Montag, 17. August 2015

Verhandlungstermin am 12. November 2015 in Sachen I ZR 203/12 und I ZR 241/12 (Angebot von Glücksspielen im Internet)

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs
 
In den zur Verhandlung anstehenden Parallelverfahren hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs über die Frage zu entscheiden, ob das Angebot von Glücksspielen und Sportwetten im Internet nach einer Neuregelung des Glückspielrechtes auch mit Blick auf das Unionsrecht als wettbewerbswidrig anzusehen ist. Gegenstand des Verfahrens I ZR 203/12 ist ferner die Frage, ob der in § 4 Abs. 1 des Glücksspielstaatsvertrages 2008 (GlüStV 2008) und in § 4 Abs. 1 des 1. Glücksspieländerungsstaatsvertrages (GlüStV 2012) niedergelegte allgemeine Erlaubnisvorbehalt für das Veranstalten von Glücksspielen sowie die praktische Umsetzung des seit Inkrafttreten des GlüStV 2012 geltenden Konzessionsmodells für Sportwetten mit dem Recht der Europäischen Union in Einklang zu bringen sind.

Die beklagten Gesellschaften bieten im Internet Sportwetten und teils auch Glücksspiele an.
Die Klägerin im Verfahren I ZR 203/12, die mit behördlicher Erlaubnis auf dem Gebiet des Bundeslandes Sachsen-Anhalt Sportwetten veranstaltet, hält dieses Angebot für wettbewerbswidrig. Sie nimmt die beklagten Gesellschaften und ihre Geschäftsführer auf Unterlassung der Veranstaltung von Sportwetten ohne behördliche Erlaubnis sowie auf Schadensersatz und Auskunftserteilung in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage mit den von der Klägerin zuletzt gestellten Anträgen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, dass den Beklagten jedenfalls mit Blick auf eine fehlende behördliche Erlaubnis kein unlauteres Wettbewerbsverhalten entgegengehalten werden könne, weil der in § 4 Abs. 1 GlüStV 2008 niedergelegte allgemeine Erlaubnisvorbehalt für das Veranstalten von Glücksspielen mit dem Unionsrecht nicht zu vereinbaren sei. Auch unter der Geltung des GlüStV 2012 sei das Verhalten der Beklagten nicht wettbewerbswidrig, solange ihnen keine effektive Möglichkeit zur Erlangung einer entsprechenden Erlaubnis zur Verfügung stehe. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Im Verfahren I ZR 241/12 werden die Beklagten von der staatlichen Lottogesellschaft von Nordrhein-Westfalen auf Unterlassung der Veranstaltung und des Bewerbens von Sportwetten und Glücksspielen im Internet in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und einer auf Unterlassung der Bewerbung von Glücksspielen durch die Klägerin gerichteten Hilfswiderklage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelten die beklagten Gesellschaften bis zum 31. Dezember 2011 wettbewerbswidrig, soweit sie gegen die Vertriebs- und Werbeverbote für Glücksspiele im Internet gemäß § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 3 Glücksspielstaatsvertrag 2008 (GlüStV 2008) verstießen (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2011 – I ZR 92/09, GRUR 2012, 193 = WRP 2012, 201 – Sportwetten im Internet II). Nach Rechtsänderungen stellt sich auch insoweit die Frage, ob das deutsche Glücksspielrecht noch mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist.

Der Bundesgerichtshof hat deshalb das Verfahren I ZR 203/12 im Anschluss an das Verfahren I ZR 171/10 ausgesetzt, in dem er dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) vorgelegt hat (vgl. Pressemitteilung Nr. 12/2013).
Der Gerichtshof hat die Vorlagefragen dahin beantwortet, dass Art. Art. 56 AEUV dahin auszulegen sei, dass er einer der Mehrheit der Gliedstaaten eines föderal strukturierten Mitgliedstaats gemeinsamen Regelung, die die Veranstaltung und die Vermittlung von Glücksspielen im Internet grundsätzlich verbietet, während ein einzelner Gliedstaat für einen begrenzten Zeitraum neben den restriktiven Rechtsvorschriften der übrigen Gliedstaaten bestehende weniger strenge Rechtsvorschriften beibehalten hat, dann nicht entgegensteht, wenn diese gemeinsame Regelung den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügt. Ob dies der Fall sei, sei durch das das vorlegende Gericht zu prüfen (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014 – C-156/13, GRUR 2014, 876 = WRP 2014, 1172).

In dem Verfahren I ZR 171/10 ist die Revision der Beklagten zurückgenommen worden (vgl. Pressemitteilung Nr. 80/2015).

Vorinstanzen:

I ZR 203/12
LG Magdeburg – Urteil vom 11. März 2011 – 36 O 235/07, BeckRS 2012, 00417
OLG Naumburg – Urteil vom 27. September 2012 – 9 U 73/11, BeckRS 2012, 20813
BGH – Beschluss vom 30. Oktober 2013 – I ZR 203/12, BeckRS 2013, 19533

I ZR 241/12
LG Köln – Urteil vom 24. Juni 2010 – 31 O 504/09, BeckRS 2011, 09644
OLG Köln – Urteil vom 30. November 2012 – 6 U 114/10, GRUR-RR 2013, 111

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