Dienstag, 8. September 2009

EuGH-Urteil im Fall "Liga Portuguesa": Deutscher Glücksspielstaatsvertrag geschwächt

Pressemitteilung des Deutschen Lottoverbandes

- Deutsche Regelungen sind inkohärent
- Strengste Auflagen für nationales Glücksspielrecht
- Lottoverband fordert Aufhebung des Internetverbots in Deutschland


Hamburg, 08. September 2009 – Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute im so genannten Fall "Liga Portuguesa" über die Zulässigkeit des staatlichen Glücksspielmonopols in Portugal entschieden. Das Urteil ist zwar nur sehr bedingt auf das deutsche Glücksspielrecht übertragbar, ermahnt jedoch die europäischen Länder deutlich, ihre nationalen Glücksspielmärkte stimmig und systematisch zu regeln. Gerade dies ist in Deutschland jedoch durch den Glücksspielstaatsvertrag nicht erfüllt, da er – mit der Begründung der Spielsuchtprävention – den Lotterien starke Verbote und Beschränkungen auferlegt, jedoch beispielsweise das suchtgefährliche Automatenglücksspiel überhaupt nicht berücksichtigt; Pferdewetten sind zudem hierzulande anders geregelt als Sportwetten.

Wie schon in der Vergangenheit stellt der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung deutlich heraus, dass Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung der für das Monopol herangezogenen Ziele – wie in Portugal der Betrugsbekämpfung – erforderlich ist. Ebenso dürfen staatliche Maßnahmen nicht diskriminierend sein. In diesem Zusammenhang erinnert der EuGH daran, dass die nationale Regelung des Glücksspielmarktes geeignet sein muss, diese Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen.

"Gerade das trifft in Deutschland nicht zu. Die unverhältnismäßige Benachteiligung gewerblicher Lottovermittler in Deutschland muss daher aufhören. Auch dass man deutsches Lotto im Internet verbieten muss, ist durch dieses Urteil eindeutig widerlegt", so Norman Faber, Präsident des Deutschen Lottoverbandes. "Das heutige Urteil bringt aufgrund der Besonderheiten des zugrunde liegenden Sachverhalts keine Klärung für das deutsche Rechtschaos. Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH bei den gegen Deutschland anhängigen Verfahren entscheidet."

Das deutsche und das portugiesische Glücksspielwesen unterscheiden sich grundlegend. Bei der Vermittlung der staatlich veranstalteten deutschen Lotterien besteht nicht die vom EuGH herangezogene Betrugsgefahr durch Manipulationsmöglichkeiten. Weder die Ziehung der Lottozahlen noch die Klassenlotterie-Ziehungen sind manipulierbar. Lottoannahmestellen, Lotterieeinnehmer und gewerbliche Spielvermittler treten lediglich als Vermittler des staatlichen Angebots auf.

In Deutschland sind durch den Glücksspielstaatsvertrag erfolgreiche und überwiegend im Internet tätige gewerbliche Spielvermittler zur Einstellung, Umstellung ihres Geschäfts gezwungen oder ins europäische Ausland vertrieben worden. Tausende Lotto-Annahmestellen sind in ihrer Existenz bedroht. In Folge des Internetverbotes sowie durch Werbeverbote und weitere Vertriebsbeschränkungen, die der Glücksspielstaatsvertrag bedingt, sind die Lottoumsätze der Bundesländer in den letzten Monaten dramatisch zurückgegangen. Der Glücksspielstaatsvertrag tritt regulär erst Ende 2011 außer Kraft. Bis dahin werden sich die Umsatzverluste bei den staatlich veranstalteten Glücksspielen in Deutschland auf 13,8 Mrd. Euro summiert haben, selbst wenn die Umsätze in 2010 und 2011 konstant bleiben sollten. Das würde insgesamt zu mindestens 6,2 Mrd. Euro weniger Steuern und Zweckabgaben in den ohnehin leeren Landeskassen führen. Ungeachtet des EuGH-Urteils, gibt es in der Politik inzwischen denn auch einen parteiübergreifenden Konsens, dass der Glücksspielstaatsvertrag dringend überarbeitet werden muss.

Über den Fall "Liga Portuguesa":
In der Rechtssache "Liga Portuguesa" (Rs. C-42/07) des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) geht es inhaltlich um die Vereinbarkeit eines nationalen Sportwettenmonopols mit Europarecht.

Klägerinnen in dem Ausgangsverfahren sind die portugiesische Fußballliga, Liga Portuguesa de Futebol Profissional (C.A/L.P.F.P), und ein zu dem börsenotierten bwin-Konzern gehörender, staatlich zugelassener Buchmacher aus Gibraltar. Entsprechend einem zwischen den Klägerinnen geschlossenen millionenschweren Sponsoringvertrag sollte die Fußballliga in bwin-Liga umbenannt werden. Beklagter ist das Departamento de Jogos da Santa Casa da Misericórdia de Lisboa, das als eine Art Glücksspielbehörde deswegen Bußgelder gegen die Klägerinnen verhängt hatte. Das mit der Sache befasste portugiesische Gericht legte den Fall dem EuGH vor, da es das Monopol für nicht mit dem höherrangigen Europarecht vereinbar hielt.

Der EuGH fragte die Beteiligten bei der Verhandlung am 29.04.2008, ob ein nationales Monopol aus Gründen der Verbrechensbekämpfung gerechtfertigt werden könne oder ob man nicht mit einem alternativen System das gleiche Ziel erreichen könne. Auch stellte der Gerichtshof die Frage, ob ein monopolisiertes System für eine Art von Glücksspiel, wie etwa Wetten, gerechtfertigt sein könne, wenn es in diesem Mitgliedstaat für andere Arten, wie etwa Spielbanken, ein Konzessionssystem gebe. Der Berichterstatter des EuGH erkundigte sich darüber hinaus nach dem Notifizierungsverfahren bezüglich der gesetzlichen Regelung des Internetangebots.

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