Mittwoch, 30. September 2015

ARENDTS ANWÄLTE: Bayerischer Verfassungsgerichtshof erklärt Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags für verfassungswidrig

Grünwald, den 30. September 2015

Mit seiner heute zugestellten Entscheidung vom 25. September 2015 hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof über drei Popularklagen entschieden und Reglungen des Glücksspielstaatsvertrags 2012 (GlüStV) für nicht mit der Bayerischen Verfassung vereinbar erklärt (Az. Vf. 9-VII-13, Vf. 4-VII-14 und Vf. 10-VII-14).

So verstößt die Regelung, dass die in dem GlüStV bestimmte Zahl der Wettkonzessionen im Nachhinein durch einen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz (§ 4 a Abs. 3 Satz 2 GlüStV) abgeändert werden kann, gegen Verfassungsrecht. Diese Ermächtigung der Ministerpräsidentenkonferenz zu einer verbindlichen (Neu-)Festlegung der Zahl der zu vergebenden Konzessionen für Sportwetten verstoße gegen das bundes- und landesverfassungsrechtliche Gebot, dass es auch bei föderalem Zusammenwirken der Bundesländer möglich bleiben muss, einen außenwirksamen Hoheitsakt dem jeweiligen Land zuzurechnen, und ist daher mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) nicht vereinbar.

Die von der hessischen Landesregierung kürzlich vorgeschlagene Abschaffung der Maximalanzahl von 20 Sportwettenkonzessionen kann daher nicht durch einen Beschluss der Ministerpräsidenten erfolgen. Statt dieser Änderung „light“ wäre vielmehr eine Änderung des Glücksspielstaatsvertrags erforderlich (der alle Länderparlamente zustimmen müssten). 

Die vom Verfassungsgerichtshof festgestellte Verfassungswidrigkeit des § 4 a Abs. 3 Satz 2 GlüStV erfasst auch Art. 8 Nr. 5 Alt. 2 AGGlüStV, wonach die Zahl der Wettvermittlungsstellen durch Rechtsverordnung des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr erhöht oder gesenkt werden kann. Denn diese Regelung habe allein den Zweck, für den Fall eines Abänderungsbeschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz im Hinblick auf die Konzessionen eine unverzügliche Anpassung der Zahl der Wettvermittlungsstellen zu ermöglichen.

Ungeklärt bleibt dabei, ob die erhebliche sachliche Ungleichbehandlung mit den Vertriebsmöglichkeiten der bisherigen staatlichen Monopol-Glücksspielanbieter mit deutschem Verfassungsrecht und Unionsrecht vereinbar ist.

Auch die Ermächtigung des § 5 Abs. 4 GlüStV zum Erlass einer Werberichtlinie ist mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar. Die Regelung verstößt – wie schon die Vorschrift des § 4 a Abs. 3 Satz 2 GlüStV – gegen das aus dem Grundgesetz und aus der Bayerischen Verfassung abzuleitende Gebot, dass es auch bei föderaler Kooperation möglich sein muss, die von den Bundesländern im Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung erlassenen Hoheitsakte, soweit ihnen Außenwirkung zukommt, einem einzelnen Land und nicht bloß einer Ländergesamtheit zuzurechnen. Die im Amtsblatt veröffentlichte Werberichtlinie vom 17. Januar 2013 darf von bayerischen Organen nicht mehr angewandt werden.

Die mit den Popularklagen als grundsätzlich problematisch angegriffene Institution des Glücksspielkollegiums wurde vom Verfassungsgerichtshof dagegen als verfassungskonform beurteilt. Es sei verfassungsrechtlich hinnehmbar, dass ein einzelnes Bundesland gegenüber den (Mehrheits-)Entscheidungen des Glücksspielkollegiums kein Vetorecht besitze, weil es dabei nur um den administrativen Vollzug eines staatsvertraglichen Regelwerks gehe, bei dem keine Entscheidungen von erheblichem politischem Gewicht zu treffen seien. Diese Argumentation überrascht angesichts der erheblichen Entscheidungsbefugnis des Glücksspielkollegiums bei der Konzessionsvergabe (u.a. Rücksetzung des Verfahrens auf „Null“ im Herbst 2013 und Entscheidung über die weitere Teilnahme des staatlichen Anbieters ODS Oddset Deutschland Sportwetten GmbH) und bei der Ausgestaltung der Konzessionsbedingungen. Angesichts dessen kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Glücksspielkollegium „keinen glücksspielpolitischen Regulierungs- und Gestaltungsspielraum“ habe (so jedoch die Entscheidungsgründe, S. 86).

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Hinweis:

Die insbesondere auf Glücksspiel- und Wettrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei ARENDTS ANWÄLTE vertrat zwei der Popularkläger. 

Rechtsanwalt Martin Arendts vertritt in der EuGH-Vorlagesache Ince (Rs. C-336/14) die Angeklagte. In dieser Rechtssache wird der Generalanwalt des EuGH seine Schlussanträge in drei Wochen am 22. Oktober 2015 verkünden.

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