Vorlagefragen des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts veröffentlicht
von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht in Schleswig (VG Schleswig) hat – wie bereits in Sportwettenrecht aktuell Nr. 93 berichtet - durchgreifende Zweifel an dem Glücksspielstaatsvertrag geäußert und einen Streit über das staatlichen Monopol für Sportwetten und Glücksspiele dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt (Beschluss vom 30. Januar 2008, Az. 12 A 102/06). Der 19-seitige Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts mit den dem EuGH gestellten vier Fragen (s. u.) ist nunmehr veröffentlicht worden.
Interessant ist dabei, dass – anders als bei den inzwischen sieben Vorlagebeschlüssen der Verwaltungsgerichte Köln, Gießen und Stuttgart – die durch Art. 49 des EG-Vertrags garantierte Dienstleistungsfreiheit vom EuGH nicht nur hinsichtlich des Monopols für Sportwetten, sondern auch bezüglich Lotterien ausgelegt werden soll. Ähnlich wie bei den anderen deutschen Vorlagen geht auch das VG Schleswig davon aus, dass die als Begründung für das staatliche Monopol angeführte Bekämpfung von Spielsuchtgefahren offenkundig nicht tragfähig ist. Andere Glücksspiele mit erheblichem oder gleichem Suchtgefährdungspotential (insbesondere Automatenspiele mit dem laut VG Schleswig höchsten Suchtgefährdungspotential sowie Pferdewetten) dürfen nämlich von privaten Anbietern erbracht werden. Auch sei trotz des erhöhten Suchtgefährdungspotentials von Casinospielen eine expansive Politik der Behörden zu verzeichnen.
Nach Auffassung des VG Schleswig muss jedoch das gesamte Glücksspielrecht das Ziel einer systematischen und kohärenten Spielbegrenzung verfolgen, damit ein staatliches Monopol gerechtfertigt sein kann. Die These der Monopolbefürworter, dass es angeblich verschiedene Glücksspielsektoren gebe (so auch das OVG Hamburg), weist das VG Schleswig deutlich zurück. Entscheidend sei vielmehr eine Gesamtschau:
„Hinsichtlich der Frage der kohärenten und systematischen Begrenzung der Wetttätigkeit vermag das erkennende Gericht daher nicht zu erkennen, dass den Anforderungen des EuGH an den Erlass einer zulässigen Beschränkung Genüge getan worden wäre. Ersichtlich fehlt es bislang an einer Gesamtschau der zugelassenen bzw. erlaubten Angebote von Glücksspielen. Nur eine solche Gesamtschau kann dem zur Entscheidung berufenen Gesetzgeber die Möglichkeiten eröffnen, die angenommenen Gefahren der Spiel und Wettsucht für den Einzelnen wie die Gesellschaft zu erfassen und für eine Abhilfe Sorge zu tragen.“
Föderale Besonderheiten bei der Gesetzgebungskompetenz könnten ein auf einen Sektor bezogenes Glücksspielmonopol nicht rechtfertigen.
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Die Vorlagefragen
Das VG Schleswig hat dem EuGH folgende Fragen im Rahmen des Vorlageverfahrens (Art. 234 EG-Vertrag) vorgelegt:
a) Ist Art. 49 EG dahingehend auszulegen, dass die Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit voraussetzt, dass der Dienstleistungserbringer nach den Bestimmungen des Mitgliedstaates, in dem er ansässig ist, die Dienstleistung auch dort erbringen darf - hier: Beschränkung der Glücksspiellizenz Gibraltars auf "offshore bookmaking"?
b) Ist Art. 49 EG dahingehend auszulegen, dass dieser einem maßgeblich mit der Bekämpfung von Spielsuchtgefahren begründeten nationalen staatlichen Veranstaltungsmonopol auf Sportwetten und Lotterien (mit nicht nur geringem Gefährdungspotenzial) entgegensteht, wenn in diesem Mitgliedstaat andere Glücksspiele mit erheblichem Suchtgefährdungspotenzial von privaten Dienstleistungsanbietern erbracht werden dürfen und die unterschiedlichen rechtlichen Regelungen zu Sportwetten und Lotterien einerseits und anderen Glücksspielen andererseits auf der unterschiedlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder und des Bundes beruhen?
Für den Fall der Bejahung der Vorlagefrage b):
c) Ist Art. 49 EG dahingehend auszulegen, dass dieser einer nationalen Regelung entgegensteht, die einen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis für das Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen auch bei Vorliegen der gesetzlich normierten Erteilungsvoraussetzungen in das Ermessen der Erlaubnisbehörde stellt?
d) Ist Art. 49 EG dahingehend auszulegen, dass dieser einer nationalen Regelung entgegensteht, die das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet untersagt, wenn insbesondere gleichzeitig - wenngleich auch nur für eine Übergangsfrist von einem Jahr - die Veranstaltung und Vermittlung im Internet unter Einhaltung von Jugend- und Spielerschutzbestimmungen ermöglicht wird, um zum Zweck eines Verhältnismäßigkeitsausgleichs namentlich zweier gewerblicher Spielvermittler, die bislang ausschließlich im Internet tätig sind, eine Umstellung auf die nach dem Staatsvertrag zugelassenen Vertriebswege zu ermöglichen?
aus: Sportwettenrecht aktuell Nr.94
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