zur Anhörung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 21. März 2012 zum Antrag der Fraktion der SPD "Glücksspielsucht bekämpfen" (BT-Drs. 17/6338)
1. Die gewerbliche Unterhaltungsautomatenwirtschaft arbeitet seit Anfang der 50er Jahre auf gesicherter, gewerberechtlicher Grundlage. Die über 5.000 Unternehmen des Gewerbezweiges sind mittelständisch strukturiert. Die Branche stellt und sichert über 70.000 moderne Arbeitsplätze, davon ca. 75 % für weibliche Beschäftigte. Hinzu kommen noch einmal ca. 35.000 indirekt Beschäftigte. Seit 2008 gibt es zwei eigenständige automatenspezifische Ausbildungsberufe. Die Unternehmen der Unterhaltungsautomatenwirtschaft entrichten ca. 1,5 Mrd. Euro Steuern und Sozialabgaben, davon rund 440 Mio. Euro kommunale Vergnügungssteuern (2011).
2. Das gewerbliche Geld-Gewinnspiel wird insbesondere durch die Gewerbeordnung (GewO) sowie die durch die auf ihrer Grundlage ergangene Spielverordnung (SpielV) näher ausgestaltet und begrenzt. Letztmalig wurde die SpielV zum 01. Januar 2006 geändert. Gemäß Beschlussfassung der Wirtschaftsministerkonferenz vom 17./18. Mai 2000 war es wesentliches Ziel der Änderung, der Unterhaltungsautomatenwirtschaft Perspektiven zu geben, um den Wettbewerb mit dem öffentlichrechtlichen Spiel und dem Spiel im Internet bestehen zu können. Die 5. Verordnung zur Änderung der SpielV brachte schnellere Spielabläufe, die größere Aufmerksamkeit erfordern, wodurch die gleichzeitige Bespielung von mehreren Geld-Gewinn-Spiel-Geräten (GGSG) von durchschnittlich 2,6 Geräten auf durchschnittlich 1,4 Geräte zurückgegangen ist. Gleichzeitig hat sich der Spieleraufwand pro Stunde von durchschnittlich 22,50 Euro auf 10,89 Euro pro Stunde mehr als halbiert. Bei der Mehrfachbespielung von durchschnittlich 2,6 Geräten wurden bis 2005 pro Stunde ca. 60,00 Euro aufgewendet (2,6 x 22,50 Euro). Seit 2006 sind es nur noch ca. 15,00 Euro (1,4 x 11,00 Euro). Das Spielvergnügen in Spielhallen ist dadurch im gleichen Zeitraum um den Faktor 4 preiswerter geworden.
3. Ende 2005 waren in Deutschland 183.000 GGSG sowie ca. 80.000 Fun Games aufgestellt (zusammen über 260.000 Geräte). Durch die am 01. Januar 2006 in Kraft getretene Änderung der SpielV wurden Fun Games, d.h. Unterhaltungsspielgeräte ohne Gewinnmöglichkeit mit Ausgabe von Weiterspielmarken, verboten. Die Fun Games, die nicht selten zum illegalen Spiel missbraucht wurden, mussten ohne Übergangszeit abgebaut werden. Als Teilkompensation wurde die zulässige Zahl maximal aufstellbarer Geräte in Spielhallen von 10 auf 12 und in Gaststätten von 2 auf 3 erhöht. Ende 2011 gab es in Deutschland 242.250 legal betriebene GGSG. Fun Games sind am Markt nicht mehr vorhanden. Die Zahl der GGSG Ende 2011 liegt noch unter der im Jahr 1995 mit damals 245.000 Geräten. Bei Umsatzvergleichen wird von Kritikern des gewerblichen Geld-Gewinn-Spiels der bis Ende 2005 auf Fun Games entfallende Umsatzanteil völlig ausgeblendet.
4. Die Behauptung, Spielbanken seien streng reguliert, Spielhallen dagegen nicht, stellt die Tatsachen auf den Kopf. Spielbanken und Spielhallen unterliegen unterschiedlichen Regelungskonzepten. In Spielbanken wird allein der Zugang kontrolliert. Gewinne, Verluste, Jackpots der Glücksspielautomaten und deren Anzahl pro Automatensaal sind dagegen völlig frei. Vermögensverschiebungen in beachtlicher Höhe in kurzer Zeit sind in Spielbanken in keiner Weise ausgeschlossen. Im Unterschied dazu unterliegt das gewerbliche Geld-Gewinnspiel einem gerätebezogenen Regelungskonzept. In Spielhallen und Gaststätten sind die Geräte streng reguliert: Die Einsätze betragen maximal 0,20 Euro pro 5 Sekunden und die Gewinne maximal 2,00 Euro. Nach einer Stunde legen die Geräte 5 Minuten Pause ein. Der maximale Stundenaufwand in einer einzelnen Stunde beträgt 80 Euro, die maximale Gewinnsumme pro Stunde 500 Euro. Der durchschnittliche Höchstaufwand je Stunde liegt bei 33 Euro; in der Praxis sind es durchschnittlich 10,89 Euro (5,00 bis 15,00 Euro). Vermögensverschiebungen in kurzer Zeit sind an Spielhallen- und Gaststättengeräten ausgeschlossen. Jedes Gerät hat eine Bauartzulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). Es dürfen nur maximal zwei Geräte nebeneinander mit einem Mindestabstand zur nächsten Gerätegruppe aufgestellt werden. Jackpots sind verboten. Ebenfalls, und zwar bereits seit 1985, ist Alkohol in Spielhallen verboten: Der Kopf beim Spielen soll klar sein!
5. Gemäß Evaluierungsbericht zur 5. Verordnung zur Änderung der SpielV wird dem Jugendschutz in Spielhallen vollumfänglich Rechnung getragen. Der Aufenthalt in Spielhallen und das Spiel an GGSG ist nur Personen über 18 Jahren gestattet. Dies wird in Zweifelsfällen kontrolliert. Um dies noch effektiver zu gestalten, rege ich ausdrücklich die Einführung einer Gerätefreischaltkarte zur weiteren Verbesserung des Jugend- und Spielerschutzes an. Die personenungebundene Gerätefreischaltkarte soll von dem in Fragen des Jugend- und Spielerschutzes geschulten Servicepersonal bzw. dem Gastwirt nach einer Gesichtskontrolle an den Spielgast ausgegeben werden. Sollten Zweifel an der Volljährigkeit oder Zuverlässigkeit des Gastes bestehen, wird bei jungen Menschen das Personal einen Altersnachweis verlangen. Eine personengebundene Spielerkarte ist nach Auffassung des hessischen Datenschutzbeauftragten, Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch, mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung unvereinbar. Hinzu käme ein nicht vertretbarer technischer, logistischer und auch kostenmäßiger Aufwand.
6. In gewerblichen Spielstätten sind als Präventionsmaßnahme zum Spielerschutz seit über 20 Jahren in die Frontscheiben aller über 200.000 in Gast- und Spielstätten aufgestellten GGSG unauswechselbar Piktogramme mit dem Hinweis eingedruckt, dass exzessives Spielen keine Lösung bei persönlichen Problemen ist. Die Formulierung wurde 1989 zusammen mit dem Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (damals dort zuständig: MinRat Dr. Rainer Scholz) entwickelt. Weiterhin beinhaltet das Piktogramm die Info-Telefonnummer 01801-372700. Diese ist bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) – einer nachgeordneten Behörde des Bundesgesundheitsministeriums – aufgeschaltet. Spieler, die sich durch ihr Spielverhalten krankhaft belastet fühlen, können mit einem geschulten Berater in Kontakt treten und erhalten Hinweise auf Hilfsangebote in der Region. Seit ca. 4 Jahren wird behauptet, 80 % der Spieler mit Problemen entfallen auf GGSG. Eine Bezugsgröße wird zumeist nicht genannt. Hierdurch werden hohe Belastungszahlen suggeriert. Zutreffend aber ist, dass insgesamt 72,6 % der bei ambulanten Beratungsstellen Rat suchenden Spieler auf GGSG entfallen. Dies sind bei insgesamt ca. 7.000 Personen gut 5.000 Ratsuchende. Von ca. 5 Mio. Stammgästen sind das nur 0,1 %. Die langjährigen Präventionsmaßnahmen zeigen Wirkung. Dies ist der Fluch der guten Tat!
7. Der Anteil pathologischer Spieler an der erwachsenen Bevölkerung wird für Deutschland in sechs großen Bevölkerungsstudien auf eine Spannweite von 0,19 bis 0,56 % (= ca. 100.000 bis 290.000 Personen) beziffert. Mehr als 99 % der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland spielen ohne Probleme. In Europa gehen die Werte bis 2,2 %. Deutschland liegt damit am unteren Ende des Spektrums. Der Spielerschutz in seiner Gesamtheit funktioniert! Der Umsatzanteil der gewerblichen Unterhaltungsautomatenwirtschaft am gesamten Glücks- und Gewinnspielmarkt liegt – bezogen auf die Bruttospielerträge (Kassen) – bei ca. 46 %. Der Anteil pathologischer Spieler am gewerblichen Geld-Gewinnspiel liegt nach Feststellung des Instituts für Therapieforschung bei rund 30 %6, nach anderen Untersuchungen etwas höher. Den überwiegenden Umsatzanteil, den pathologische Spieler aufwenden, verantworten also die Länder! Nach Feststellungen von Prof. Peren (Hochschule Bonn-Rhein-Sieg) kommen auf jeweils 100 Mio. Euro Ausgaben für das Online-Glücksspiel 6,67 % aller pathologischen Spieler. Bei Roulette und den Glücksspielautomaten in staatlichen Spielbanken sind es 2,56 %. Weit weniger gefährlich für ein pathologisches Spielverhalten sind Lotto und auch GGSG in Gaststätten und Spielhallen. Bei jeweils 100 Mio. Euro Ausgaben der Spieler entfallen beim Lotto nur 0,35 % und bei GGSG nur 0,9 % auf krankhafte Spieler.
8. Nachdrücklich wird die Absicht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) begrüßt, im Rahmen der aktuell diskutierten Änderung der SpielV die Manipulationssicherheit von GGSG durch die Vorlage von Gutachten einer vom Bundesamt für Informationstechnik anerkannten oder gleichwertigen Prüfstelle zu erhöhen. Zudem wird darauf hingewiesen, dass die Hersteller von GGSG das Fraunhofer Institut für Sichere Informationstechnologie, München, beauftragt haben, eine digitale Signatur zu entwickeln, um damit Steuermanipulationen noch umfassender als bisher ausschließen zu können. Die beabsichtigte Codierung des Kasseninhalts sollte zusätzlich verpflichtend in der SpielV vorgeschrieben werden.
9. Ausdrücklich befürworte ich die Absicht des BMWi, eine Ermächtigungsgrundlage zu schaffen, um eine „Schulung des Spielstättenpersonals“ sowie eine „Unterrichtung der Spielstättenbetreiber“ verbindlich vorzuschreiben. Dies ist eine nachhaltige Ergänzung der Bemühungen der Automatenwirtschaft um einen effektiven Jugend- und Spielerschutz. Auf freiwilliger Basis haben die Spitzenverbände der deutschen Unterhaltungsautomatenwirtschaft bereits eine Vereinbarung mit dem Caritasverband für das Erzbistum Berlin e.V. geschlossen. Seit Januar 2011 schult der Caritasverband bundesweit Mitarbeiter von Spielstätten, im Jahr 2011 waren es ca. 1.700 Mitarbeiter. Auch mit anderen Organisationen, z.B. der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart e. V. (eva), gibt es eine Zusammenarbeit. Ziel ist es, frühzeitig pathologisches Spielverhalten zu erkennen sowie Betroffene in regionale Hilfeeinrichtungen zu vermitteln. Spieler mit Problemen sollten nicht ausgesperrt werden wie bei den Spielbanken, sondern „an die Hand genommen werden“
10. Nur ein ausreichend dimensioniertes legales und flächendeckendes Glücks- und Gewinnspielangebot stellt sicher, dass das illegale Spiel nicht expandiert. Eine übermäßige Beschneidung des streng regulierten und kontrollierten gewerblichen Geld-Gewinnspiels hat zwangsläufig eine Abwanderung von Spielgästen zu unregulierten und unkontrollierten Spielangeboten zur Folge, insbesondere zum Glücksspiel im Internet. Dort besteht die Gefahr von unangemessen hohen Verlusten in kurzer Zeit. Eine soziale Kontrolle existiert dort nicht. In Deutschland gibt es über 30 Mio. private Haushalte mit Internetzugang. Hinzu kommen Smartphones und andere elektronische Geräte mit Internetzugang. Die Angebote sind rund um die Uhr verfügbar und im mehrfachen Sinne grenzenlos.
11. Beim gewerblichen Geld-Gewinnspiel gibt es kein Regelungsdefizit, sondern in einigen Großstädten, z.B. in Berlin, ein Vollzugsdefizit. Ich appelliere nachdrücklich an Länder und Kommunen, mit allen gesetzlich zulässigen Maßnahmen gegen das illegale Glücksspiel vorzugehen und zudem das existierende gewerbe- und bauplanungsrechtliche Instrumentarium auszuschöpfen. Die gewerbliche Unterhaltungsautomatenwirtschaft bekennt sich zum Rechtsstaat und fordert die Kontrolle der Einhaltung der vielfältigen, die Branche betreffenden gesetzlichen Bestimmungen nachdrücklich ein. Wir distanzieren uns vom illegalen Glücksspiel sowie auch vorhandenen schwarzen Schafen, die auf Kosten des Rufes der gesamten Branche ihr „Geschäft“ machen wollen! Gerade in modernen Unterhaltungszentren (vergleichbar mit Kino- und Sportzentren sowie Supermärkten) ist die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen ein äußerst wichtiger Faktor für erfolgreiche Wirtschaftstätigkeit.
Berlin, 14.03.2012
Quelle: AWI
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