Freitag, 11. Mai 2007

Sportwetten: Bundespolitiker fordern Neuordnung nach Brüsseler Vorgaben

Der Deutsche Olympische SportBund (DOSB) berichtet heute wie folgt über die politische Debatte hinsichtlich einer Neuregelung des Sportwettenrechts:

Nach den Unions-Finanzexperten der Länder fordern nun auch Bundespolitiker die Neuordnung der Sportwetten nach europarechtlichen Vorgaben.

Abgeordnete des Deutschen Bundestags wollen verhindern, dass die Bundesländer den Entwurf des Staatsvertrags über das Glücksspielwesen endgültig unter Dach und Fach bringen, der bis 2011 das staatliche Sportwettenmonopol garantieren soll. Noch vor der Sommerpause wird sich wohl das Parlament, der Sportausschuss und das Plenum, mit diesem Zankapfel beschäftigen. Am Ende könnte es sogar möglich sein, dass der Bund die Regelung der Sportwetten an sich zieht.

EU-Kommission droht mit Klage

Die EU-Kommission, die das Monopol aufbrechen will, hat bereits mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gedroht. Brüssel hatte in den letzten Wochen erneut beanstandet, der gültige Glücksspiel-Staatsvertrag und auch die ab 1. Januar 2008 beabsichtigte Neufassung verstießen gegen Kernelemente des Europarechts. Knapp gesagt: Es dürfe keine Einschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der EU geben; das staatliche Monopol für Oddset, einem Angebot des Deutschen Lotto- und Totoblocks, sei rechtswidrig.

Die Bundesländer halten allerdings daran fest, das Wettmonopol im neuen Staatsvertrag fortzuschreiben, und weisen die Brüsseler Positionen zurück. „Man kann durchaus den Eindruck gewinnen, dass die Länder hier auf Zeit spielen“, kritisierte der Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestages, Dr. Peter Danckert, im Deutschlandfunk. „Die EU-Kommission hat in zwei Aufforderungsschreiben aus dem April 2006 und jetzt von Ende März 2007 grundsätzliche europarechtliche Bedenken mitgeteilt. Ich meine, die Länder nehmen dies nicht richtig ernst. Deshalb werden wir in naher Zukunft auf einen erheblichen Konflikt zusteuern: zwischen EU-Recht einerseits sowie Bundesrecht und Verabredung unter den Ländern andererseits.“

Sportausschuss-Vorsitzender Danckert will Überzeugungsarbeit leisten

Dr. Danckert weist darauf hin: Europarecht breche nun einmal Bundesrecht, und die Länder müssten verfassungstreu sein. Deshalb will er Bundesregierung, Parlament und die Länder an einen Tisch bringen und Überzeugungsarbeit leisten, dass der neue Staatsvertrag auch private Anbieter zulassen müsste. „Jetzt ist eine Entwicklung eingetreten, bei der wir Bundespolitiker nicht länger schweigen dürfen“, erklärte der SPD-Abgeordnete und mahnte Europarechtstreue an. „Die Schlachten, die im Moment geschlagen werden, sind doch nur Rückzugsgefechte. Ich glaube, dass wir sie eines Tages verlieren werden. Das hätte dann weitreichende negativen Folgen, auch für den Sport. Und deshalb sind wir auch gut beraten, wenn wir uns auf den Deutschen Fußball-Bund und die Deutsche Fußball-Liga zu bewegen und Veranstalterschutzrechte ins Visier nehmen. Ich will offen lassen, wo die urheberrechtlichen Schutzmöglichkeiten angedockt werden können. Aber wir müssen im Interesse der Vereine handeln. Und dann muss eine gerechte Verteilung der Mittel, die es aus diesen Lizenzen gibt, diskutiert und auch beschlossen werden.“

Nicht nur Brüssel, auch die faktische Situation spricht nach Dr. Danckerts Worten für eine Zulassung privater Anbieter: 2005 betrug der Umsatz auf dem deutschen Wettmarkt 3,6 Milliarden Euro. Oddset kam dabei nur auf 432 Millionen Euro. Tendenz: weiter fallend. Die noch illegalen Privaten zahlen keine Abgaben. Der SPD-Parlamentarier meint, „dass wir noch in der Lage sind, bei einem Kompromiss mit den privaten Anbietern auch durch Konzessionsabgaben, Lizenzgebühren oder Lenkungsabgaben einen ganz erheblichen Anteil der Überschüsse, die erwirtschaftet werden, für soziale Zwecke, Sport und Kultur abzweigen können. Es gibt durchaus die Bereitschaft, für den legalen Zutritt auf den deutschen Markt diese Eintrittsgebühren zu zahlen.“ Summa summarum wären dann sogar die Einnahmen des Sports höher als heute, weil dann alle Wetteinsätze mit der sozialpflichtigen Abgabe belegt werden könnten.

FDP-Abgeordneter Parr strebt Bundestagsdebatte an

Diese Initiative wird vom FDP-Bundestagsabgeordneten Detlef Parr, der bereits Anfang des Jahres einen Antrag auf Liberalisierung des Sportwettenmarktes in den Bundestag eingebracht hatte, unterstützt: „Es kann nicht sein, dass die EU-Kommission den Bund anschreibt, ihm erhebliche europarechtliche Bedenken zum Staatsvertrag vorhält, der Bund sich an die Länder wendet, die Länder dann dem Bund ein nicht haltbares Antwortschreiben praktisch diktieren, der Bund also als Treuhänder der Länder mit nicht stabilen Positionen auftritt. Hier muss nun der Bundesgesetzgeber eigeninitiativ tätig werden. Die Diskussion mit dem sturen Festhalten am Monopol, so wie sie zur Zeit läuft, fährt vor die Wand. Das müssen wir dringend aus der Bundesperspektive verhindern.“

„Sollten die Länder weiterhin „bockbeinig“ die von Brüssel geforderte Neuordnung verweigern, muss der Bund die Gesetzgebungskompetenz an sich ziehen und die Gestaltung der Sportwetten bundesrechtlich regeln“, fordert der FDP-Sportsprecher. „Wenn die Interessen der Länder nicht zukunftsfähig sind, müssen wir zum letzten Mittel greifen.“ Denkbar wäre auch, „Bundeszwang“ auszuüben, also den Ländern die klare Weisung zu erteilen, nicht mehr länger das Gemeinschaftsrecht der EU zu verletzen. Parr will durchsetzen, dass der Sportausschuss des Deutschen Bundestages hierüber am 13. Juni eine Debatte führt und sodann der Antrag, vielleicht sogar ein überfraktionelles Papier, im Plenum beraten wird.

Staatsrechtler Scholz schlägt bundesrechtliche Regelung vor

Der Staatsrechtler und ehemalige Bundesverteidigungsminister, Prof. Rupert Scholz, hat in einem jetzt veröffentlichten Gutachten ebenfalls eine bundesrechtliche Regelung vorgeschlagen. „Rechtstaatsächliche und rechtssystematische Aspekte“ sprächen dafür. Da es sich bei Veranstaltern und Vertreibern von Sportwetten um Gewerbetreibende handele, kämen landesrechtliche Regelungen genauso in Frage wie eine Bundeskompetenz, heißt es. Wenn es allerdings um die „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet oder um die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit“ gehe, seien bundesrechtliche Regelungen erlaubt - zumal die Staatsvertragsregelungen verfassungswidrig, zudem auch nicht europarechtskonform seien. Prof. Scholz: „Im Ergebnis ist festzustellen, dass für die nach der neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erforderlich gewordene gesetzliche Neuregelung des Rechts der Sportwetten eine Regelung durch den Bundesgesetzgeber im Vergleich zu Regelungen durch Landesgesetzgeber eindeutig zu bevorzugen ist.“

Noch ist allerdings in den Koalitionsfraktionen die Meinungsbildung vorherrschend, den Bundesländern freie Fahrt zu geben, das Glücksspiel-Monopol bis 2011 zu verlängern. Erst wenige Unions- und SPD-Parlamentarier wollen die Liberalisierung des Marktes, wie Brüssel es fordert, durchgesetzt wissen. Die Debatte ist allerdings nun eröffnet.

Quelle: www.dosb.de

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