Samstag, 22. März 2014

Ende des Sportwetten-Konzessionierungsverfahrens nicht absehbar: Verwaltungsgerichtshof hebt Beschleunigungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden auf

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Der Hessische Verwaltungsgerichthof (VGH) hat einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden aufgehoben, mit dem dieses das hessische Innenministerium verpflichtet hatte, in dem bereits seit August 2012 laufenden Sportwetten-Konzessionierungsverfahren über den Antrag eines Antragstellers innerhalb von drei Monaten zu entscheiden (VG Wiesbaden, Beschluss vom 20. Dezember 2013, Az. 5 L 970/13.WI, siehe http://wettrecht.blogspot.de/2014/02/sportwetten-konzessionierungsverfahren.html). Der VGH ist der Beschwerde des Ministeriums gefolgt und hat die ebenfalls erhobene Beschwerde der staatlichen ODS Oddset Deutschland Sportwetten GmbH („ODS GmbH“) zurückgewiesen (Hess. VGH, Beschluss vom 11. März 2013, Az. 8 B 72/14).

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hatte festgestellt, dass der ODS GmbH eine noch längere Verfahrensdauer nicht zumutbar sei. Über den Antrag sei nicht in angemessener Zeit entschieden worden, ohne dass ein zureichender Grund dafür ersichtlich sei.

Dem folgt der VGH nicht. Die Antragstellerin ODS GmbH wolle gar keine Beschleunigung des Verfahrens, sondern vielmehr eine vorläufige Legalisierung oder Duldung ihrer gewerblichen Tätigkeit. Dieses Ziel erreiche die Antragstellerin nicht, wenn der Antragsgegner ohne inhaltliche Vorgaben zu einer Entscheidung über ihren Konzessionsantrag verpflichtet werde (Rn. 29). Die Verpflichtung zu einer Entscheidung binnen der vom Verwaltungsgericht festgelegten Frist würde zu einer Ablehnung des Konzessionsantrags führen, weil das Ministerium derzeit nicht alle für eine Konzessionserteilung erforderlichen Voraussetzungen als erfüllt ansehe. Es käme also absehbar weder zu einer vorläufigen noch zu einer endgültigen positiven Entscheidung für die Antragstellerin.

Die von der ODS GmbH mit ihrem Hauptantrag verfolgte behördliche Verfahrenshandlung, nämlich eine vorläufige Vorabentscheidung des Ministeriums im Verfahren der Konzessionserteilung, könne nicht zulässig durch eine einstweilige Anordnung (§ 123 VwGO) erreicht werden. Nach § 44a S. 1 VwGO könnten Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden (Rn. 32). Der Zweck der Vorschrift liegt nach Ansicht des VGH darin, die Sachentscheidung nicht durch Rechtsstreitigkeiten über Verfahrenshandlungen zu verzögern oder zu erschweren. Dagegen sprechende besondere Gründe, wie eine rechtlich selbständige Zwischenentscheidung, fehlten. Bisher sei auch eine der Antragstellerin nachteilige abschließende Entscheidung noch nicht ergangen. Als zulässiger Rechtsbehelf bleibe lediglich die Untätigkeitsklage.

Hinsichtlich der von der ODS GmbH hilfsweise angestrebten Duldung hat der VGH Zulässigkeitsbedenken. Jedenfalls fehle dem Ministerium die Passivlegitimation (d.h. es ist nicht der richtige Anspruchsgegner). Da die Antragstellerin (noch) keine Konzessionsnehmerin sei, seien die Voraussetzungen für die in § 9a Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 1 GlüStV geregelte bundesweite Zuständigkeit hessischer Behörden für die Glückspielaufsicht derzeit nicht gegeben (Rn. 35). Eine lediglich auf das Land Hessen bezogene Duldung strebe die ODS GmbH ersichtlich nicht an.

Kommentar: Ein Ende des Konzessionierungsverfahrens ist nicht absehbar. Die Situation ist mehr als verfahren. Das VG Wiesbaden hatte das Ministerium bereits kürzlich im Rahmen einer Untätigkeitsklage verpflichtet, über den Erlaubnisantrag der dortigen Klägerin (einer privaten Anbieterin) zu entscheiden, siehe http://wettrecht.blogspot.de/2014/02/sportwetten-konzessionierungsverfahren_11.html). Allerdings hatte das Gericht für eine „obergerichtliche Klärung“ die Berufung ausdrücklich zugelassen.

Interessant ist, dass das Hessische Innenministerium der von mehreren Landeslotteriegesellschaften getragenen staatlich ODS GmbH ausdrücklich bestätigt, gleich mehrere Mindestvoraussetzungen für eine Konzessionierung nicht zu erfüllen (wie der Darstellung des Sachverhalts durch den VGH zu entnehmen ist, Rn. 22). Trifft dies zu, wäre dies politisch eine Bankrotterklärung für das staatliche Glücksspielangebot.

Eine „Sonderrolle als staatlicher Wettanbieter“ hat das Ministerium nach den Angaben in der Entscheidung ausdrücklich abgelehnt. Nach dem zitierten Vortrag des Ministeriums kann gegen private Anbieter derzeit praktisch nicht vorgegangen werden. So seien wegen des bis zur Erteilung der Konzessionen fortbestehenden staatlichen Sportwettenmonopols die Erfolgsaussichten für ein Einschreiten seitens der zuständigen Aufsichtsbehörden als gering eingeschätzt worden, zumal das BVerwG und der EuGH das Monopol in Frage gestellt hätten (Rn. 24).

Eine weitere Klärung dürften die bevorstehenden Entscheidungen des EuGH und des EFTA-Gerichtshofs bringen. Der EuGH verhandelt am 2. April 2014 die Vorlage des BGH zur Kohärenz der deutschen Glücksspielregelungen. In einer weiteren, umfassenden Vorlagesache hat das Amtsgerichts Sonfthofen dem EuGH u.a. auch Fragen zu den europarechtlichen Anforderungen an ein Konzessionierungsverfahren gestellt, siehe http://wettrecht.blogspot.de/2014/03/neue-vorlage-den-eugh-zum-deutschen.html. Der EFTA-Gerichtshof entscheidet mehrere Vorabentscheidungsfragen zur Vergabe der Spielbankenkonzession in Liechtenstein, siehe http://wettrecht.blogspot.de/2013/11/eugh-und-efta-gerichtshof-klaren.html.

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