Mittwoch, 16. September 2009

DOSB: Sportwetten-Urteil des EuGH räumt Zweifel am Glücksspielstaatsvertrag aus

Bericht des Deutschen Olympischen Sportbundes vom 16.09.2009

Das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Sachen Sportwetten dürfte all jenen Wasser auf die Mühlen leiten, die auch künftig das staatliche Monopol als einzig taugliches Instrument betrachten, um das Glücksspiel in geordnete Bahnen zu lenken

Auch wenn die Richter in Luxemburg jetzt in einem den Staat Portugal betreffenden Fall entschieden und dieses Urteil keineswegs linear auf Deutschland übertragen werden kann, so handelt es sich doch um einen deutlichen Etappensieg für das Staatsmonopol. Interessant ist insbesondere, dass die Richter das Allgemeininteresse des portugiesischen Staates höher bewerteten als die Dienstleistungsfreiheit eines privaten Wettanbieters, in diesem Fall des Unternehmens „bwin“. Womit - einmal mehr - klargestellt wurde, dass die Dienstleistungsfreiheit innerhalb der EU durchaus national beschnitten werden darf. Trotzdem bleibt die Gemengelage bei dem komplexen Thema weiter kompliziert - besonders in Bezug auf Deutschland, das sich weiterhin als wahre Bastion des staatlichen Glücksspiel-Monopols versteht.

Größenordnung von 550 Millionen Euro nicht zu halten

Nachdem am 1. Januar 2008 der neue und vorerst für vier Jahre gültige Lotterie-Staatsvertrag in Kraft trat, ist der zuvor heftig geführte Disput über die Vor- und Nachteile eines staatlichen Monopols hierzulande einstweilen etwas abgeebbt. Was keineswegs heißt, dass die Diskussionen darüber verstummt wären. Im Gegenteil dürften sie umso stärker wieder aufflammen, je mehr es auf das Jahr 2011 und dessen Ende zugeht. Schließlich müssen die Bundesländer bis dahin einmal mehr die grundsätzliche Frage „Wie weiter?“ beantworten: Soll das staatliche Glücksspiel-Monopol festgeschrieben und zementiert werden? Oder wird es - zumindest in Teilen - eine Liberalisierung geben? Das ist die zentrale Fragestellung, die es nach gründlicher Auswertung der Erfahrungen aus der „olympischen Spanne“ zwischen Januar 2008 und Dezember 2011 zu beantworten gilt.

Wie schon vor der Verabschiedung des derzeit gültigen Vertragswerkes der 16 Länder wird der Sport auch die künftige Entwicklung mit Argusaugen verfolgen. Schließlich geht es um exorbitante finanzielle Mittel, von denen der organisierte Sport im Zusammenhang mit den Einnahmen aus dem Glücksspiel profitiert und gewissermaßen existententiell abhängig ist. Insbesondere die Landessportbünde wissen davon ein Lied zu singen. Im Jahre 2005, als die Länder dank Steuern und Zweckerträgen insgesamt etwa fünf Milliarden Euro aus dem Glücksspielsektor abschöpfen konnten, flossen dem Sport aus dieser Quelle im selben Zeitraum rund 550 Millionen Euro zu. Ein gewaltiger Segen, der sich allerdings inzwischen relativiert und deutlich nach unten bewegt haben dürfte. Nach Informationen der Zeitung „Die Welt“ werden die Länder im Laufe dieses Jahres nur noch etwa rund 3,5 Milliarden Euro erlösen - adäquat dazu dürften ebenfalls die Zahlungen an den Sport zurückgehen. Genaue Erhebungen über die veränderten Zahlen stehen noch aus.

Hoffen auf die „Quadratur des Kreises“

Die prinzipielle Erklärung für den starken Einbruch der Umsätze ist schlicht. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG) vom 28. März 2006 ist das Glücksspiel-Monopol nur dann zulässig und gesetzeskonform, wenn der Staat die Spielsucht seiner Bürger glaubhaft bekämpft, diese Sucht so weit wie möglich eindämmt und ihr Einhalt zu gebietet. Vor diesem Hintergrund wurden auf dem Weg zum neuen Staatsvertrag straffe Werbe- und Vermarktungsauflagen für das „Gesamtpaket Sportwetten und Lotto“ beschlossen. Deren spürbare Folgen scheinen nun zu Buche zu schlagen. Rund ein Drittel weniger Einnahmen zeugen beredt davon, dass die Länder den BVG-Auflagen anscheinend ernsthaft und wirkungsvoll nachzukommen versuchen. Zugleich widerlegt diese Tendenz den von Kritikern des Monopols oft geäußerten Vorwurf, der Staat giere förmlich nach maximalen Gewinnen aus seiner Vormachtstellung und sei einzig aus Habsucht nicht bereit, auf sein Monopol zu verzichten. Wie sich jetzt zeigt, wurden der Gier ein selbst gebastelter Riegel vorgeschoben.

Im selben Atemzug argumentieren vor allem private Glücksspielanbieter immer wieder, der Staat lasse sich gewaltige Einnahmen entgehen, indem er sich der Liberalisierung verweigere. Die zuvor gegeißelte Gier des Staates wird nun geradezu angestachelt. Die simple Formel lautet: Die Länder sind dumm. Sie sollen endlich die Tür für Private öffnen, dann könnten sie weit höhere Umsätze erzielen und hätten damit größere Summen zur Umverteilung für soziale Zwecke zur Verfügung - nicht zuletzt für den organisierten Sport.

Eine reizvolle Offerte, die jedoch mit einigen Tücken behaftet ist. Wie auch das jüngste EuGH-Urteil zeigte. Würde der Privatanbieter „bwin“ im Verbund mit dem Unternehen „Santa Casa“ neben den eigenen Interessen sich zugleich ein Stück weit dem Gemeinwohl des portgugiesischen Staates gegenüber verplichtet sehen, würde man das Portugal-Geschäft wohl kaum von Gibraltar aus abwickeln, wie er derzeit der Fall ist. Diese Gefahr der „Steuerflucht“ führen Kenner der Materie auch hierzulande immer wieder ins Feld, sobald die Sprache auf eine eventuelle Liberalisierung und auf die mögliche Geburt eines tasächlichen Glücksspielmarktes kommt. Würden solcherlei Tatsachen erst einmal geschaffen, so die Befürchtungen, dann könnten sich alle zuvor gemachten Versprechen auf „freiwillige Abgaben“ von Seiten der privaten Anbieter womöglich schnell in Schall und Rauch auflösen, indem eben diese Unternehmen ihr Heil in Steueroasen suchten. Dann, so die Logik der Verfechter des staatlichen Monopols, sei es schon besser, weiter auf das Staatsmonopol und die damit verbrieften Zweckerträge zu setzen - und sei es um den Preis sinkender Umsätze.

Diese Gleichung dürfte es denn auch sein, welche die Ministerpräsidenten und ihre Beraterstäbe bei der künftigen Gestaltung des Rechtsrahmens nüchtern im Auge behalten werden. Chancen und Risiken miteinander zu vergleichen und leere Versprechen gegen sichere Einnahmen abzuwägen, darin wird die Kunst auf dem Weg zum nächsten Staatsvertrag bestehen. Am besten wäre, die Länder fänden eine geeignete Zauberformel, um wieder steigende Umsätze bei Lotto und Toto, Sportwetten, Fernsehlotterie und Glücksspirale zu erzielen, damit einhergehend adäquate Abgaben für „sozial Bedürftige“ sicherzustellen und dies alles mit EU-Recht sowie mit der BVG-Vorgabe zu kombinieren, bitteschön die Spielsucht der Bürger zu zügeln. Noch bleiben mehr als zwei Jahre Zeit, um diese Art der „Quadratur des Kreises“ zu bewerkstelligen. Der organisierte Sport wäre sicher nicht böse,wenn dieses Kunststück gelänge und die finanziellen Beihilfen künftig wieder zuverlässig das früher gewohnte Niveau erreichten.

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