von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
Mit seinem am 6. März 2007 verkündeten Placanica-Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Bestrafung des binnengrenzüberschreitenden Angebots von Sportwetten für unzulässig erklärt und den Mitgliedstaaten damit klare Schranken aufgezeigt. Zahlreiche Fragen sind allerdings noch offen geblieben. Neben mehreren, bereits seit einiger Zeit anhängigen Sportwettenverfahren aus Italien, einer ersten Vorlage aus Deutschland zur Rechtsmäßigkeit der Suspendierung der Grundfreiheiten (Rechtssache C-409/06 – Winner Wetten) muss der EuGH nunmehr auch Vorlagefragen aus Portugal (Rechtssache C-42/07) und Deutschland zur Zulässigkeit eines Monopols bei Sportwetten entscheiden.
1. Vorlage durch das Strafgericht Porto
Ein portugiesisches Gericht, das Tribunal de Pequena Instância Criminal do Porto, legte kürzlich einen Sportwettenfall dem EuGH vor. Klägerinnen in dem Ausgangsverfahren sind die portugiesische Fußballliga, Liga Portuguesa de Futebol Profissional (C.A/L.P.F.P), und Baw International Ltd (ein zum bwin-Konzern gehörender Buchmacher). Beklagter ist das Departamento de Jogos da Santa Casa da Misericórdia de Lisboa. Der bisherige Monopolanbieter Santa Casa hatte versucht, einen Sponsorenvertrag des Buchmachers mit der Fußballliga (mit einem Wert von bis zu 10 Millionen EUR über die nächsten vier Jahre) für unwirksam erklären zu lassen. Dagegen wandten sich die Vertragspartner und beriefen sich insbesondere auf Europarecht.
Das Gericht aus Porto legte dem EuGH folgende Vorlagefragen vor:
1. Stellt die Exklusivregelung zugunsten von Santa Casa da Misericórdia de Lisboa, wenn sie auf Baw International Ltd, d. h. einen Dienstleister, der in einem anderen Mitgliedstaat, in dem er rechtmäßig entsprechende Dienstleistungen erbringt, niedergelassen ist und keine Betriebsstätte in Portugal hat, angewandt wird, eine Behinderung des freien Dienstleistungsverkehrs unter Verstoß gegen die Grundsätze der Dienstleistungs-, der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß den Art. 49, 43 und 56 des EG-Vertrags dar?
2. Stehen das Gemeinschaftsrecht und insbesondere die erwähnten Grundsätze einer nationalen Regelung wie der hier fraglichen entgegen, die hinsichtlich des kommerziellen Betriebs von Lotterien und Wetten einerseits eine Exklusivregelung
zugunsten einer einzigen Einrichtung errichtet und diese Regelung andererseits auf das „gesamte Staatsgebiet einschließlich … des Internets“ ausdehnt?
Zum einen ist interessant, dass der EuGH nunmehr auch die Kapitalverkehrfreiheit bei dem binnengrenzüberschreitenden Angebot von Sportwetten zu entscheiden hat, da zahlreiche Mitgliedstaaten Zahlungsflüsse an Buchmacher und Glücksspielanbieter einschränken oder gar ganz verbieten wollen. Zum anderen bezieht sich die zweite Vorlagefrage ausdrücklich auf das Angebot über das Internet. Mehrere Mitgliedstaaten versuchen, dass Online-Angebot von Sportwetten durch in anderen Mitgliedstaaten zugelassene Buchmacher zu verhindern. So gibt es Pläne, entsprechende Webseiten zu sperren. Der EuGH wird daher über eine Ausweitung des Monopols auf das Internet zu befinden haben.
2. Vorlage durch das Verwaltungsgericht Gießen
Das Verwaltungsgericht Gießen hat mit Beschluss vom 7. Mai 2007 zwei Fragen zur Zulässigkeit des staatlichen Monopols für Sportwetten dem EuGH vorgelegt (Az. 10 E 13/07). Diese betreffen die Kohärenz der Glücksspielregelung in Deutschland und die Frage der Anerkennung einer einem Buchmacher in einem anderen Mitgliedstaat erteilten behördlichen Genehmigung.
Der EuGH muss hierbei im Wege des Vorlageverfahrens nach § 234 EG-Vertrag zwei Fragen klären. Zum einen hat er zu entscheiden, ob das Sportwettmonopol schon deshalb als gemeinschaftsrechtswidrig anzusehen ist, weil die Behörden zur Teilnahme an Lotterien ermuntern und andere Glücksspiele mit gleichem oder mutmaßlich höherem Gefährdungspotential wie Pferdewetten, Spielautomaten und Casinos durch private Unternehmen angeboten werden dürfen. Zum anderen ist zu klären, ob Veranstalter aus anderen EG-Mitgliedstaaten ihre Dienstleistungen auf der Grundlage ihrer ausländischen Konzessionen in Deutschland anbieten dürfen, weil ein den EG-rechtlichen Anforderungen genügendes Zulassungsverfahren in Deutschland nicht vorgesehen ist.
Der EuGH hatte in der bisherigen Rechtsprechung immer eine kohärente und konsistente Regelung für Glücksspiele gefordert. Ansonsten sei eine Einschränkung des binnengrenzüberschreitenden Angebots nicht gerechtfertigt. In Deutschland versuchte man allerdings teilweise, diese Anforderung nur auf einzelne Glücksspielformen zu begrenzen, um andere Formen weiterhin massiv bewerben zu können. Dies haben zahlreiche Gerichte, wie etwa das Verwaltungsgericht München, bislang schon für unzutreffend gehalten. Der EuGH wird daher noch weitere Ausführungen zu seinem „consistency test“ bei der Überprüfung der Kohärenz der nationalen Regelung machen müssen.
Auch wird er die im Placanica-Urteil noch offen gebliebene Frage der Anerkennung einer behördlichen Genehmigung aus einem anderen Mitgliedstaat abschließend klären. Der Generalanwalt war zwar in seinen Schlussanträgen davon ausgegangen, dass eine Kontrolle im Herkunftsland ausreichend sei. Der EuGH musste allerdings nicht mehr darauf eingehen, da er die italienischen Regelungen bereits für nicht gerechtfertigt hielt.
aus: Sportwettenrecht aktuell Nr. 79
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