Freitag, 21. Dezember 2007

Bayerischer Verfassungsgerichtshof lehnt Popularklage gegen Lotteriestaatsvertrag ab

Pressemitteilung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 21. Dezember 2007


Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 18. Dezember 2007 über eine Popularklage auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit

1. des § 14 des Staatsvertrags zum Lotteriewesen in Deutschland in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 2004 (GVBl S. 230, BayRS 2187-4-I),

2. des Staatsvertrags über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 2004 (GVBl S. 236, BayRS 2187-5-F)

I.

Gegenstand der Popularklage sind Regelungen zum Lotteriewesen in Deutschland. Der von allen Ländern geschlossene Lotteriestaatsvertrag enthält in § 14 Anforderungen an die gewerbliche Vermittlung von öffentlichen Glücksspielen mit Ausnahme der Spielbanken. Im Regionalisierungsstaatsvertrag wird die Verteilung der den Ländern zustehenden Lotterieeinnahmen mit dem Ziel geregelt, Einnahmeverschiebungen zwischen den Ländern aufgrund gewerblicher Spielvermittlung auszugleichen.

II.

1. Die Antragstellerin ist der Auffassung, § 14 Lotteriestaatsvertrag schränke die Berufsfreiheit der gewerblichen Spielvermittler unverhältnismäßig ein. Die Beschränkung der Werbemöglichkeiten und die Verpflichtung, mindestens zwei Drittel der von den Spielern vereinnahmten Beträge für die Teilnahme am Spiel an den Veranstalter weiterzuleiten, sowie verschiedene Offenlegungspflichten seien mit Gemeinwohlbelangen nicht zu rechtfertigen. Die Regelungen dienten nur vordergründig dem Schutz der Spielteilnehmer; letztlich sollten gewerbliche Spielvermittler vom Markt verdrängt und die Einnahmen des Staates gesichert werden. § 14 Lotteriestaatsvertrag sei auch deshalb nichtig, weil er durch höherrangiges Recht nicht gedeckt sei; es fehle an einer Regelungskompetenz des Landesgesetzgebers.

Der Regionalisierungsstaatsvertrag verfolge ebenfalls rein wirtschaftliche Ziele. Er schränke den Wettbewerb unzulässig ein und verstoße sowohl gegen Europäisches Recht wie auch gegen Bundesrecht.

2. Der Bayerische Landtag und die Bayerische Staatsregierung halten die Popularklage für unbegründet.

Der Schutz der Allgemeinheit vor den Gefahren des Glücksspiels sei ein überragendes Gemeinschaftsgut, das die in § 14 Abs. 2 Lotteriestaatsvertrag enthaltenen ordnungsrechtlichen Regelungen rechtfertige. Sie seien aufgrund des Inhalts und ihrer Zielsetzung dem Glücksspielrecht zuzuordnen, das als Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in die Zuständigkeit der Länder falle.

Der Regionalisierungsstaatsvertrag berühre nicht den Wesensgehalt der allgemeinen Handlungsfreiheit der gewerblichen Spielvermittler, sondern regle lediglich ein angemessenes, zweckmäßiges Verfahren zur Berechnung und Durchführung der Ausgleichszahlungen unter den Ländern. Ein offenkundiger, schwerwiegender Widerspruch zu höherrangigem Recht bestehe schon deshalb nicht, weil der Regionalisierungsstaatsvertrag als ordnungsrechtliche Maßnahme im Interesse der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sei.

III.

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat die Popularklage mit Entscheidung vom 18. Dezember 2007 als unbegründet abgewiesen. Die Regelungen zur gewerblichen Vermittlung von Glücksspielen in § 14 Abs. 2 Lotteriestaatsvertrag sowie zur Verteilung der Lotterieeinnahmen unter den Ländern im Regionalisierungsstaatsvertrag verstoßen nicht gegen die Bayerische Verfassung.

1. Die Popularklage ist zulässig.

Sie kann nur gegen Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts erhoben werden. Daher ist sie dahin auszulegen, dass sie sich gegen die Zustimmungsbeschlüsse des Bayerischen Landtags vom 17. Juni 2004 (GVBl S. 230, 236) zu den von der Antragstellerin beanstandeten staatsvertraglichen Bestimmungen richtet. Durch die Zustimmungsbeschlüsse des Bayerischen Landtags werden die Regelungen der Staatsverträge in bayerisches Landesrecht transformiert.

2. Die Popularklage ist jedoch unbegründet.

a) § 14 Abs. 2 Lotteriestaatsvertrag verletzt weder das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) noch das Grundrecht der Handlungsfreiheit (Art. 101 BV).

aa) Die Zustimmung des Landesgesetzgebers zu den Vorschriften über die gewerbliche Spielvermittlung verstößt nicht gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes. Die Regelungen in § 14 Abs. 2 Lotteriestaatsvertrag widersprechen nicht den Vorschriften des Bundesgesetzgebers z. B. im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.

Es ergeben sich auch keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit und der Widerspruchsfreiheit von Normen. Der Einwand der Antragstellerin, die aggressive Werbepraxis der staatlichen Lotteriegesellschaften stehe in Widerspruch zu der für gewerbliche Spielvermittler geltenden Beschränkung auf angemessene Werbemaßnahmen, führt nicht zur Verfassungswidrigkeit der Regelung. Diese ist in sich widerspruchsfrei, da die Veranstalter der gleichen Beschränkung unterliegen. Sie ist auch nicht zu unbestimmt. Durch die Bezugnahme auf § 1 Lotteriestaatsvertrag ergeben sich hinreichend deutliche Konturen für den Umfang der zulässigen Werbemaßnahmen.

bb) Das Grundrecht der Handlungsfreiheit, das den beruflichen und wirtschaftlichen Bereich mit umfasst, ist nicht verletzt. Den Regelungen in § 14 Abs. 2 Lotteriestaatsvertrag liegt mit der vom Gesetzgeber beabsichtigten Bekämpfung der Spielsucht ein besonders wichtiges Gemeinwohlziel zugrunde. Glücksspiele können nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung zu krankhaftem Suchtverhalten führen. Die Beschränkung der Werbemaßnahmen ist geeignet und erforderlich, die Spielsucht zu bekämpfen. Auch die Verpflichtung des gewerblichen Spielvermittlers, zwei Drittel der von den Spielern vereinnahmten Beträge zur Teilnahme am Spiel weiterzuleiten, stützt sich auf Belange des Gemeinwohls. Die Pflichten zur Offenlegung dienen dem Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften bei Glücksspielangeboten und vor Übervorteilung durch Täuschung über Gewinnchancen. Anhaltspunkte für unverhältnismäßige Eingriffe in die Rechte der Spielvermittler aus Art. 101 BV sind nicht erkennbar.

b) Auch der Regionalisierungsstaatsvertrag ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Zwar verstößt dieser Vertrag nach Auffassung des Bundeskartellamts gegen Europäisches Recht, weil er Einschränkungen des Wettbewerbs der Lottogesellschaften auf dem Markt für Lotterien und auf dem Nachfragemarkt für die Leistungen nach bundesweiter gewerblicher Spielvermittlung bewirke. Auch wenn diese Rechtsauffassung zugrunde gelegt wird, ist der Zustimmungsbeschluss des Bayerischen Landtags zum Regionalisierungsstaatsvertrag nicht verfassungswidrig. Für eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips der Bayerischen Verfassung, die im Popularklageverfahren alleiniger Prüfungsmaßstab ist, fehlt es bereits an einem offensichtlichen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften können die Mitgliedstaaten im Interesse des Gemeinwohls die Zulassung von Glücksspielen beschränken.

bb) Die Vorschriften des Regionalisierungsstaatsvertrags verstoßen nicht gegen das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 101 BV). Zwar wird hierdurch mittelbar die wirtschaftliche Betätigung der gewerblichen Spielvermittler beeinträchtigt. Die Einschränkungen sind aber mit Blick auf die verfolgten Gemeinwohlziele nicht unverhältnismäßig.

Mittwoch, 19. Dezember 2007

Tipp24 AG: Unternehmen geht von Fortsetzung des Internet-Geschäftes aus

Pressemitteilung der Tipp24 AG

Am 19. Dezember 2007 wurde bekannt, dass offenbar alle Länderparlamente dem Glücksspielstaatsvertrag zugestimmt haben. Dennoch sieht die Hamburger Tipp24 AG ihre geschäftliche Existenz nicht als gefährdet an: Das Unternehmen, Marktführer im Bereich der Vermittlung von staatlichen Lotterien im Internet, hält den Glückspielstaatsvertrag nach wie vor für eindeutig rechtswidrig und wird seine Rechte notfalls einklagen.

Der Staatsvertrag sieht vor, dass die Vermittlung von Lotterien im Internet unter Einhaltung von Restriktionen befristet auf ein Jahr erlaubt ist. Ab 2009 soll das Online- Geschäft mit dem zweifelhaften Argument einer hohen Suchtgefahr unter anderem bei Lotto und Klassenlotterien verboten werden.

Gutachten von namhaften Verfassungsrechtlern wie z.B. Prof. Dr. Bodo Pieroth oder Prof. Dr. Hermes bescheinigen dem Glücksspielstaatsvertrag, dass er gegen die deutsche Verfassung und europäisches Recht verstößt. Auch die EU und das Bundeskartellamt haben sich in diesem Sinne eindeutig positioniert. Jens Schumann, Vorstand und Gründer der Tipp24 AG: „Das staatliche Vorgehen in diesem Fall ist ein neuerliches Beispiel dafür, wie die Politik unter dem Deckmantel der Ordnungspolitik einseitig in die Marktwirtschaft eingreift. Erfolgreiche Unternehmen im staatlichen Lotterieumfeld sollen mit dem Argument des Schutzes der Bevölkerung vor Spielsucht ausgeschaltet werden. Wie ernst es dem Staat tatsächlich damit ist, kann man jeden Tag in Annahmestellen, Casinos und Spielhallen sehen, die weiterhin ungehemmt werben.“

Zum Mega-Jackpot in diesem Monat hat die Tipp24 AG wie auch die Annahmestellen einen sehr großen Ansturm auf ihr Lotto-Angebot erlebt, die Webseite www.tipp24.de verzeichnete zeitweise bis zu 30 mal mehr Kunden als zu einstelligen Jackpots. Schumann: „Dies zeigt einmal mehr die Attraktivität des Mediums Internet für den Bereich Lotto. Ein Verbot ist nicht zeitgemäß und bevormundet die Verbraucher.“