokoll des Glücksspielkollegiums im August 2014 ergebe sich, dass sich fünf Vertreter der Bundesländer für einen Ausschluss der ODS ausgesprochen hätten (bei sieben Enthaltungen und lediglich vier Nein-Stimmen). Ein Ausschluss der ODS wegen des Verstoßes gegen das Trennungsgebot hätte die Liste der 20 Erstplatzierten verändert.

Rechtsanwalt Arendts bat den EuGH um Klärung, wie ein Übergang von einem rechtlich nicht haltbaren Monopol zu einem (irgendwann einmal) unionsrechtskonformen Konzessionssystem unionrechtlich auszugestalten sei. Durch die Übergangsregelung im Glücksspielstaatsvertrag, nach dem die bisherigen Monopolanbieter und deren Vertriebsnetz ein Jahr nach Erteilung der Konzessionen ohne Genehmigung weiter Sportwetten anbieten und vermitteln dürfen, werde nicht das erforderliche „level-playing field“ geschaffen. Insoweit könnten sich die Landeslotteriegesellschaften auch nicht auf Vertrauensschutz aus einem unionsrechtswidrig praktizierten Monopol berufen und als staatliche Anbieter erst recht nicht auf die Berufsfreiheit.

Der Vertreter der Bundesregierung Müller verwies auf die sog. „Bayerische Öffnung“, nach der es bereits vor Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatvertrags für Sportwetten-Vermittler grundsätzlich die Möglichkeit gegeben habe, eine Erlaubnis zu erhalten. Die Bekanntmachung des Sportwetten-Konzessionsverfahrens vom 8. August 2012 habe alle zwingenden Angaben erhalten, so dass das Verfahren transparent sei.  

Herr Braun, der Vertreter der Europäischen Kommission, widersprach der Bundesregierung. Die Kommission teile die Bedenken des Vorlagegerichts. Bis jetzt habe Deutschland keinen Nachweis für die Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der deutschen Glücksspielregelungen geliefert. Es bestehe weiterhin ein faktisches Monopol. Das neu eingeführte Konzessionssystem habe daran bisher nichts geändert. Auch sei die Übergangsregelung unzulässig.

Auf Nachfrage des Generalanwalts zu einem Bericht in der FAZ vom Vortag zu der aktuellen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main erklärte der Vertreter der Bundesregierung, dass ja nur die Verwaltungsgerichte Wiesbaden und Frankfurt am Main eine Intransparenz des Verfahrens festgestellt hätten (ohne auf eine ähnliche Entscheidung des OVG Hamburg aus dem letzten Jahr einzugehen). Die Mehrheit der deutschen Verwaltungsgerichte sehe dies anders. 

Auf eine Nachfrage des Gerichtshofs nach Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland verwies der Vertreter der Kommission auf laufende Ermittlungen und ein eingeleitetes Pilotverfahren.

 

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