Auch nach der EuGH-Urteilsserie zu den Rechtssachen Zenatti, Gambelli und Placanica sind viele Fragen zum grenzüberschreitenden Angebot von Sportwetten offen geblieben. Der Oberste Gerichtshof Italiens, Corta Suprema di Cassazione, hatte deswegen Ende letzten Jahres beschlossen, zwei weitere Verfahren zu Sportwetten dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vorzulegen. Die Dritte Strafkammer des Obersten Gerichtshofs hatte bei der Verhandlung am 11. November 2009 die Vereinbarkeit der italienischen Glücksspielregelungen mit Europarecht bezweifelt. So werde das grenzüberschreitende Angebot behindert und europarechtswidrig erteilte Konzessionen unzulässig geschützt. Diese Vorlagen werden vom EuGH als Rechtssachen C-72/10 („Costa“) und C-77/10 („Cifone“) geführt.
Zwei italienische Instanzgerichte sind nunmehr dieser Kritik gefolgt und haben ebenfalls zwei Fälle, denen Strafverfahren gegen Sportwettenvermittler zugrunde lagen, dem EuGH vorgelegt. Die Gerichte äußerten u. a. Zweifel an der Sanktionierung des grenzüberschreitenden Angebots (Konzessionsentzug und Verfall von Sicherheitsleistungen) und an Schutzmaßnahmen zugunsten der früher rechtswidrig erteilten Konzessionen und deren Inhaber. Die Vorlage des Tribunale di Roma wird vom EuGH als Rechtssache C-255/10 („Sacchi“) geführt, die Vorlage des Tribunale del Riesame die Verbania als Rechtssache C-270/10 („Minesi“).
Die vom EuGH zu beantwortende Vorlagefrage beider Gerichte lautet:
„Der Gerichtshof der Europäischen Union wird ersucht, sich zur Auslegung der Art. 43 EG und 49 EG in Bezug auf die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit im Bereich der Sportwetten, auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes des effektiven Rechtsschutzes, zu äußern, um festzustellen, ob die angeführten Bestimmungen des Vertrags eine nationale Regelung zulassen, die eine Monopolstellung zugunsten des Staates und ein System von Konzessionen und Erlaubnissen festlegt, und für eine bestimmte Anzahl von Konzessionsnehmern folgendes vorsieht: a) eine allgemeine Ausrichtung des Schutzes für die Inhaber von Konzessionen, die früher aufgrund eines Verfahrens erteilt wurden, das rechtswidrig einen Teil der Wirtschaftsteilnehmer ausschloss; b) die Geltung von Vorschriften, die praktisch die Aufrechterhaltung von Geschäftspositionen sicherstellen, die aufgrund eines Verfahrens erworben wurden, das rechtswidrig einen Teil der Wirtschaftsteilnehmer ausschloss (wie etwa das Verbot für neue Konzessionsnehmer, ihre Schalter näher als in der festgelegten Entfernung von einem bereits bestehenden Schalter zu eröffnen); c) die Festlegung von Tatbeständen des Konzessionsentzugs oder des Verfalls von Sicherheitsleistungen in erheblicher Höhe, darunter den Fall, dass der Konzessionsnehmer unmittelbar oder mittelbar grenzüberschreitenden Wetttätigkeiten nachgeht, die mit den konzessionierten vergleichbar sind.“