Donnerstag, 5. Juni 2008

Die Vermittlung von Sportwetten an einen im EU-Ausland konzessionierten Wettanbieter ist verboten und kann untersagt werden

Pressemitteilung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs

Mit Beschluss vom 2. Juni 2008 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) in einem Eilverfahren der Beschwerde des Freistaates Bayern gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts München stattgegeben, mit dem einem privaten Wettbüro ermöglicht worden war, bis zu einer Entscheidung über seine Klage zunächst weiter Sportwetten an einen im EU-Ausland konzessionierten Wettanbieter zu vermitteln. Dem privaten Wettbüro aus dem Landkreis Erding war die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele gemäß den Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags in sofort vollziehbarer Weise untersagt worden. Der BayVGH hat nun entschieden, dass es bei dem gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug der Untersagung bleibt.

Nach dem Glücksspielstaatsvertrag besteht ein staatliches Monopol für Sportwetten; die Durchführung, Vermittlung und Veranstaltung durch private Anbieter ist generell untersagt. Zweifel wegen der Gültigkeit des Glücksspielstaatsvertrages in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung bestehen nach Ansicht des BayVGH nicht. Weder aus nationalem Verfassungs- noch aus Gemeinschaftsrecht seien solche Zweifel abzuleiten, da der Glücksspielstaatsvertrag - wie es das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil vom 18. März 2006 und der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Entscheidung vom 6. November 2003 in der Sache "Gambelli" verlangt haben - konsequent am Ziel der Bekämpfung der Spielsucht ausgerichtet sei.

Aus einzelnen Verstößen gegen den Glücksspielstaatsvertrag (z.B. der behaupteten unzulässigen Werbung durch staatliche Wettanbieter) könne jedenfalls nicht auf dessen Verfassungswidrigkeit geschlossen werden.

Nach der Rechtsprechung des EuGH stehe es den Mitgliedstaaten frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele und Wetten festzulegen und ein unterschiedlich hohes Schutzniveau zu bestimmen. Der Freistaat Bayern setze mit seiner Monopolregelung für Sportwetten eine widerspruchsfreie und systematische Politik zur Bekämpfung der Spielsucht normativ um. Die Liberalisierung des Sportwettenmarktes durch Zulassung privater Wettanbieter habe er im Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums zur Erreichung des legitimen Zwecks als weniger effektiv ansehen dürfen.

Gegen die Entscheidung im Eilverfahren gibt es kein Rechtsmittel.

(Bayer. Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 2.6.2008, Az. 10 CS 08.1102).

Sportzertifikate auf Fußball-EM

An der Börse Berlin werden Sportzertifikate der Wiener Emittentin Ex-tra Sportwetten AG gehandelt, mit denen man auf den Ausgang der Fußball-EM setzten kann. Es gibt Meisterzertifikate auf jedes der 16 teilnehmenden Länder, zudem ein Korb auf alle 15 nicht-deutschen Teilnehmerstaaten. Wird eines dieser 15 Länder Europameister, gibt es 100 Euro; gewinnt Deutschland den Titel, verfällt das Zertifikat wertlos. Bei den Zertifikaten auf einzelne Länder gilt ebenfalls: Das Zertifikat des Landes, das gewinnt, bringt dem Besitzer 100 Euro ein. Alle anderen Zertifikate verfallen wertlos. Skontroführer ist die Entry-Standard-notierte Tradegate AG.

Mittwoch, 4. Juni 2008

OLG München verbietet dem Freistaat Bayern unlautere Glücksspielwerbung

Staatliche Monopolanbieter verstoßen gegen Glücksspielstaatsvertrag

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG


Die Wettbewerbszentrale war zweitinstanzlich gegen den Freistaat Bayern erfolgreich, der über seine zum Deutschen Lotto- und Totoblock gehörende Staatliche Lotterieverwaltung im großen Umfang gewerblich Sportwetten und Glücksspiele anbietet. Das Oberlandesgericht (OLG) München untersagte dem Freistaat Bayern kürzlich in drei Fällen unlautere Werbung (Az. 29 W 1211/08 – nicht rechtskräftig).

Die von der Wettbewerbszentrale angegriffene Werbung, u. a. mit den Aussagen „Spiel mit“ und „Lotto … Aktueller Jackpott: ca. 18 Mio. €…“, stellt nach den Feststellungen des OLG die Höhe des bei der jeweils nächsten Ausspielung möglichen Gewinns unzulässig in den Vordergrund. Eine solche Werbung verstößt gegen § 5 Abs. 1 des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV). Nach dieser Vorschrift hat sich Werbung für öffentliches Glücksspiel zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel zu beschränken.

Rechtsanwalt Dr. Andreas Ottofülling von der Wettbewerbszentrale führte zu dieser Entscheidung aus: „Sie verdeutlicht, dass sich der Freistaat Bayern als Lotterieveranstalter nicht an die von ihm selbst aufgestellten Werbegrundsätze hält. Der Staat kann nicht auf der einen Seite das Lotteriemonopol mit dem Schutz der Bürger vor Spielsucht begründen und auf der anderen Seite selbst plakativ zur Teilnahme an Glücksspielen auffordern.“

Das Vorbringen der Behörden, dass die Landeslotteriegesellschaften ihre Werbung angesichts der Vorgaben durch das Bundesverfassungsgericht nachhaltig umgestellt und eingeschränkt hätten, ist angesichts dieser Entscheidung offenkundig nicht haltbar. Es besteht weiterhin nicht nur ein deutliches Regelungsdefizit (so zutreffend das VG Berlin), sondern auch ein gravierendes Vollzugsdefizit. Entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gibt es keine unabhängige Überwachung der staatlichen Anbieter, durch die das rechtwidrige Verhalten dieser Monopolanbieter effektiv kontrollieren werden könnte.

Die Entscheidungsgründe des OLG München sind nunmehr veröffentlicht worden (MD 2008, 709 ff.). Das Gericht führt darin zum unlauteren Werbeverhalten des Freistaats Bayern aus:

Die Zeitungsanzeige stellt die Höhe des bei der jeweils nächsten Ausspielung möglichen Gewinns blickfangmäßig in den Vordergrund. Andere Informationen als diesen die besondere Attraktivität der Spielteilnahme begründenden Umstand erwähnt sie nur in wesentlich kleinerer Schrift. Zwischen der plakativen Hervorhebung der Gewinnangabe und der im Schriftbild demgegenüber kaum in Erscheinung tretenden Erwähnung der Suchtgefahr und der geringen Gewinnwahrscheinlichkeit besteht ein eklatantes Missverhältnis. Die Unausgewogenheit der Anzeige, die sich aus der einseitigen Hervorhebung der Möglichkeit eines besonders hohen Gewinns ergibt, bewirkt einen gesteigerten Anreiz für die durch die Werbung angesprochenen Personen, an der Lotterie teilzunehmen. Der gem. § 5 I GlüStV gestattete informative und aufklärende Gehalt der Werbung tritt deutlich gegenüber deren Aufmachung als Reklame mit Anreiz zur Teilnahme zurück. Das verstößt gegen § 5 I, II S. 1 GlüStV.

Den beiden anderen angegriffenen Werbemaßnahmen (Werbetafel und Titelblattwerbung) kommt der verbotene Anreizcharakter in noch höherem Maße zu, da diese nicht einmal untergeordnete Hinweise auf gegen eine Spielteilnahme sprechende Umstände enthalten, sondern die attraktive Gewinnhöhe in Alleinstellung anführen. Sie stehen damit sogar im Widerspruch zu der Vorgabe in Nr. 2 der Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht (Anhang zum GIüStV), nach der eine Information über Höchstgewinne mit der Aufklärung über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust zu verbinden ist. (…)

Bei der Werbung auf dem Titelblatt des Magazins kommt hinzu, dass bei der Feststellung des maßgebenden Gesamteindrucks, den die Werbemaßnahme auf die angesprochenen Verkehrskreise macht, auch die übrige Gestaltung des Titelblatts - insbesondere der ebenfalls blickfangmäßig gestaltete Titel "Spiel mit" - zu berücksichtigen ist. Im Zusammenwirken mit diesem in der Befehlsform gehaltenen Titel kommt der Hervorhebung des möglichen Gewinns nicht nur eine zur Spielteilnahme anreizende, sondern auch eine ausdrücklich dazu auffordernde Wirkung zu.“


aus: Sportwettenrecht aktuell Nr. 105

Dienstag, 3. Juni 2008

Strafbarkeit unwahrer und irreführender Werbung mit Gewinnmitteilungen

Bundesgerichtshof entscheidet zur Strafbarkeit unwahrer und irreführender Werbung mit Gewinnmitteilungen und Geschenkversprechen im Versandhandel

Mit Urteil vom 14. Juni 2006 hat das Landgericht Mannheim drei Angeklagte wegen strafbarer Werbung (§ 16 Abs. 1 UWG) zu Freiheitsstrafen verurteilt und den Verfall von Wertersatz gegen sie und zwei nebenbeteiligte Gesellschaften angeordnet. Bei zwei anderen nebenbeteiligten Gesellschaften hat es von Verfallsanordnungen abgesehen.

Nach den Urteilsfeststellungen waren die Angeklagten für im Versandhandel tätige Unternehmen verantwortlich. Über ein System ausländischer Domizilgesellschaften veranlassten und organisierten sie die Versendung standardisierter Werbesendungen an Verbraucher, die mittels Adressdatenbanken personalisiert wurden und daher als persönliche Schreiben gestaltet waren. Die Sendungen, denen jeweils Warenkataloge beigefügt waren, enthielten unwahre und irreführende Gewinnmitteilungen und Geschenkversprechen. Die in den Sendungen bezeichneten Gewinne und Geschenke wurden nicht ausgekehrt. Denn die zugesagten Gewinne wurden nicht ausgezahlt; es fanden überhaupt keine Gewinnspiele statt. Die übersandten Geschenke waren nur "wertloser Plunder". Den Angeklagten kam es darauf an, mit den Werbemaßnahmen den Absatz der in den Katalogen angebotenen Waren zu fördern; der Kundenstamm bestand vorwiegend aus älteren Personen mit geringem Bildungsniveau.

Das Urteil war mit Revisionen sowohl der Angeklagten und zweier nebenbeteiligter Gesellschaften als auch der Staatsanwaltschaft angegriffen worden.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Verurteilung wegen strafbarer Werbung bestätigt und die Rechtsprechung zu diesem Straftatbestand präzisiert. Er hat dabei auch die Beurteilung des Landgerichts als zutreffend erachtet, dass die Angeklagten in der "Absicht" handelten, "den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen". Dieses subjektive Tatbestandsmerkmal war gegeben, auch wenn sich die unwahren und irreführenden Angaben nicht unmittelbar auf die Katalogwaren, sondern auf die Gewinnmitteilungen und Geschenkversprechen bezogen. Denn diese geldwerten Vorteile und die Katalogwaren stellten nach dem – für die rechtliche Bewertung maßgeblichen – Gesamteindruck der Werbesendungen insgesamt ein einheitliches "Angebot" im Sinne von § 16 Abs. 1 UWG dar: Die Geschenke sollte der Empfänger nur erhalten können, wenn er Waren im Mindestwert von 15,- € bestellte (rechtlicher Zusammenhang). Der Bundesgerichtshof hat insoweit ein vertraglich vereinbartes oder gesetzliches Rückgaberecht für bedeutungslos gehalten. Hinsichtlich der Gewinnmitteilungen fehlte ein solcher rechtlicher Zusammenhang. Der Bundesgerichtshof hat allerdings erstmals entschieden, dass auch dann ein einheitliches Gesamtangebot vorliegt, wenn die Entscheidung der Empfänger für die Warenbestellung von den Gewinnmitteilungen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten beeinflusst werden soll (wirtschaftlicher Zusammenhang). Dies war hier nach den Gesamtumständen der Fall. Insbesondere erfolgte die Gestaltung der Werbesendungen in der Weise, dass für den Empfänger der Eindruck entstehen sollte, durch einen Gewinn schon begünstigt worden zu sein; vor diesem Hintergrund erschien auch die Ware günstiger, weil der Kunde für sein Geld vermeintlich mehr erhielt als nur diese.

Der Bundesgerichtshof hat den Ausspruch über den Verfall teilweise aufgehoben und teilweise bestätigt. Mit ihren Revisionen beanstandete die Staatsanwaltschaft insbesondere zu Recht, dass sich das Landgericht – unter unzutreffender Berufung auf ein Urteil des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 2. Dezember 2005 (BGHSt 50, 299 – "Kölner Müllskandal") – gehindert sah, in Fallgestaltungen der hier gegebenen Art den Verfall über den (Netto)Gewinn hinaus auf den (Brutto)Erlös zu erstrecken. Eine nebenbeteiligte Gesellschaft hatte mit ihrer Revision insoweit Erfolg, als das Landgericht nicht geprüft hatte, ob Kunden Ansprüche aus unerlaubter Handlung gegen die Gesellschaft hatten, die der Anordnung des Verfalls vorgehen.

Urteil vom 30. Mai 2008 – 1 StR 166/07

Landgericht Mannheim – Entscheidung vom 14. Juni 2006 – 22 KLs 605 Js 27831/04

Karlsruhe, den 30. Mai 2008

§ 16 UWG. Strafbare Werbung. (1) Wer in der Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, durch unwahre Angaben irreführend wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.



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