Verhandlungstermin: 29. April 2008
KVR 54/07
BKartA – B 10-92713- Kc-148/05 (WuW/E DE-V 1251)
OLG Düsseldorf – VI – Kart 15/06 (V) (WuW/E DE-R 2003)
Wettbewerbsbeschränkungen beim Lottovertrieb
Der Bundesgerichtshof hat erstmals in einem Hauptsacheverfahren zu überprüfen, ob das Regionalitätsprinzip (vgl. zur Entscheidung im Eilverfahren: Pressemitteilung Nr. 85/2007) und die Beschränkung der Tätigkeit gewerblicher Spielvermittler im staatlichen Lottovertrieb mit dem Kartellrecht vereinbar sind.
In Deutschland ist die Veranstaltung und Durchführung von Sportwetten und Lotterien bislang grundsätzlich den von den Bundesländern kontrollierten Lottogesellschaften vorbehalten. Die Lottogesellschaften haben sich im "Deutschen Lotto- und Totoblock" (DLTB) zusammengeschlossen und ihre Zusammenarbeit im sog. Blockvertrag geregelt. Nach § 2 des Blockvertrages dürfen die Lottogesellschaften Lotterien und Sportwetten nur innerhalb ihres jeweiligen Landesgebiets veranstalten (Regionalitätsprinzip). Entsprechend gestattete § 5 Abs. 3 des bisher geltenden Lotteriestaatsvertrages von 2004 den Lottogesellschaften die Veranstaltung und Durchführung von öffentlichen Glücksspielen in einem anderen Bundesland nur mit dessen Zustimmung.
§ 4 des sog. Regionalisierungsstaatsvertrags sieht vor, dass die von gewerblichen Spielvermittlern vermittelten Lotterieeinnahmen unter den Lottogesellschaften entsprechend den von diesen jeweils im Übrigen erzielten Spieleinsätzen verteilt werden.
Nachdem gewerbliche Spielvermittler dazu übergegangen waren, Spieleinsätze auch über Annahmestellen in Filialen großer Handelsunternehmen und Tankstellen entgegen zu nehmen, befasste sich der Rechtsausschuss des DLTB mit der Zulässigkeit dieses so genannten terrestrischen Vertriebs. Als Ergebnis der Beratungen hat der Rechtsausschuss die Lottogesellschaften aufgefordert, Umsätze, die – nach seiner Auffassung rechtswidrig - durch terrestrischen Vertrieb gewerblicher Vermittler erzielt worden sind, nicht anzunehmen.
Das Bundeskartellamt hat mit Beschluss vom 23. August 2006 die Beachtung des Regionalitätsprinzips als Verstoß gegen Art. 81 EG beanstandet. Es hat ferner festgestellt, dass die Aufforderung des Rechtsausschusses, Umsätze aus terrestrischem Vertrieb gewerblicher Vermittler nicht anzunehmen, gegen Art. 81 EG, § 1 GWB und gegen § 21 Abs. 1 GWB und Art. 82 EG verstößt. Dem DLTB und den Lottogesellschaften hat das Bundeskartellamt untersagt, Lottogesellschaften aufzufordern, durch terrestrische Vermittlung gewerblicher Spielvermittler erzielte Spielumsätze generell nicht anzunehmen. Den Lottogesellschaften hat es verboten, der entsprechenden Aufforderung des Rechtsausschusses nachzukommen. Ferner hat es den Lottogesellschaften untersagt, ihr jeweiliges Vertriebsgebiet in Beachtung von § 2 Blockvertrag und § 5 Abs. 3 Lotteriestaatsvertrag 2004 sowie der Landesgesetze zum Glücksspielwesen auf das Gebiet des Bundeslandes zu beschränken, in dem sie über eine Genehmigung für die von ihnen angebotenen Glücksspiele verfügen, und ihren Internetvertrieb aus diesem Grund auf Spielteilnehmer aus ihrem jeweiligen Bundesland zu beschränken. Schließlich hat das Bundeskartellamt die Verteilung der Einnahmen nach dem Regionalisierungsstaatsvertrag als Verstoß gegen Art. 81 EG beanstandet. Es hat den Lottogesellschaften u. a. untersagt, den Bundesländern die Höhe der von den gewerblichen Spielvermittlern stammenden Einnahmen zum Zweck der Regionalisierung mitzuteilen.
Das OLG Düsseldorf hat die gegen die Verfügung des Bundeskartellamts eingelegten Beschwerden mit Beschluss vom 8. Juni 2007 überwiegend zurückgewiesen. Allerdings hat es anerkannt, dass die Bundesländer aus ordnungsrechtlichen Gründen eine Tätigkeit von Lottogesellschaften anderer Bundesländer auch präventiv untersagen können.
Gegen den Beschluss des OLG Düsseldorf haben der DLTB und die betroffenen Lottogesellschaften Rechtsbeschwerde und das Bundeskartellamt Anschlussrechtsbeschwerde eingelegt. Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs wird hierüber am 29. April 2008 verhandeln. Er wird sich dabei gegebenenfalls auch mit dem neuen Staatsvertrag zum Glücksspielwesen zu befassen haben, der zum 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist (vgl. etwa LT NRW, Drucks. 14/4849). Dieser sieht in § 4 Abs. 4 ein Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet vor. Von einem Land erteilte Genehmigungen für die Veranstaltung oder Vermittlung von Glücksspielen gelten weiterhin nur für dessen Gebiet (§ 9 Abs. 4 Satz 1).
Quelle: BGH
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