Mittwoch, 19. Mai 2010

GIG: Glücksspielstaatsvertrag: Fortgesetzter Gesetzesbruch durch staatliche Lottogesellschaften

Deutscher Lotto- und Totoblock fordert Freibrief für Verstöße

19.05.2010 – Bernhard Brunner von der Staatlichen Lotterieverwaltung Bayern erlangt zunehmend Bekanntheit. Als Vorbote des Glücks und Herold des Geldsegens kündigt er der Öffentlichkeit seit Jahresbeginn riesige Höchstgewinne an und teilt mit, wo sich die Jackpotmillionen ergießen. Ab ca. 10 Millionen Euro heizen die staatlichen Lottogesellschaften auch auf www.lotto.de das Jackpotfieber an. Allein von Januar bis April 2010 beziehen sich 31 von 36 dort veröffentlichten Pressemitteilungen auf hohe Jackpots und Jackpotgewinne. Das wäre völlig in Ordnung, wenn es da nicht den Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) gäbe.

Der Staatsvertrag verbietet seit dem 1.1.2008 Werbung für öffentliches Glücksspiel nicht nur im Fernsehen, sondern auch im Internet. Doch selber will man sich nicht an das Werbeverbot halten. Unter www.lotto.de präsentieren die im Deutschen Lotto- und Totoblock (DLTB) zusammengeschlossenen staatlichen Lottogesellschaften ihre Lotterien und Sportwetten, deren Spielregeln und Gewinnpläne sowie die attraktiven Höchstgewinne und Image fördernde Zuwendungen an Sport, Wohlfahrt und Kultur. Das sei völlig legitim, da man doch nur über das staatliche Glücksspielangebot informiere und damit dem gesetzlichen Auftrag der Kanalisierung nachkomme, argumentiert der Lottoblock.

Allerdings akzeptierten die mit dieser Rechtsfrage beschäftigten Gerichte diese Rechtfertigung nicht. Die Oberlandesgerichte München, Oldenburg, Koblenz, Brandenburg, Frankfurt/Main, Hamm und das Kammergericht in Berlin machten bereits deutlich: Jede zur Absatzförderung geeignete Äußerung über Lotterien und Sportwetten erfüllt den Tatbestand der Werbung. Jackpotbanner, Darstellungen von Annahmestellen, virtuelle Spielscheine, Ankündigungen zu Mehrwochenspielscheine für die Urlaubszeit, Mitteilungen über neue Rubbellose oder Sonderauslosungen sind danach verboten. So wurde die Staatliche Lotterieverwaltung in Bayern unter ihrem Präsidenten Erwin Horak inzwischen mehrfach wegen schwerwiegender Verstöße gegen den GlüStV rechtskräftig verurteilt. Aber trotz dieser eindeutigen Urteile schreiten die staatlichen Glücksspielaufsichtsbehörden offensichtlich in keinem Bundesland gegen die Lottogesellschaften ein.

Ob Bernhard Brunner noch lange seine Glücksbotschaften über Internet verbreiten kann, erscheint dennoch fraglich. Denn jetzt beschäftigt sich das Landgericht Oldenburg mit der Website von lotto.de. In der mündlichen Verhandlung am 28. April 2010 machte das Gericht bereits unmissverständlich klar, dass es die beanstandeten Äußerungen als Werbung für öffentliches Glücksspiel ansehe (Az.: 5 O 927/08). Eine Entscheidung soll am 30.06.2010 verkündet werden.

Der DLTB bemüht sich derweil, das Glücksspiel- und Wettbewerbsrecht umzuschreiben. Die aktuelle Anhörung zur Evaluierung des Staatsvertrages wurde genutzt, um den zuständigen Politikern einen Forderungskatalog vorzulegen. Im Wesentlichen beanspruchen die staatlichen Lottogesellschaften für sich:

- Freigabe des Internetvertriebs ausschließlich für staatliche Veranstalter,
- auf das Werbeverhalten der Blockgesellschaften zugeschnittene Lockerungen der Werbebeschränkungen für das staatliche Glücksspielangebot und
- eine Bereichsausnahme vom Wettbewerbsrecht für die Blockgesellschaften, die sich durch die wettbewerbsrechtliche Kontrolle durch die staatlichen Gerichte und durch die regelmäßigen Verurteilungen wegen Verstoßes gegen glücksspielrechtliche Spieler- und Jugendschutzvorgaben und Werbebeschränkungen behindert fühlen.

Gleichzeitig sollen die Beschränkungen für gewerbliche Vermittler verschärft werden. Begründung: deren Angebote seien zwangsläufig schädlich und Spielsucht gefährdend.

Manche dieser Forderungen werden schon an der fehlenden Gesetzgebungszuständigkeit der Länder scheitern. Zu den gänzlich unrealistischen Forderungen des Lottoblocks gehört deshalb u.a. auch die Verstaatlichung der Automatenwirtschaft. All das zielt darauf, die Lottogesellschaften im Rahmen der für 2012 anstehenden Neuregelung des Glücksspielbereichs von ganzen Teilen der Rechtsordnung, vor allem des Bundesrechts freizustellen und ihnen quasi rechtsfreie, von jeder gerichtlichen Kontrolle befreite Räume zu eröffnen. Das ist nicht nur völlig absurd, sondern würde die bestehenden Probleme im Glücksspielbereich noch verschärfen.

GIG – Verband für Gewerbetreibende im Glücksspielwesen e.V.
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