Donnerstag, 29. Januar 2015

EuGH: Neue Ausschreibung von Glücksspiel-Konzessionen in Italien europarechtskonform

Pressemitteilung des EuGH vom 22. Januar 2015

Das Unionsrecht steht der Durchführung einer neuen Ausschreibung in Italien, die im Bereich des Glücksspiels eine Verkürzung der Laufzeit der Konzessionen gegenüber der Laufzeit früher erteilter Konzessionen vorsieht, nicht entgegen


In Italien setzt die Veranstaltung von Glücksspielen, einschließlich der Annahme von Wetten, eine verwaltungsbehördliche Konzession sowie eine polizeiliche Genehmigung voraus. Im Jahr 1999 wurden die börsennotierten Kapitalgesellschaften von der damals durchgeführten Ausschreibung zur Vergabe von Konzessionen ausgeschlossen. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass der Ausschluss dieser Gesellschaften mit dem Unionsrecht unvereinbar war.

Zur Anpassung an die Anforderungen des Unionsrechts reformierte Italien den Glücksspielsektor im Jahr 2006 und, aufgrund eines weiteren Urteils des Gerichtshofs, im Jahr 2012.

Die Autonome Staatsmonopolverwaltung (Agenzia delle Dogane e dei Monopoli di Stato) führte daher im Jahr 2012 eine Ausschreibung zur Vergabe von 2 000 neuen Konzessionen durch.

Die britische Gesellschaft Stanley International Betting sowie ihre maltesische Tochtergesellschaft Stanleybet  Malta  (die  „Gesellschaften  Stanley“)  sind  in  Italien  seit  etwa  15  Jahren  durch „Datenübertragungszentren“ (CTD) tätig, die in öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten angesiedelt sind. Die CTD stellen den Spielern eine Datenverbindung zur Verfügung und leiten die Daten der
einzelnen Spiele an die Gesellschaften Stanley weiter. Sie verfügen weder über eine Konzession noch über eine polizeiliche Genehmigung. Dieses System war Gegenstand mehrerer Entscheidungen des Gerichtshofs.

Da  sich  die  Gesellschaften  Stanley  von  den  früheren,  in  den  Jahren  1999  und  2006 durchgeführten Ausschreibungen für ausgeschlossen hielten, beantragten sie die Nichtigerklärung der Ausschreibung des Jahres 2012 und die Durchführung einer neuen Ausschreibung. Sie rügten die Laufzeit der neuen Konzessionen (40 Monate), die deutlich unter jener der früher erteilten Konzessionen (zwischen neun und zwölf Jahren) liege, sowie den ausschließlichen Charakter der Vermarktung öffentlicher Glücksspielerzeugnisse und das Verbot der Weitergabe von Konzessionen. Diese restriktiven Voraussetzungen hätten ihnen angesichts der Sanktionen im Zusammenhang  mit  den  Gründen  für  den  Widerruf,  die  Aussetzung  und  den  Entzug  der Konzession (Verlust der Kaution und unentgeltliche Abtretung der Nutzung der materiellen und immateriellen Vermögensgegenstände) keine sinnvolle Teilnahme an der Ausschreibung ermöglicht.

Der in letzter Instanz angerufene Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) fragt den Gerichtshof, ob das Unionsrecht einer innerstaatlichen Regelung entgegensteht, die aufgrund einer Neuordnung des Systems zur Anpassung der Zeitpunkte, zu denen die unterschiedlichen Konzessionen ablaufen, die Durchführung einer Ausschreibung für Konzessionen vorsieht, deren Laufzeit gegenüber der früher erteilter Konzessionen kürzer ist.

In seinem Urteil vom heutigen Tag stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass sowohl der Widerruf und die Neuverteilung der alten Konzessionen als auch die Ausschreibung einer angemessenen Anzahl  neuer  Konzessionen  geeignete  Lösungen  bieten  können,  um  den  rechtswidrigen Ausschluss bestimmter Wirtschaftsteilnehmer zu beheben. Im Bereich des Glücksspiels, der nicht harmonisiert ist, sind die nationalen Behörden kraft ihres Ermessens berechtigt, zwischen diesen Lösungen zu wählen.

Der  Gerichtshof  betont,  dass  die  bereits  bestehenden  Konzessionäre  über  einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil verfügen, da sie ihre Tätigkeit einige Jahre früher als die rechtswidrig ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmer aufnehmen konnten; allerdings werden diesen bestehenden Konzessionären keine „zusätzlichen“ Wettbewerbsvorteile eingeräumt, da die in Rede stehenden Bestimmungen auch auf sie Anwendung finden. Außerdem können die Gesellschaften Stanley nicht wirklich als „neue Marktteilnehmer“ betrachtet werden, da sie, wenn auch ohne Konzession oder Genehmigung, ihre Tätigkeit in Italien seit ungefähr 15 Jahren ausüben. Darüber hinaus weisen die neuen Konzessionen zwar eine kürzere Laufzeit als die früheren auf, sind aber weniger belastend und in wirtschaftlicher Hinsicht weniger einschneidend.

Der Gerichtshof gelangt zu dem Schluss, dass die italienischen Rechtsvorschriften den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Effektivität entsprechen.

Der Gerichtshof erinnert daran, dass die Beschränkungen der Glücksspieltätigkeiten durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses (Verbraucherschutz, Betrugsvorbeugung und Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen) sowie zum Zweck  der  Kriminalitätsbekämpfung gerechtfertigt  sein können.  Der Bereich  des Glücksspiels gehört außerdem zu den Bereichen, in denen beträchtliche sittliche, religiöse und kulturelle Unterschiede  zwischen  den  Mitgliedstaaten  bestehen.  In  Ermangelung  einer  Harmonisierung durch die Union ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz dieser Interessen ergeben.

Der Gerichtshof stellt daher fest, dass in diesem speziellen Kontext die Neuordnung des Konzessionierungssystems durch eine Anpassung der Zeitpunkte, zu denen die Konzessionen ablaufen, zu einer kohärenten Verfolgung legitimer Ziele, zur Verminderung der Gelegenheit zum Glücksspiel oder der Bekämpfung der mit den Glücksspielen in Zusammenhang stehenden Straftaten beitragen kann und nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinausgeht.

Sollte sich künftig herausstellen, dass die italienischen Behörden die Anzahl der erteilten Konzessionen beschränken oder eine strengere Kontrolle der Tätigkeiten im Bereich des Glücksspiels ausüben wollen, würden derartige Maßnahmen erleichtert werden, wenn alle Konzessionen für die gleiche Laufzeit erteilt würden und gleichzeitig endeten.

Aus diesen Gründen stellt der Gerichtshof fest, dass das Unionsrecht dem nicht entgegensteht, dass Italien im Hinblick auf die Anpassung der Zeitpunkte, zu denen die verschiedenen Konzessionen ablaufen, eine neue Ausschreibung zur Vergabe von Konzessionen mit gegenüber der Laufzeit früher erteilter Konzessionen kürzerer Laufzeit durchführt.

Urteil in der Rechtssache C-463/13
Stanley International Betting Ltd u. a./Ministero dell'Economia e delle Finanze u. a.

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