Mittwoch, 16. Dezember 2015

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht zur Glücksspielabgabe

Nach § 35 Abs. 1 des Glücksspielgesetzes Schleswig-Holstein 1) wird von Personen, die in Schleswig-Holsein Glücksspiele vertreiben, eine Glückspielabgabe erhoben.

Glücksspiele gelten als im Geltungsbereich dieses Gesetzes vertrieben, sofern sie über diesen Geltungsbereich hinaus durch einen Genehmigungsinhaber nach diesem Gesetz Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland haben, bestimmungsgemäß zugänglich gemacht werden. Ein Vertrieb in diesem Sinne liegt auch vor, wenn ein genehmigungspflichtiges Glücksspiel ohne erforderliche Genehmigung bestimmungsgemäß zugänglich gemacht wird (§ 35 Abs. 2 GlSpielG SH).§ 40 der Abgabenordnung gilt entsprechend (§ 35 Abs. 4 GlSpielG SH).

Der Abgabensatz beträgt gemäß § 36 Abs. 1 GlSpielG SH 20 vom Hundert der Bemessungsgrundlage. Bemessungsgrundlage ist der Rohertrag aus den angebotenen und durchgeführten Glücksspielen. Als Rohertrag gilt der Betrag, um den die Summe aller Spieleinsätze die Summe aller ausgezahlten Spielgewinne übersteigt. Abweichend hiervon gelten bei Glücksspielen, bei denen der Veranstalter kein Spielrisiko trägt (Spiele ohne Bankhalter), die Beträge als Bemessungsgrundlage, die dem Glücksspielanbieter aus dem Spiel zufließen (§ 36 Abs. 2 GlSpielG SH).

Die Abgabe entsteht gemäß § 37 Abs. 1 GlSpielG SH mit dem Zustandekommen des Spielvertrags. Abgabenschuldner ist nach § 38 Abs. 1 GlSpielG SH der Glücksspielanbieter. Die Abgabe schuldet auch, wer nicht genehmigte Glücksspiele anbietet.

Der Glücksspielanbieter hat gemäß § 40 Abs. 2 GlSpielG SH für das Kalenderjahr eine Jahreserklärung auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck bis zum 31.05.des Folgejahres bei der zuständigen Finanzbehörde abzugeben. In dieser sind die Summe aller Spieleinsätze sowie die gesamte Bemessungsgrundlage nach § 36 aller im Kalenderjahr durchgeführten Glücksspiele nach Art der Glücksspiele getrennt und die darauf für das Kalenderjahr entfallende Glücksspielabgabe sowie die bereits nach Absatz 1 geleisteten Vorauszahlungen anzugeben. Eine verbleibende Zahllast beziehungsweise ein etwaiges Guthaben aus der Jahreserklärung werden von der Finanzbehörde durch Bescheid festgesetzt.

Nach § 48 GlSpielG SH dürfen Genehmigungen nach diesem Gesetz erst mit Wirkung ab dem 1.03.2012 erteilt werden. Die Glücksspielabgabe nach diesem Gesetz wird ab dem 1.03.2012 erhoben.

Gegen die Rechtmäßigkeit dieser gesetzlichen Regelungen des GlSpielG SH hat das Finanzgericht nach summarischer Prüfung keine Bedenken.

Der Einwand der Antragstellerin, es fehle dem schleswig-holsteinischen Landesgesetzgeber jedenfalls für die Erhebung der Glücksspielabgabe auf Online-Casinospiele und Sportwetten, soweit diese aus dem Vertrieb an Personen resultierten, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland, aber nicht in Schleswig-Holstein hätten, jeglichen Anknüpfungspunkt, hält das Finanzgericht nicht für begründet.

Das Land Schleswig-Holstein konnte im Glücksspielgesetz für Schleswig-Holstein grundsätzlich Regelungen für das Genehmigungsverfahren und die Erhebung einer Glücksspielabgabe treffen, da die Gesetzgebung im Bereich der Glücksspiele gemäß den Art. 70 und 72 des Grundgesetzes in die Zuständigkeit der Länder fällt.

Die gesetzlichen Regelungen des Genehmigungsverfahrens und über die Glücksspielabgabe im GlSpielG SH verstoßen nicht gegen den Grundsatz der Verbandskompetenz. Da es zur Reichweite der Hoheitsgewalt der Bundesländer keine Regelungen im deutschen Staatsrecht gibt, können diesbezügliche völkerrechtliche Grundsätze auf das Hoheitsgefüge der Bundesländer übertragen werden 2). Aus dem Völkerrecht ergibt sich im Grundsatz keine Beschränkung der Regelungsgewalt eines Nationalstaats auf sein Hoheitsgebiet. Eine positive völkerrechtliche Regelung über die extraterritoriale Geltung staatlicher Normen gibt es nicht, das Völkerrecht kann die Geltung staatlicher Rechtsnormen nur begrenzen. Dies geschieht durch das Territorialitätsprinzip, nach dem Gesetzen auf wohl allen Rechtsgebieten grundsätzlich nur dann extraterritoriale Geltung beigelegt werden darf, wenn ein inländischer Anknüpfungspunkt vorhanden ist 3). Die Erstreckung der Regelungsgewalt auf einen Auslandssachverhalt setzt also im Kern ausschließlich einen Anknüpfungspunkt des Auslandssachverhaltes an einen Inlandssachverhalt und die Hoheitsgewalt des die Regelung setzenden Staates voraus. Die Hoheitsgewalt eines Landes bezieht sich auf das dieser Gebietskörperschaft zugehörige Territorium (Verbandskompetenz). Bei der grenzüberschreitenden Regelung von Sachverhalten reicht nach völkerrechtlichen Grundsätzen zur Begründung der Regelungskompetenz eines Staates ein Anknüpfungspunkt im Inland aus.

Die gesetzlichen Regelungen des Genehmigungsverfahrens im GlSpielG SH verstoßen nach diesen Grundsätzen nicht gegen den Grundsatz der Verbandskompetenz. Genehmigungen nach § 4 GlSpielG SH erstrecken sich in ihrer Wirkung allein auf das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein. Dies ergibt sich sowohl aus § 2 Abs. 1 als auch aus § 4 Abs. 1 GlSpielG SH, wonach das Angebot bzw. die Veranstaltung von öffentlichen Glücksspielen im Geltungsbereich des Glücksspielgesetzes geregelt wird bzw. der Genehmigung bedarf. Ein Verstoß gegen die Verbandskompetenz des Landes ist durch diese gesetzlichen Bestimmungen nicht ersichtlich, da mit ihnen das Veranstalten von Glücksspielen außerhalb des Hoheitsgebietes des Landes Schleswig-Holstein nicht verboten wird. Vielmehr wird durch den Gesetzgeber allein geregelt, dass eine Erlaubnis sich auf das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein beschränkt.

Die auf dieser Grundlage erteilten ordnungsrechtlichen Genehmigungen gelten dementsprechend nur für den Geltungsbereich des GlSpielG SH. Zudem lässt der Vollzug von Landesrecht in der Regel auf eine nur landesweite Geltung der Anordnung schließen 4).

Die Regelungen des GlSpielG SH über die Erhebung einer Glücksspielabgabe verstoßen ebenfalls nicht gegen den Grundsatz der Verbandskompetenz. Anknüpfungspunkt in Schleswig-Holstein ist für die Abgabenpflicht nach § 35 Abs. 1 GlSpielG SH, dass eine Person im Geltungsbereich dieses Gesetzes Glücksspiele vertreibt. Dabei wird nicht zwischen inländischen und ausländischen Personen unterschieden. Die Verwirklichung eines Abgabentatbestandes im Gebiet Schleswig-Holsteins und die Herbeiführung eines abgabenrechtlich erheblichen Erfolges in Schleswig-Holstein sind nach dieser Rechtsnorm Voraussetzung für die Abgabenpflicht 5).

Darüber hinaus enthält die Regelung des § 35 Abs. 2 Satz 1 GlSpielG SH ebenfalls einen hinreichenden Anknüpfungspunkt zum Hoheitsgebiet des Landes Schleswig-Holstein, weil hiernach Glücksspiele durch einen Genehmigungsinhaber nach diesem Gesetz Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland haben, bestimmungsgemäß zugänglich gemacht werden. Der Glücksspielanbieter muss also eine schleswig-holsteinische Glücksspiellizenz beantragt und eine Veranstaltungsgenehmigung nach dem GlSpielG SH erhalten haben, die ihn gerade dazu verpflichtet, die Genehmigung nur im Hoheitsgebiet von Schleswig-Holstein zu nutzen. Unter Berücksichtigung der Zielsetzung des GlSpielG SH und des Zwecks der Glücksspielabgabe, einerseits den Glücksspielmarkt nur für Schleswig-Holstein zu liberalisieren und andererseits zunehmenden Suchtgefahren Rechnung zu tragen, erweist es sich als legitim, die Abgabenpflicht auch auf die Umsätze aus der Teilnahme von Spielern aus dem gesamten Bundesgebiet zu erstrecken, wenn der Glücksspielanbieter gegen die ihm erteilte Genehmigung verstößt. Die Glücksspielabgabe ist als nichtsteuerliche, lenkende Sonderabgabe konzipiert, die zu einem bestimmten Verhalten anreizen bzw. Fehlverhalten sanktionieren soll. Dieser Zielsetzung würde eine gesetzliche Regelung entgegenlaufen, die zwar das legale Spiel eines Genehmigungsinhabers mit einer Abgabe belegen würde, nicht jedoch dessen illegales Spiel. Deshalb verweist § 35 Abs. 4 GlSpielG SH ausdrücklich darauf, dass § 40 AO entsprechend Geltung hat. Wenn ein Glücksspielanbieter in Kenntnis der gesetzlichen Regelungen über die Glücksspielabgabe eine Genehmigung nach dem GlSpielG SH beantragt und erhält, kann er sich auch gesetzeskonform verhalten, so dass er nicht in Gefahr kommt, auch nach § 35 Abs. 2 Satz 1 GlSpielG SH veranlagt zu werden. Wenn gleichwohl Gewinne aus einer nicht gesetzeskonformen Ausnutzung der schleswig-holsteinischen Genehmigung für das Veranstalten von Glücksspielen mit Spielern in anderen Bundesländern erzielt werden, erscheint es dem Finanzgericht vom weitreichenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt, auch diese Roherträge mit der Glücksspielabgabe zu belegen.

Der Einwand, die Verbandskompetenz habe im Ordnungsrecht und Abgabenrecht keine unterschiedliche Reichweite und Eingriffe des Landes Schleswig-Holstein in die Freiheitsrechte der Bürger anderer Bundesländer müssten sich an der Verbandskompetenz messen, überzeugt nicht. Vorliegend wird durch das Glücksspielgesetz nicht von Bürgern anderer Bundesländer eine Abgabe erhoben, sondern die Abgabenpflicht besteht nur für die Glücksspielanbieter, von denen der durch diese veranstalteten Glücksspiele erzielte Ertrag mit 20 % Glücksspielabgabe belegt wird. Insoweit erfolgt durch das Gesetz kein Eingriff in Freiheitsrechte von Spielern, die in anderen Bundesländern wohnen. Ein Überschreiten der Verbandskompetenz ist deshalb nicht gegeben.

Nach alledem hat der Gesetzgeber mit den Regelungen der §§ 35 ff GlSpielG zur Überzeugung des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts nicht seine Verbandskompetenz unzulässigerweise überschritten.

Im Streitfall waren hinreichende sachliche Anknüpfungsmomente für die Erhebung des Abgabenanspruchs durch den schleswig-holsteinischen Fiskus gegeben.

Nach summarischer Prüfung bestehen insoweit keine rechtlichen Bedenken gegen die mit den Bescheiden vom 21.03.2014 über die Glücksspielabgabe für 2012; und vom 11.03.2015 über die Glücksspielabgabe für 2013 festgesetzte Glücksspielabgabe. Ausgehend von den einschlägigen Rechtsnormen des GlSpielG SH hat die Antragstellerin Jahresanmeldungen der Glücksspielabgabe gem. § 40 Abs. 2 GlSpielG SH für die Jahre 2012 und 2013 bei dem Antragsgegner eingereicht. Mit den streitbefangenen Bescheiden vom 21.03.2014 über die Glücksspielabgabe für 2012; und vom 11.03.2015 über die Glücksspielabgabe für 2013 wurde die Antragstellerin erklärungsgemäß veranlagt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat der Antragsgegner insoweit zu Recht die Bemessungsgrundlage nicht reduziert. Abgesehen davon, dass die Antragstellerin in keiner Weise glaubhaft gemacht hat, ob und in welchem Umfang Spieler mit Wohnsitz oder Aufenthalt innerhalb und außerhalb von Schleswig-Holstein zum Rohertrag nach § 36 GlSpielG SH beigetragen haben, hat die Antragstellerin den gesetzlichen Abgabentatbestand verwirklicht. Sie hat im Geltungsbereich des GlSpielG SH Glücksspiele vertrieben und – wie sie selbst vorträgt – auch als Genehmigungsinhaber Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland haben, Glücksspiele bestimmungsgemäß zugänglich gemacht.

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Beschluss vom 17. September 2015 –5 V 242/14
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1) Gesetz zur Neuordnung des Glücksspiels (Glücksspielgesetz) vom 20.10.2011↩
2) VG Düsseldorf, Urteil vom 13.09.2011 27 K 1005/09 Rz. 44↩
3) Rojahn in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, Band 2, Art. 25 Rn. 2; Streinz in Jahn, GG-Kommentar, 6. Auflage, Art. 25 Rn. 54↩
4) vgl. BVerwG, Urteil vom 30.01.2002 – 9 A 20/01, BVerwGE 115, 373↩
5) vgl. zu diesen Voraussetzungen als hinreichenden Anknüpfungspunkt auch BVerfG, Beschluss vom 22.03.1983 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343↩

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