Sonntag, 25. März 2007

Glücksspielstaatsvertrag endgültig gescheitert? – EU-Kommission verwirft Entwurf

Die Europäische Kommission hält den Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags, der am 13. Dezember 2006 von 15 der 16 Ministerpräsidenten der deutschen Länder (gegen Schleswig-Holstein) abgesegnet worden war, für europarechtswidrig. Angesichts der nunmehr vorliegenden klaren Stellungnahme der Kommission ist die Ratifizierung des Staatsvertrags gescheitert. Es bleibt damit offen, wie das Glücksspielrecht in Deutschland zukünftig geregelt werden wird. Allerdings besteht angesichts der zum Jahresende auslaufenden, vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Übergangsfrist nunmehr ein gewisser Zeitdruck, eine verfassungs- und europarechtlich unbedenkliche Regelung zu verabschieden.

Aufgrund der sog. „Dienste der Informationsgesellschaft“ betreffenden EG-Richtlinie 98/48/EG war der Entwurf der Europäischen Kommission noch im Dezember 2006 notifiziert worden, da das Anbieten und Bewerben von Glücksspielen über das Internet komplett verboten werden sollte. Von einer derartigen Regelung wäre vor allem das grenzüberschreitende Angebot von anderen Mitgliedstaaten aus an Kunden in Deutschland massiv betroffen und so das Monopol in Deutschland geschützt worden (was offenkundig Hintergedanke der Regelung war).

Die von Deutschland genannten Gründe der Bekämpfung der Spielsucht und des Jugendschutzes für die Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit hält die Kommission für nicht hinreichend. Die Kommission verweist hierzu auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der hierfür in seinem Lindman-Urteil zunächst eine Überprüfung und Gefahrenabschätzung durch den Mitgliedstaat gefordert hatte:

„Die Erläuterungen des notifizierten Entwurfs erhalten keine Daten zur Unterstützung der Erklärungen, dass eine tatsächliche Gefahr der Spielsucht im Internet in Deutschland vorliegt, die eine Bedrohung eines grundlegenden Interesses der deutschen Öffentlichkeit darstellt und es wurden keine Folgenabschätzung oder Studien zum Nachweis dieser Tatsache vorgelegt. Es ist festzustellen, dass den Gründen, auf die sich Mitgliedstaaten zur Rechtfertigung berufen, eine Analyse der Zweckdienlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der von dem Staat verabschiedeten einschränkenden Maßnahme beigefügt werden muss, in der statistische oder andere Belege offenbart werden müssen, die jegliche Schlussfolgerungen hinsichtlich des Ausmaßes der Gefahr im Zusammenhang mit Glücksspielen zulassen (siehe Urteil des Gerichtshofs vom 13. November 2003, Rechtssache C-42/02, Lindman, Slg. 2003 I-3519, Rn. 25 und 26).“

Im Übrigen sei der Entwurf auch nicht angemessen, da er keine kohärente, in sich schlüssige Regelung darstelle. Die Kommission verweist darauf, dass „er auf Lotterien und Sportwetten Anwendung findet, nicht aber auf Glücksspiele, die eine viel höhere Gefahr der Spielsucht aufweisen. So werden zum Beispiel Glücksspiele mit einem hohen Suchtpotential, wie Glücksspielautomaten oder Pferdewetten nicht von dem Verbot abgedeckt.“

Im Übrigen hält die Kommission die geplante Regelung auch für unverhältnismäßig, da es zur Erreichung der angeführten Ziele mildere Mittel gäbe. Nach Ansicht der Kommission „gibt es weniger einschränkende Maßnahmen zur Bekämpfung der Spielsucht und zum Schutz von Jugendlichen, z. B. eine zwingende vorherigen Registrierung mit strikten Auflagen der korrekten Identifizierung des Spielers und seines Alters und durch die Auflage von Begrenzungen der Spieleinsätze.“

Abschließend fordert die Europäische Kommission Deutschland zu einer ausführlichen Stellungnahme und zur Information über „beabsichtigte Folgemaßnahmen“ auf. Im Verletzungsfall droht die Kommission vorsorglich gleich mit einem Vertragsverletzungsverfahren.

Kommentar:
Angesichts der kompromisslosen Haltung der Kommission und der vernichtenden Kritik an dem Konzept der geplanten Regelung kann der Glücksspielstaatsvertrag nicht wie geplant verabschiedet werden. Aus den Anmerkungen der Kommission wird deutlich, dass wohl nur eine sämtliche Glücksspielformen übergreifende Regelung als folgerichtig akzeptiert werden wird. Keine Gnade dürfte eine Regelung finden, die Formen mit hohem Suchtpotential wie die von der Kommission genannten Glücksspielautomaten nicht einschränkt, während andere Formen ohne größeres Suchtpotential, wie etwa Lotterien, rigoros beschränkt werden. Letztlich fordert die Kommmission für das Glücksspielrecht einen „großen Wurf“, d.h. eine umfassende, durch fundierte Untersuchungen untermauerte, in sich schlüssige Regelung.

aus: Sportwetttenrecht aktuell Nr. 75

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen