Donnerstag, 13. April 2017

Vorlage an den EuGH in der Rechtssache Sporting Odds

Vorabentscheidungsersuchen des Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Ungarn), eingereicht am 3. Januar 2017 – Sporting Odds Limited/Nemzeti Adó- és Vámhivatal Központi Irányítása

(Rechtssache C-3/17)

Verfahrenssprache: Ungarisch

Vorlegendes Gericht

Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság

Parteien des Ausgangsverfahrens

Klägerin: Sporting Odds Limited

Beklagte: Nemzeti Adó- és Vámhivatal Központi Irányítása

Vorlagefragen

Sind Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden: AEUV), das Diskriminierungsverbot und das Erfordernis, dass die von einem Mitgliedstaat vorgenommene Begrenzung von Glücksspieltätigkeiten, deren gesetzliches Ziel dem Mitgliedstaat zufolge im Wesentlichen die Bekämpfung der Spielsucht und der Verbraucherschutz sein soll, in einer kohärenten und systematischen Weise erfolgen muss, dahin auszulegen, dass das nationale Monopol des Mitgliedstaates auf On- und Offline veranstaltete Sport- und Pferdewetten im Widerspruch zu ihnen steht, wenn im Übrigen in dem Mitgliedstaat seit der durch ihn vorgenommenen Neuordnung des Marktes private Anbieter andere Online- und Offline-Glücksspiele (Kasinospiele, Kartenspiele, Geldspielautomaten, Online-Kasinospiele und Online-Kartenspiele), die eine erhebliche Suchtgefahr in sich bergen, im Rahmen einer Konzession in Präsenzspielbanken veranstalten dürfen?

Sind Art. 56 AEUV, das Diskriminierungsverbot und das Erfordernis, dass die von einem Mitgliedstaat vorgenommene Begrenzung von Glücksspieltätigkeiten in einer kohärenten und systematischen Weise erfolgen muss, dahin auszulegen, dass ein Verstoß gegen diesen Artikel vorliegt und dieses Erfordernis nicht erfüllt ist, wenn sich feststellen lässt, dass die mit der Bekämpfung der Spielsucht und dem gesetzlichen Ziel des Verbraucherschutzes begründete Neuordnung der Marktstruktur in Wirklichkeit zur Folge hat oder bewirkt, dass seit der durch den Mitgliedstaat vorgenommenen Neuordnung des Marktes die Zahl der Spielbanken, die jährlichen Steuern auf Glücksspiele in Spielbanken, die in der staatlichen Haushaltsplanung vorgesehenen Einnahmen aus Gebühren für Spielbankkonzessionen, die von Spielern erworbenen Spielmarken und die zum Erwerb des Spielrechts an Geldspielautomaten erforderlichen Geldbeträge fortlaufend zunehmen?

Sind Art. 56 AEUV, das Diskriminierungsverbot und das Erfordernis, dass die von einem Mitgliedstaat vorgenommene Begrenzung von Glücksspieltätigkeiten in einer kohärenten und systematischen Weise erfolgen muss, dahin auszulegen, dass ein Verstoß gegen diesen Artikel vorliegt und dieses Erfordernis nicht erfüllt ist, wenn sich feststellen lässt, dass neben die im Wesentlichen mit der Bekämpfung der Spielsucht und dem gesetzlichen Ziel des Verbraucherschutzes begründete Einführung eines staatlichen Monopols und die zugelassene Veranstaltung von Glücksspielen durch private Anbieter das wirtschaftspolitische Ziel tritt, höhere Nettoeinnahmen aus den Spielen zu erzielen und in möglichst kurzer Zeit außerordentlich hohe Erträge auf dem Spielbankenmarkt zu generieren, um andere Ausgaben aus dem Staatshaushalt und öffentliche Aufgaben zu finanzieren?

Sind Art. 56 AEUV, das Diskriminierungsverbot und das Erfordernis, dass die von einem Mitgliedstaat vorgenommene Begrenzung von Glücksspieltätigkeiten in einer kohärenten und systematischen Weise erfolgen muss, dahin auszulegen, dass ein Verstoß gegen diesen Artikel vorliegt und dieses Erfordernis nicht erfüllt ist sowie eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Anbietern vorliegt, wenn sich feststellen lässt, dass der Mitgliedstaat – unter Berufung auf ein und denselben Grund der öffentlichen Ordnung – einige Online-Glücksspielangebote dem staatlichen Monopol vorbehält, während er den Zugang zu anderen Glücksspielangeboten ermöglicht, indem er eine steigende Zahl von Konzessionen vergibt?

Sind Art. 56 AEUV und das Diskriminierungsverbot dahin auszulegen, dass es mit ihnen unvereinbar ist, wenn ausschließlich Anbieter, die über eine Präsenzspielbank (mit Konzession) in Ungarn verfügen, eine Genehmigung für Online-Kasinospiele erhalten können, weshalb Anbieter, die nicht über eine Präsenzspielbank in Ungarn verfügen (einschließlich solcher Anbieter, die in einem anderen Mitgliedstaat über eine Präsenzspielbank verfügen), von Genehmigungen für Online-Kasinospiele ausgeschlossen sind?

Sind Art. 56 AEUV und das Diskriminierungsverbot dahin auszulegen, dass es zu ihnen im Widerspruch steht, wenn der Mitgliedstaat durch eine eventuelle Ausschreibung von Konzessionen für Präsenzspielbanken bzw. dadurch, dass er es zuverlässigen Glücksspielveranstaltern erlaubt, sich um eine Konzession für eine Präsenzspielbank zu bewerben, zwar die grundsätzliche Möglichkeit gewährleistet, dass jeder Anbieter, der die gesetzlichen Vorgaben erfüllt – auch solche, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind – eine Konzession für eine Präsenzspielbank und, wenn er eine solche besitzt, die Genehmigung für eine Online-Spielbank erhalten kann, der fragliche Mitgliedstaat aber keine öffentliche und transparente Ausschreibung der Vergabe von Konzessionen durchführt und der Anbieter in der Praxis auch nicht die Möglichkeit hat, eine Bewerbung abzugeben und die Behörden des Mitgliedstaats demgegenüber feststellen, dass der Anbieter widerrechtlich gehandelt habe, als er ohne Genehmigung tätig geworden sei, und gegen ihn eine als verwaltungsrechtlich eingestufte Sanktion verhängen?

Sind Art. 56 AEUV, das Diskriminierungsverbot und das Erfordernis, dass das Genehmigungsverfahren transparent, objektiv und öffentlich sein muss, dahin auszulegen, dass es zu ihnen im Widerspruch steht, wenn der Mitgliedstaat ein System zur Ausschreibung von Konzessionen für bestimmte Glückspielangebote schafft, aber gleichzeitig die Stelle, die über die Konzessionen entscheidet, anstatt die Konzessionen auszuschreiben, auch Konzessionsverträge mit einzelnen Personen abschließen kann, die als zuverlässige Glücksspielveranstalter eingestuft sind, statt allen Anbietern mit einer einzigen Ausschreibung zu ermöglichen, zu gleichen Bedingungen am Vergabeverfahren teilzunehmen?

Für den Fall, dass die siebte Frage zu verneinen ist und dass in dem betreffenden Mitgliedstaat unterschiedliche Verfahren für die Vergabe identischer Konzessionen geschaffen werden dürfen: Muss der Mitgliedstaat in Anwendung von Art. 56 AEUV unter Berücksichtigung des Erfordernisses, dass das Genehmigungsverfahren transparent, objektiv und öffentlich sein muss, und des Gleichbehandlungsgrundsatzes zur wirksamen Durchsetzung der Unionsvorschriften über die Grundfreiheiten die Gleichwertigkeit dieser Verfahren sicherstellen?

Hat es Einfluss auf die Antworten auf die sechste bis achte Frage, wenn gegen die Entscheidung über die Konzessionsvergabe weder im einen noch im anderen Fall eine gerichtliche Überprüfung oder ein anderer wirksamer Rechtsbehelf gewährleistet ist?

Sind Art. 56 AEUV, der in Art. 4 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union (im Folgenden: EUV) verankerte Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit sowie die institutionelle und Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten in Verbindung mit Art. 47 und 48 der Charta der Grundrechte (im Folgenden: Charta) sowie den sich daraus ergebenden Rechten auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle und auf Verteidigung dahin auszulegen, dass das mit der Sache befasste nationale Gericht bei der Prüfung der sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden unionsrechtlichen Anforderungen sowie der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgeschriebenen Begrenzung auch dann von Amts wegen eine Prüfung und eine Beweiserhebung anordnen und durchführen darf, wenn das nationale Verfahrensrecht des Mitgliedstaats ansonsten keine gesetzliche Befugnis hierzu verleiht?

Ist Art. 56 AEUV in Verbindung mit Art. 47 und 48 der Charta und den sich daraus ergebenden Rechten auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle und auf Verteidigung dahin auszulegen, dass das mit der Sache befasste nationale Gericht bei der Prüfung der sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden unionsrechtlichen Anforderungen sowie der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgeschriebenen Begrenzung die Beweislast nicht den von der Begrenzung betroffenen Anbietern auferlegen darf, sondern dass es dem Mitgliedstaat obliegt – konkret der staatlichen Behörde, die die in dem Rechtsstreit angefochtene Entscheidung erlassen hat –, die Vereinbarkeit der nationalen Regelung mit dem Unionsrecht sowie deren Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit darzulegen und zu beweisen, so dass in Ermangelung dessen automatisch feststeht, dass die nationale Regelung gegen das Unionsrecht verstößt?

Ist Art. 56 AEUV auch unter Berücksichtigung des in Art. 41 Abs. 1 der Charta verankerten Rechts auf ein faires Verfahren, des in ihrem Art. 41 Abs. 2 Buchst. a verankerten Rechts, gehört zu werden, und der in ihrem Art. 41 Abs. 2 Buchst. c verankerten Begründungspflicht sowie des in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit, aber auch der institutionellen und Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten dahin auszulegen, dass diese Vorgaben nicht erfüllt sind, wenn die mit der Sache befasste Behörde des Mitgliedstaats den Glücksspielveranstalter gemäß den Bestimmungen des nationalen Rechts weder über die Einleitung des Verfahrens zur Verhängung einer verwaltungsrechtlichen Sanktion unterrichtet noch später im Verlauf des Verwaltungsverfahrens seine Stellungnahme zur Vereinbarkeit der Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats mit dem Unionsrecht einholt und in einem Verfahren mit nur einer Instanz eine vom nationalem Recht als verwaltungsrechtlich eingestufte Sanktion verhängt, ohne in der Begründung ihrer Entscheidung diese Vereinbarkeit oder die sie untermauernden Beweise im Einzelnen darzulegen?

Sind unter Berücksichtigung von Art. 56 AEUV, der Art. 41 Abs. 1, Art. 41 Abs. 2 Buchst. a und c, Art. 47 und Art. 48 der Charta sowie der sich daraus ergebenden Rechte auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle und auf Verteidigung die in den genannten Artikeln vorgesehenen Anforderungen erfüllt, wenn der Glücksspielveranstalter die Unvereinbarkeit der nationalen Regelung mit dem Unionsrecht erstmals und ausschließlich vor dem nationalen Gericht geltend machen kann?

Kann Art. 56 AEUV bzw. die Pflicht der Mitgliedstaaten, Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit zu rechtfertigen/begründen, dahin ausgelegt werden, dass der Mitgliedstaat dieser Pflicht nicht genügt hat, wenn weder zum Zeitpunkt der Einführung der Beschränkung noch zum Zeitpunkt ihrer Überprüfung eine einschlägige Folgenabschätzung vorlag bzw. vorliegt, die die mit der Beschränkung verfolgten Zwecke der öffentlichen Ordnung untermauert?

Lässt sich unter Berücksichtigung des gesetzlichen Rahmens für die Höhe der zu verhängenden verwaltungsrechtlichen Sanktion, der Natur der mit der Sanktion belegten Tätigkeit, insbesondere der Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die Tätigkeit, sowie des repressiven Zwecks der Geldbuße auf der Grundlage der Art. 47 und 48 der Charta feststellen, dass die fragliche verwaltungsrechtliche Sanktion „Strafcharakter“ hat, und wirkt sich dieser Umstand auf die Antworten auf die elfte bis vierzehnte Frage aus?

Ist Art. 56 AEUV dahin auszulegen, dass das mit der Sache befasste Gericht, falls es aufgrund der Antworten auf die vorhergehenden Fragen feststellt, dass die Regelung und ihre Anwendung rechtswidrig sind, feststellen muss, dass auch die Sanktion, die auf der nicht mit Art. 56 AEUV im Einklang stehenden nationalen Regelung beruht, gegen Unionsrecht verstößt?
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