Donnerstag, 1. März 2007

Europäischer Gerichtshof verurteilt Griechenland wegen des Verbots elektronischer Spiele

Der Europäische Gerichtshof hat Griechenland mit Urteil vom 26. Oktober 2006 wegen des Verstoßes gegen die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit, gegen das Verbot der mengenmäßigen Beschränkung und gegen in mehreren EG-Richtlinien festgelegten Mitteilungspflichten verurteilt (Rs. C-65/05). Dem von der Europäischen Kommission Anfang 2005 eingebrachten Vertragsverletzungsverfahren lag ein von Griechenland beschlossenes Verbot für die Einrichtung und den Betrieb elektrischer, elektromechanischer und elektronischer Spiele (einschließlich Computerspiele) außerhalb von Spielcasinos zugrunde. Griechenland hatte mit dem am 20. Juli 2002 in Kraft getretenen Gesetz Nr. 3037/2002 ein entsprechendes Verbot erlassen, ohne die EU zu informieren.

Griechenland berief sich auf den Schutz der öffentlichen Sittlichkeit und der öffentlichen Ordnung sowie auf den Verbraucherschutz sowie den Schutz der Sozialordnung. Die zwischen 1996 und 2000 durchgeführten, weniger einschränkenden Maßnahmen seien nicht ausreichend gewesen, weshalb man sich für ein vollständiges Verbot für Standorte außerhalb von Spielcasinos entschlossen habe.

Der EuGH hielt dieses Verbot für eine Maßnahme gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen (Art. 28 EG). Diese Beschränkung sei nicht gerechtfertigt, da Griechenland nicht nachgewiesen habe, alle technischen und organisatorischen Maßnahmen durchgeführt zu haben, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger beschränkten (Rn. 39). Griechenland hätte sich insbesondere vergewissern können, dass diese Maßnahmen ordnungsgemäß und wirksam angewandt und/oder durchgeführt würden. Da bei den gegenständlichen Spielen kein Geldgewinn möglich sei, seien die Urteile Schindler und Läärä nicht anwendbar (Rn. 36).

Im Übrigen sieht der EuGH in dem griechischen Gesetz einen Verstoß gegen die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit. Es gäbe zwar keine auf Gemeinschaftsebene harmonisierten Vorschriften für diese Spiele. Die Mitgliedstaaten müssten jedoch ihre Befugnisse unter Beachtung der durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten ausüben. Durch das griechische Gesetz werde das Recht der Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten, sich zur Erbringung der fraglichen Dienstleistungen in Griechenland niederzulassen, erschwert oder gar unmöglich gemacht (Rn. 51 f.). Bei dem Betreiben von Spielautomaten handele es sich entsprechend des Anomar-Urteils um eine Dienstleistung im Sinne des EG-Vertrags. Auch bei über das Internet erbrachten Dienstleistungen der Informationsgesellschaft stelle jede Beschränkung dieser Tätigkeiten entsprechend dem Gambelli-Urteil eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar (Rn. 54). Hinsichtlich der fehlenden Rechtfertigung verweist der EuGH auf seine obigen Ausführungen, nach denen Griechenland nicht die Unwirksamkeit weniger beschränkender Maßnahmen nachgewiesen habe.

Zuletzt stellt der EuGH auch einen Verstoß gegen die in mehreren EG-Richtlinien Mitteilungspflichten vor. Griechenland hätte bereits im Entwurfsstadium über die geplante gesetzliche Neuregelung informieren müssen.

Kommentar:

Der Umstand, dass der EuGH nach Rücksprache mit dem Generalanwalt des EuGH ohne Schlussanträge entschieden hat, zeigt, dass der der Gerichtshof wenige rechtliche Probleme gesehen hat, sondern von vorneherein von einer offenkundigen Vertragsverletzung ausgeht. Dennoch ist die Entscheidung unabhängig von der Zitierung des Gambelli-Urteils für die Entwicklung der Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten interessant. Eine bloße Beschränkung der Möglichkeit für Unternehmer aus anderen Mitgliedstaaten, die betreffenden Dienstleistungen vor Ort (d.h. nicht über das Internet) anzubieten, stellt bereits einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit dar. Bei einem binnengrenzüberschreitenden Angebot über das Internet ist jede Einschränkung ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit. Auch macht der EuGH erneut klar, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Einschränkung der Grundfreiheiten bei dem beschränkenden Mitgliedstaat liegt. Dieser muss nachweisen, dass es keine anderen, weniger einschränkenden Maßnahmen gibt und dass er alle Maßnahmen durchgeführt hat, damit das von ihm angegeben Schutzziel erreicht werden kann. Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der einschränkenden Maßnahme trägt der Mitgliedstaat damit die volle Beweislast. Europarechtlich sicherlich nicht ausreichend ist es, lediglich etwa ein „Mindestmaß an Konsistenz“ ohne Angabe weiterer Beweismittel vorzutragen.

Im Übrigen macht der EuGH deutlich, dass nur bei Glücksspielen (mit höherem Gefährdungspotential im Vergleich zu Spielen ohne Gewinnmöglichkeit) europarechtlich ein Totalverbot denkbar ist. Im Übrigen gelten die normalen Regeln für den Binnenmarkt.

aus: Sportwettenrecht aktuell Nr. 52

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