Der juristische Streit darüber, ob es nach deutschem Recht zulässig ist, das Angebot von privaten Sportwetten zu untersagen oder ob dem Europarecht Vorrang einzuräumen ist, hält an. Seitdem bereits einige deutsche Gerichte Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Konformität des deutschen Monopols hegen und ihre diesbezüglichen Fragen beim EuGH vorgelegt haben, rückt das Europarecht auch bei weiteren Gerichtsentscheidungen immer stärker in den Vordergrund.
So hat das Landgericht Berlin am 14. August 2007 eine Klage von Lotto Brandenburg gegen einen privaten Sportwettvermittler unter Hinweis auf die derzeitige Gemeinschaftswidrigkeit und den Vorrang des Europarechts als unbegründet abgewiesen. Lotto Brandenburg hatte den Sportwettvermittler wegen wettbewerbswidrigem Verhalten auf Unterlassung in Anspruch genommen sowie auf Auskunft und Schadensersatz geklagt. Das Landgericht Berlin gab der Beklagtenseite Recht und wies die von Lotto Brandenburg erhobenen Ansprüche unter Hinweis auf den – auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März 2006 in der Übergangszeit zu beachtenden - Anwendungsvorrang des Europäischen Rechts zurück. In seiner Urteilsbegründung führte das Gericht u. a. aus: Der nach deutschem Recht der Klägerin dem Grunde nach zustehende Unterlassungsanspruch ist unvereinbar mit Europarecht, da das derzeit bestehende Monopol in Deutschland auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG) und die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) verstößt. Denn nach wie vor gibt es keine materiellrechtlichen Regelungen und strukturellen Sicherungen, die eine Ausrichtung am Ziel der Bekämpfung der Wettsucht hinreichend gewährleisten. Von daher ist das geltende Recht nicht mit Europarecht in Einklang zu bringen und darf angesichts des Vorrangs des Europarechts nicht angewendet werden. In der Urteilsbegründung heißt es wörtlich: „An den europarechtlichen Vorgaben ist das geltende innerstaatliche Recht zu messen und nicht ein etwaiges in der Zukunft geltendes und möglicherweise europarechtgemäß ausgestaltetes Wettspielmonopol.“
Des Weiteren zeigen die Vorlagebeschlüsse der Verwaltungsgerichte Köln, Gießen und Stuttgart an den Europäischen Gerichtshof nun auch erstmals bei einem Bayerischen Verwaltungsgericht Wirkung. Denn auch die 5. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg scheint die Beurteilung der Rechtmäßigkeit behördlicher Untersagungsverfügungen gegen private Sportwettvermittler von europarechtlichen Fragen abhängig zu machen. Die Richter beabsichtigen, ein laufendes Verfahren gegen einen privaten Sportwettvermittler auszusetzen, bis über die Fragen des Anwendungsvorrang und der Anerkennung von Lizenzen im EU-Ausland vom EuGH endgültig entschieden ist.
„Erfreulicherweise nimmt die Zahl der Gerichte, die bei ihren Entscheidungen auf Europarecht verweisen und ihm den Vorrang einräumen, stetig zu. Die Befürworter des Glücksspielstaatsvertrags dagegen ignorieren weiterhin die Bedeutung des europäischen Rechtsrahmens, dem Deutschland als Mitglied der EU unterliegt. Sie spielen auf Zeit, wissen aber, dass der Glücksspielstaatsvertrag nicht sehr lange Bestand haben wird und riskieren damit einhergehende Schadensersatzansprüche. Vermutlich sind die Beamten in den Ministerien längst damit beauftragt, eine alternative gesetzliche Regelung für eine kontrollierte Öffnung des Sportwettenmarktes vorzubereiten. Über einen solchen Zick-Zack-Kurs kann der Bürger nur den Kopf schütteln, zumal es seine Steuergelder sind, die durch die weiter andauernden Auseinandersetzungen verschwendet werden“, so Markus Maul, Präsident des Verbands Europäischer Wettunternehmer (VEWU).
Das Urteil des Landgerichts Berlin kann auf www.vewu.com abgerufen werden.
Pressemitteilung des VEWU
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