Mittwoch, 14. März 2007

EFTA-Gerichtshof bestätigt norwegisches Monopol für Glücksspielautomaten

Der EFTA-Gerichtshof hat mit Urteil vom 14. März 2007 eine Vertragsverletzungsklage gegen Norwegen abgewiesen (Rechtsache E-1/06). Die für die drei EFTA-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein zuständige EFTA-Überwachungsbehörde, das Pendant zu EU-Kommission, hatte am 13. März 2006 Klage eingereicht, nachdem die norwegische Regierung einer Entscheidung der Überwachungsbehörde nicht nachgekommen war (vgl. Sportwettenrecht aktuell Nr. 28).

Hintergrund des Verfahrens ist die Einführung eines Monopols für Glücksspielautomaten in Norwegen. Norwegen änderte 2003 sein Glücksspielrecht. Nur noch dem staatseigenen Unternehmen Norsk Tipping war es erlaubt, die ca. 10.000 Glücksspielgeräte als Monopolanbieter zu betreiben. Die EFTA-Überwachungsbehörde bezeichnete diese norwegische Regelung als in sich nicht konsistent und als nicht verhältnismäßig. Sie sei insbesondere nicht mit dem im Gambelli-Urteil festgelegten Konsistenz-Test in Einklang zu bringen und ziele lediglich darauf ab, weiter Einkünfte für humanitäre und gemeinnützige Zwecke zu erzielen.

Das Gericht folgte der Argumentation der Überwachungsbehörde, dass die Gambelli-Grundsätze nicht nur auf Sportwetten, sondern auch auf andere Glücksspielangebote anzuwenden seien (was allerdings nicht heißt, dass man bei Anwendung der europarechtlichen Kriterien zu dem gleichen rechtlichen Ergebnis kommt). Sämtliche Formen von Glücksspielen einschließlich Glücksspielautomaten seien eine wirtschaftliche Tätigkeit, auf die die Grundfreiheiten anwendbar seien (Rn. 25). Der Ausschluss privater Anbieter sei nach den Vorschriften über die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit zur beurteilen (Rn. 26), insbesondere da der Marktzugang verweigert werde (Rn. 27).

Maßgeblich war für den Gerichtshof daher die Frage, ob norwegische Regelung gerechtfertigt ist. Der die Grundfreiheiten einschränkende EFTA-Mitgliedstaat ist hierfür beweispflichtig (Rn. 31).

Der EFTA-Gerichtshof verweist zunächst darauf, dass mit der norwegischen Regelung die Verminderung von Einkünften für gemeinnützige Zwecke vermieden werden sollte. Dies allein sei kein zulässiger Rechtfertigungsgrund (Rn. 36). Auch die Reduzierung von Betriebsausgaben, so dass bei weniger Glücksspielaktivitäten der gleiche Betrag für humanitäre und gemeinnützige Zwecke generiert werde, könne ein Ausschließlichkeitssystem nicht legitimieren (Rn. 38). Letztlich geht der EFTA-Gerichtshof jedoch davon aus, dass die Bekämpfung der Glücksspielsucht und die Verhinderung von Straftaten als Ziele vorrangig sind und die Erzielung von Mitteln für gemeinnützige Zwecke nur nachrangig (Rn. 39 f.).

Anschließend weist das Gericht auf die Bedeutung des Konsistenz-Tests hin. Eine einschränkende Regelung, die sich auf anerkannte Rechtfertigungsgründe stützt, muss mit den anderen Maßnahmen konsistent sein (Rn. 43). Hinsichtlich der Bekämpfung der Glücksspielsucht bedeutet dies, dass Glücksspiele nicht besonders vermarktet werden dürfen, was die Gelegenheiten für Glückspiele erweitern könnte.

Auf den konkreten Fall angewandt bedeutet dies allerdings nach Ansicht des Gerichtshofs, dass zwischen den Glücksspielformen zu differenzieren ist. Es sei zu prüfen, ob in ähnlicher Weise Glücksspielsucht verursacht werde. Die Glücksspielsucht sei in Norwegen zeitgleich mit dem Anstieg von Glücksspielautomaten angestiegen. 81% der Anrufer, die sich an eine Hotline gewandt hatten, gaben Glücksspielautomaten als Problem an, während für Fussball- und Pferdewetten nur 7,7% bzw. 6,8% genannt wurden (Rn. 45). Andere Glücksspielformen, insbesondere Wetten, seien hinsichtlich ihrer Suchtgefahr daher nicht mit Glücksspielautomaten vergleichbar. Die Vermarktung und Entwicklung anderer Glücksspiele müsse daher bei der Konsistenzprüfung der Regelung von Glücksspielautomaten nicht berücksichtigt werden. Diese würden in Norwegen nicht beworben.

Abschließend prüft der Gerichtshof die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit, wobei er die einschlägige EuGH-Rechtsprechung zitiert (Urteile in den Rechtssachen Läära, Zenatti, Anomar, Gambelli, Lindman). Letztlich kommt es darauf an, ob die Einführung eines Monopols eine effektivere Umsetzung der anerkannten Rechtfertigungsgründe bewirkt als weniger einschränkende Maßnahmen (Rn. 49). Dies lehnt das Gericht bezüglich der als Grund vorgebrachten Geldwäsche und der Verhinderung von Veruntreuungen ab (Rn. 50). Es sei nicht erkennbar, dass ein Ausschließlichkeitsrecht für Norsk Tipping dies besser beherrschen könne. Auch Diebstahl und Vandalismus würden dadurch nicht reduziert. Allerdings sei die Folgekriminalität aufgrund von Glücksspielsucht bei dem Ziel der Bekämpfung von Glücksspielsucht zu berücksichtigen.

Die von der nationalen Gesetzgebung verfolgten öffentlichen Ziele seien als Ganzes zu berücksichtigen (Rn. 51 f.). Wahrscheinlich sei das Monopolsystem, für das sich Norwegen entschieden habe, bei der Umsetzung dieser Ziele insgesamt betrachtet effektiver. Es sei zu erwarten, dass die Glücksspielsucht damit besser bekämpft werden könne.

Kommentar: Der EFTA-Gerichtshof setzt die bisherige Linie des EuGH fort, die Einschränkung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit bei Glücksspielen (zu denen europarechtlich auch Sportwetten zählen) nach strikten Kriterien zu überprüfen. Die Prüfung nach diesen Kriterien kann allerdings zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, wie das vorliegende Urteil zeigt. Für die Berechtigung eines Monopols bei Glücksspielautomaten hält der EFTA-Gerichtshof in dem Urteil alleine die Bekämpfung der Glücksspielsucht für maßgeblich, wobei er deren besondere Suchtgefahr hervorhebt. Auch weist er darauf hin, dass Glücksspielautomaten in Norwegen nicht beworben werden. Er differenziert damit in der Entscheidung durchaus zu anderen Glücksspielformen mit einer deutlich geringeren Suchtgefahr. Die Berechtigung eines staatlichen Monopols für Wetten kann aus dieser Entscheidung damit nicht hergeleitet werden.

Der EFTA-Gerichtshof wird diese Abgrenzung in einer weiteren, unmittelbar bevorstehenden Entscheidung weiter herausarbeiten können. Der EFTA-Gerichtshof hat – wie berichtet (Sportwettenrecht aktuell Nr. 58) – am 31. Januar 2007 den Ladbrokes-Fall, eine ebenfalls aus Norwegen stammende Vorlagesache (Rechtssache E-3/06), verhandelt und wird bald erneut über die grundsätzliche Zulässigkeit eines staatlichen Monopols bei Wetten und Glücksspiele nach europäischem Recht entscheiden. Es bleibt spannend, ob der Gerichtshof hierbei noch klarer zwischen den in dem Vorlageverfahren u. a. genannten Pferdewetten und den im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Glücksspielautomaten differenziert.

aus: Sportwettenrecht aktuell Nr. 74

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