Freitag, 9. Februar 2007

Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich: EU wirft Casinos Austria Verleitung Jugendlicher zum Glücksspiel und Ausländerdiskriminierung vor

In dem Mahnschreiben der EU-Kommssion zum österreichischen Glückspielgesetz, dem ersten Schritt in einem Vertragsverletzungsverfahren, erhebt EU-Binnenmarkt-Kommissar Charlie McCreevy schwere Vorwürfe gegen die Casinos Austria AG. Unter anderem kritisiert McCreevy bestimmte Marketingaktivitäten, die auf die junge Zielgruppe ausgerichtet zu sein scheinen. In dem elf Seiten umfassenden, an Außenministerin Ursula Plassnik adressierten Schreiben heißt es wörtlich: "Beispiele hier für sind die Zusammenarbeit mit einer führenden Schnellimbiß-Kette mit vielen jüngeren Gästen, Werbeaktionen, in denen Eintrittskarten eines bekannten Popmusikers verlost werden, das Sponsoring eines Cocktailmix-Wettbewerbs und einer Strandparty, Werbeaktionen auf Rave-Partys sowie Radiowerbung auf dem beliebtesten Sender der österreichischen Jugend." Dies sei besonders bedenklich, da "die Spielsuchtgefährdung junger Menschen in zahlreichen Studien nachgewiesen wurde".

Zudem vermutet McCreevy Ausländerdiskriminierung. Hintergrund: Casinos Austria wurde mehrfach von Spielsüchtigen auf Schadenersatz verklagt, weil ihre Sucht nicht erkannt und sie trotzdem zum Spiel zugelassen worden waren. Österreichische Gerichte haben Österreichern in mehreren Fällen Recht gegeben, während Bürger anderer EU-Staaten, die rund dreißig Prozent der Kunden stellen, ihre Verfahren ausnahmslos verloren hätten. In dem Schreiben heißt es: "Der Umstand, dass sich die Sorgfaltspflicht nur auf österreichische Staatsangehörige erstreckt, bedeutet geringeren Schutz für ausländische Besucher. (...) Eine derartige Regelung ist daher mit einer diskriminierenden Behandlung nicht-österreichischer Dienstleistungsempfänger aus der EU verbunden."

Im Übrigen vermutet die EU-Kommission ein Ausufern des illegalen Glücksspiels in Österreich. Sie geht davon aus, dass die Umsätzedes illegalen Glücksspiels mindestens genauso hoch sind wie die legal erwirtschafteten. "Was die Vorbeugung von Wirtschaftskriminalität und Geldwäsche angeht, hat die Kommission keine zulässigen Rechtfertigungsgründe ermitteln können, aus denen der österreichische Gesetzgeber eine Beschränkung aller grenzüberschreitenden Glücksspiele (...) für notwendig halten könnte", heißt es in dem Schreiben.

Auch Werbebeschränkungen nimmt McCreevy ins Visier: "Die Kommission hat erfahren, dass eine Reihe zugelassener Glücksspielbetreiber, die rechtmäßig in einem anderen Mitgliedsstaat niedergelassen sind, daran gehindert werden, in Österreich für ihre Dienstleistungen zu werben", heißt es in dem Schreiben. Mitunter würden "Anzeigenanbieter", also Print- und elektronische Medien, sogar von einer im Auftrag der Casinos Austria agierenden Anwaltskanzlei aufgefordert, ausländischen Glückspiel-Firmen keine Anzeigen zu verkaufen. Die Casinos hätten ihren Werbeaufwand seit 2001 hingegen verdoppelt.

McCreevy nimmt auch Stellung zu dem in den Erläuterungen zum Glücksspielgesetz von 1989 fest gehaltenen Ziel, aus dem Glücksspielmonopol möglichst hohe Erträge für den Staat zu erwirtschaften. Die Kommission erinnert daran, "dass Ziele rein wirtschaftlicher Art keine Beschränkung der Grundfreiheit, Dienstleistungen zu erbringen, rechtfertigen können."

Casinos Austria-Vorstand Dietmar Hoscher wies die Kritik in einem Gespräch mit dem Wirtschaftsmagazin FORMAT zurück: "Der Brief klingt teilweise, als wäre er aus Textbausteinen unserer Konkurrenten zusammen gestellt worden. Selbst wenn ein Verfahren daraus wird, heißt das noch lange nicht, dass das Monopol als solches fällt. Die Folge könnten auch eine Novellierung einzelner Gesetzespassagen sein." Hoscher zu den Details des Briefes: "Nachdem Jugendliche vom Glücksspiel ausgeschlossen sind, wäre es für uns völlig sinnlos, diese Zielgruppe zu bewerben." Die Schlechterstellung von Ausländern vor österreichischen Gerichten begründet er mit unterschiedlichen nationalen Datenschutzgesetzen. "Unsere einzige Möglichkeit wäre es, sie ganz vom Glücksspiel auszuschließen. Das wäre erst recht diskriminierend."

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