Donnerstag, 13. April 2017

Vorlage an den EuGH in der Rechtssache Sporting Odds

Vorabentscheidungsersuchen des Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Ungarn), eingereicht am 3. Januar 2017 – Sporting Odds Limited/Nemzeti Adó- és Vámhivatal Központi Irányítása

(Rechtssache C-3/17)

Verfahrenssprache: Ungarisch

Vorlegendes Gericht

Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság

Parteien des Ausgangsverfahrens

Klägerin: Sporting Odds Limited

Beklagte: Nemzeti Adó- és Vámhivatal Központi Irányítása

Vorlagefragen

Sind Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden: AEUV), das Diskriminierungsverbot und das Erfordernis, dass die von einem Mitgliedstaat vorgenommene Begrenzung von Glücksspieltätigkeiten, deren gesetzliches Ziel dem Mitgliedstaat zufolge im Wesentlichen die Bekämpfung der Spielsucht und der Verbraucherschutz sein soll, in einer kohärenten und systematischen Weise erfolgen muss, dahin auszulegen, dass das nationale Monopol des Mitgliedstaates auf On- und Offline veranstaltete Sport- und Pferdewetten im Widerspruch zu ihnen steht, wenn im Übrigen in dem Mitgliedstaat seit der durch ihn vorgenommenen Neuordnung des Marktes private Anbieter andere Online- und Offline-Glücksspiele (Kasinospiele, Kartenspiele, Geldspielautomaten, Online-Kasinospiele und Online-Kartenspiele), die eine erhebliche Suchtgefahr in sich bergen, im Rahmen einer Konzession in Präsenzspielbanken veranstalten dürfen?

Sind Art. 56 AEUV, das Diskriminierungsverbot und das Erfordernis, dass die von einem Mitgliedstaat vorgenommene Begrenzung von Glücksspieltätigkeiten in einer kohärenten und systematischen Weise erfolgen muss, dahin auszulegen, dass ein Verstoß gegen diesen Artikel vorliegt und dieses Erfordernis nicht erfüllt ist, wenn sich feststellen lässt, dass die mit der Bekämpfung der Spielsucht und dem gesetzlichen Ziel des Verbraucherschutzes begründete Neuordnung der Marktstruktur in Wirklichkeit zur Folge hat oder bewirkt, dass seit der durch den Mitgliedstaat vorgenommenen Neuordnung des Marktes die Zahl der Spielbanken, die jährlichen Steuern auf Glücksspiele in Spielbanken, die in der staatlichen Haushaltsplanung vorgesehenen Einnahmen aus Gebühren für Spielbankkonzessionen, die von Spielern erworbenen Spielmarken und die zum Erwerb des Spielrechts an Geldspielautomaten erforderlichen Geldbeträge fortlaufend zunehmen?

Sind Art. 56 AEUV, das Diskriminierungsverbot und das Erfordernis, dass die von einem Mitgliedstaat vorgenommene Begrenzung von Glücksspieltätigkeiten in einer kohärenten und systematischen Weise erfolgen muss, dahin auszulegen, dass ein Verstoß gegen diesen Artikel vorliegt und dieses Erfordernis nicht erfüllt ist, wenn sich feststellen lässt, dass neben die im Wesentlichen mit der Bekämpfung der Spielsucht und dem gesetzlichen Ziel des Verbraucherschutzes begründete Einführung eines staatlichen Monopols und die zugelassene Veranstaltung von Glücksspielen durch private Anbieter das wirtschaftspolitische Ziel tritt, höhere Nettoeinnahmen aus den Spielen zu erzielen und in möglichst kurzer Zeit außerordentlich hohe Erträge auf dem Spielbankenmarkt zu generieren, um andere Ausgaben aus dem Staatshaushalt und öffentliche Aufgaben zu finanzieren?

Sind Art. 56 AEUV, das Diskriminierungsverbot und das Erfordernis, dass die von einem Mitgliedstaat vorgenommene Begrenzung von Glücksspieltätigkeiten in einer kohärenten und systematischen Weise erfolgen muss, dahin auszulegen, dass ein Verstoß gegen diesen Artikel vorliegt und dieses Erfordernis nicht erfüllt ist sowie eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Anbietern vorliegt, wenn sich feststellen lässt, dass der Mitgliedstaat – unter Berufung auf ein und denselben Grund der öffentlichen Ordnung – einige Online-Glücksspielangebote dem staatlichen Monopol vorbehält, während er den Zugang zu anderen Glücksspielangeboten ermöglicht, indem er eine steigende Zahl von Konzessionen vergibt?

Sind Art. 56 AEUV und das Diskriminierungsverbot dahin auszulegen, dass es mit ihnen unvereinbar ist, wenn ausschließlich Anbieter, die über eine Präsenzspielbank (mit Konzession) in Ungarn verfügen, eine Genehmigung für Online-Kasinospiele erhalten können, weshalb Anbieter, die nicht über eine Präsenzspielbank in Ungarn verfügen (einschließlich solcher Anbieter, die in einem anderen Mitgliedstaat über eine Präsenzspielbank verfügen), von Genehmigungen für Online-Kasinospiele ausgeschlossen sind?

Sind Art. 56 AEUV und das Diskriminierungsverbot dahin auszulegen, dass es zu ihnen im Widerspruch steht, wenn der Mitgliedstaat durch eine eventuelle Ausschreibung von Konzessionen für Präsenzspielbanken bzw. dadurch, dass er es zuverlässigen Glücksspielveranstaltern erlaubt, sich um eine Konzession für eine Präsenzspielbank zu bewerben, zwar die grundsätzliche Möglichkeit gewährleistet, dass jeder Anbieter, der die gesetzlichen Vorgaben erfüllt – auch solche, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind – eine Konzession für eine Präsenzspielbank und, wenn er eine solche besitzt, die Genehmigung für eine Online-Spielbank erhalten kann, der fragliche Mitgliedstaat aber keine öffentliche und transparente Ausschreibung der Vergabe von Konzessionen durchführt und der Anbieter in der Praxis auch nicht die Möglichkeit hat, eine Bewerbung abzugeben und die Behörden des Mitgliedstaats demgegenüber feststellen, dass der Anbieter widerrechtlich gehandelt habe, als er ohne Genehmigung tätig geworden sei, und gegen ihn eine als verwaltungsrechtlich eingestufte Sanktion verhängen?

Sind Art. 56 AEUV, das Diskriminierungsverbot und das Erfordernis, dass das Genehmigungsverfahren transparent, objektiv und öffentlich sein muss, dahin auszulegen, dass es zu ihnen im Widerspruch steht, wenn der Mitgliedstaat ein System zur Ausschreibung von Konzessionen für bestimmte Glückspielangebote schafft, aber gleichzeitig die Stelle, die über die Konzessionen entscheidet, anstatt die Konzessionen auszuschreiben, auch Konzessionsverträge mit einzelnen Personen abschließen kann, die als zuverlässige Glücksspielveranstalter eingestuft sind, statt allen Anbietern mit einer einzigen Ausschreibung zu ermöglichen, zu gleichen Bedingungen am Vergabeverfahren teilzunehmen?

Für den Fall, dass die siebte Frage zu verneinen ist und dass in dem betreffenden Mitgliedstaat unterschiedliche Verfahren für die Vergabe identischer Konzessionen geschaffen werden dürfen: Muss der Mitgliedstaat in Anwendung von Art. 56 AEUV unter Berücksichtigung des Erfordernisses, dass das Genehmigungsverfahren transparent, objektiv und öffentlich sein muss, und des Gleichbehandlungsgrundsatzes zur wirksamen Durchsetzung der Unionsvorschriften über die Grundfreiheiten die Gleichwertigkeit dieser Verfahren sicherstellen?

Hat es Einfluss auf die Antworten auf die sechste bis achte Frage, wenn gegen die Entscheidung über die Konzessionsvergabe weder im einen noch im anderen Fall eine gerichtliche Überprüfung oder ein anderer wirksamer Rechtsbehelf gewährleistet ist?

Sind Art. 56 AEUV, der in Art. 4 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union (im Folgenden: EUV) verankerte Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit sowie die institutionelle und Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten in Verbindung mit Art. 47 und 48 der Charta der Grundrechte (im Folgenden: Charta) sowie den sich daraus ergebenden Rechten auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle und auf Verteidigung dahin auszulegen, dass das mit der Sache befasste nationale Gericht bei der Prüfung der sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden unionsrechtlichen Anforderungen sowie der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgeschriebenen Begrenzung auch dann von Amts wegen eine Prüfung und eine Beweiserhebung anordnen und durchführen darf, wenn das nationale Verfahrensrecht des Mitgliedstaats ansonsten keine gesetzliche Befugnis hierzu verleiht?

Ist Art. 56 AEUV in Verbindung mit Art. 47 und 48 der Charta und den sich daraus ergebenden Rechten auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle und auf Verteidigung dahin auszulegen, dass das mit der Sache befasste nationale Gericht bei der Prüfung der sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden unionsrechtlichen Anforderungen sowie der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgeschriebenen Begrenzung die Beweislast nicht den von der Begrenzung betroffenen Anbietern auferlegen darf, sondern dass es dem Mitgliedstaat obliegt – konkret der staatlichen Behörde, die die in dem Rechtsstreit angefochtene Entscheidung erlassen hat –, die Vereinbarkeit der nationalen Regelung mit dem Unionsrecht sowie deren Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit darzulegen und zu beweisen, so dass in Ermangelung dessen automatisch feststeht, dass die nationale Regelung gegen das Unionsrecht verstößt?

Ist Art. 56 AEUV auch unter Berücksichtigung des in Art. 41 Abs. 1 der Charta verankerten Rechts auf ein faires Verfahren, des in ihrem Art. 41 Abs. 2 Buchst. a verankerten Rechts, gehört zu werden, und der in ihrem Art. 41 Abs. 2 Buchst. c verankerten Begründungspflicht sowie des in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit, aber auch der institutionellen und Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten dahin auszulegen, dass diese Vorgaben nicht erfüllt sind, wenn die mit der Sache befasste Behörde des Mitgliedstaats den Glücksspielveranstalter gemäß den Bestimmungen des nationalen Rechts weder über die Einleitung des Verfahrens zur Verhängung einer verwaltungsrechtlichen Sanktion unterrichtet noch später im Verlauf des Verwaltungsverfahrens seine Stellungnahme zur Vereinbarkeit der Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats mit dem Unionsrecht einholt und in einem Verfahren mit nur einer Instanz eine vom nationalem Recht als verwaltungsrechtlich eingestufte Sanktion verhängt, ohne in der Begründung ihrer Entscheidung diese Vereinbarkeit oder die sie untermauernden Beweise im Einzelnen darzulegen?

Sind unter Berücksichtigung von Art. 56 AEUV, der Art. 41 Abs. 1, Art. 41 Abs. 2 Buchst. a und c, Art. 47 und Art. 48 der Charta sowie der sich daraus ergebenden Rechte auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle und auf Verteidigung die in den genannten Artikeln vorgesehenen Anforderungen erfüllt, wenn der Glücksspielveranstalter die Unvereinbarkeit der nationalen Regelung mit dem Unionsrecht erstmals und ausschließlich vor dem nationalen Gericht geltend machen kann?

Kann Art. 56 AEUV bzw. die Pflicht der Mitgliedstaaten, Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit zu rechtfertigen/begründen, dahin ausgelegt werden, dass der Mitgliedstaat dieser Pflicht nicht genügt hat, wenn weder zum Zeitpunkt der Einführung der Beschränkung noch zum Zeitpunkt ihrer Überprüfung eine einschlägige Folgenabschätzung vorlag bzw. vorliegt, die die mit der Beschränkung verfolgten Zwecke der öffentlichen Ordnung untermauert?

Lässt sich unter Berücksichtigung des gesetzlichen Rahmens für die Höhe der zu verhängenden verwaltungsrechtlichen Sanktion, der Natur der mit der Sanktion belegten Tätigkeit, insbesondere der Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die Tätigkeit, sowie des repressiven Zwecks der Geldbuße auf der Grundlage der Art. 47 und 48 der Charta feststellen, dass die fragliche verwaltungsrechtliche Sanktion „Strafcharakter“ hat, und wirkt sich dieser Umstand auf die Antworten auf die elfte bis vierzehnte Frage aus?

Ist Art. 56 AEUV dahin auszulegen, dass das mit der Sache befasste Gericht, falls es aufgrund der Antworten auf die vorhergehenden Fragen feststellt, dass die Regelung und ihre Anwendung rechtswidrig sind, feststellen muss, dass auch die Sanktion, die auf der nicht mit Art. 56 AEUV im Einklang stehenden nationalen Regelung beruht, gegen Unionsrecht verstößt?
____________

Dienstag, 11. April 2017

Bundesverfassungsgericht: Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen landesrechtliche Einschränkungen für Spielhallen

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. April 2017

Beschluss vom 07. März 2017
1 BvR 1314/12, 1 BvR 1874/13, 1 BvR 1694/13, 1 BvR 1630/12

Die durch den Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag und landesrechtliche Vorschriften vorgenommenen Verschärfungen der Anforderungen an die Genehmigung und den Betrieb von Spielhallen sind verfassungsgemäß. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgericht mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden und die Verfassungsbeschwerden von vier Spielhallenbetreiberinnen aus Berlin, Bayern und dem Saarland zurückgewiesen.

Sachverhalt:

Die Befugnis zum Erlass von Gesetzen zum Recht der Spielhallen steht seit der Föderalismusreform im Jahre 2006 den Ländern zu. Der von den Ländern im Jahre 2008 geschlossene Glücksspielstaatsvertrag enthielt zunächst keine spezifischen Regelungen für Spielhallen, weshalb die vom Bund erlassenen Vorschriften zur Regulierung der Spielhallen weiter zur Anwendung kamen. Nachdem die Umsätze bei Spielautomaten außerhalb von Spielbanken deutlich gestiegen waren und Untersuchungen das erhebliche Gefahrenpotential des gewerblichen Automatenspiels belegten, verschärften die Länder im Jahr 2012 mit dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag die Anforderungen an die Genehmigung und den Betrieb von Spielhallen. Zur Regulierung des Spielhallensektors wurde insbesondere ein Verbundverbot eingeführt, nach dem eine Spielhalle mit weiteren Spielhallen nicht in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht sein darf. Zudem ist zwischen Spielhallen ein Mindestabstand einzuhalten (Abstandsgebot). Spielhallen, denen vor Erlass der neuen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags und der spielhallenbezogenen Landesgesetze bereits eine gewerberechtliche Erlaubnis erteilt worden war, müssen, um weiter betrieben werden zu können, die verschärften Anforderungen innerhalb bestimmter Übergangsfristen erfüllen.

Bereits im Jahre 2011 hatte das Land Berlin ein Spielhallengesetz erlassen, das ähnliche Regelungen wie der Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag enthält; daneben ist dort auch ein Abstandsgebot gegenüber Kinder- und Jugendeinrichtungen vorgesehen. Die zulässige Gerätehöchstzahl in Spielhallen wurde auf acht Geräte reduziert; weiterhin besteht eine Pflicht zur dauernden Anwesenheit einer Aufsichtsperson.

Die vier Beschwerdeführinnen sind Betreiberinnen von Spielhallen in Berlin, in Bayern und im Saarland. Mit ihren Verfassungsbeschwerden wenden sie sich gegen die landesgesetzlichen Vorschriften zur Regulierung des Spielhallensektors. Sie rügen im Wesentlichen die Verletzung ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und des Gleichheitssatzes (Art. 3 GG).

Wesentliche Erwägungen des Senats:

1. Die Verfassungsbeschwerden sind zum Teil bereits unzulässig. Die Beschwerdeführerinnen haben insoweit nicht hinreichend dargelegt, durch die von ihnen angegriffenen Vorschriften gegenwärtig und unmittelbar betroffen zu sein. Teilweise werden die Verfassungsbeschwerden zudem dem Subsidiaritätsgrundsatz und den gesetzlichen Begründungsanforderungen nicht gerecht.

2. Soweit zulässig, sind die Verfassungsbeschwerden unbegründet. Die angegriffenen Neuregelungen sind verfassungsgemäß.

a) Die Länder besitzen die ausschließliche Zuständigkeit für das Recht der Spielhallen, das die Befugnis zur Regelung der gewerberechtlichen Anforderungen an den Betrieb und die Zulassung von Spielhallen umfasst. Der Gesetzgebung des Bundes kommt aus dessen Zuständigkeit für das Bodenrecht und das Recht der öffentlichen Fürsorge keine Sperrwirkung zu.

b) Die angegriffenen Vorschriften zur Zulassung und zum Betrieb von Spielhallen greifen zwar in die Grundrechte der Beschwerdeführerinnen ein. Die Eingriffe sind aber gerechtfertigt.

aa) Das Verbundverbot und die Abstandsgebote sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Die Regelungen dienen mit der Vermeidung und Abwehr der vom Glücksspiel in Spielhallen ausgehenden Suchtgefahren und dem Schutz von Kindern und Jugendlichen einem besonders wichtigen Gemeinwohlziel. Zweck des Verbundverbots und des Abstandsgebots zu anderen Spielhallen ist die Begrenzung der Spielhallendichte und damit eine Beschränkung des Gesamtangebots an Spielhallen. Das Abstandsgebot zu Einrichtungen für Kinder und Jugendliche dient der möglichst frühzeitigen Vorbeugung von Spielsucht und soll einem Gewöhnungseffekt entgegenwirken. Diese Einschätzungen des Gesetzgebers sind nicht offensichtlich fehlerhaft.

Das Verbundverbot und die Abstandsgebote sind im Blick auf die unter staatlicher Beteiligung betriebenen Spielbanken hinreichend konsequent auf das legitime Ziel der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht ausgerichtet. Auch für Spielbanken sehen die Länder umfangreiche Spielerschutzvorschriften vor; zudem ist die Anzahl der Spielbanken in den Ländern gesetzlich begrenzt, wodurch sie aus dem Alltag herausgehoben sind. Die Länder haben jedoch auch in Zukunft dafür Sorge zu tragen, dass die Reduzierung der Zahl der Spielhallen nicht durch eine Ausweitung des Automatenspiels und eine Vermehrung der Standorte von Spielbanken konterkariert wird.

Verbundverbot und Abstandsgebote sind auch verhältnismäßig. Sie sind ein geeignetes Mittel zur Erreichung der vom Gesetzgeber verfolgten legitimen Gemeinwohlziele, da sie die Bekämpfung der Spielsucht jedenfalls fördern. Die Einschätzung der Geeignetheit durch die Gesetzgeber der Länder ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. So ist plausibel, dass gerade Mehrfachkomplexe durch die Vervielfachung des leicht verfügbaren Angebots zu einem verstärkten Spielanreiz führen. Mit dem Abstandsgebot wird eine Reduzierung der für die Ansiedelung von Spielhallen zur Verfügung stehenden Standorte und eine Begrenzung der Spielhallendichte bewirkt, was zu einer Beschränkung des Gesamtangebots an Spielhallen beiträgt. Ein milderes, gleich effektives Mittel ist nicht ersichtlich. Insbesondere sind rein spieler- oder gerätebezogene Maßnahmen keine gleich wirksamen Mittel zur Bekämpfung und Verhinderung von Spielsucht. Das Zutrittsverbot für Minderjährige hat nicht die gleiche Wirksamkeit wie das Abstandsgebot zu Kinder- und Jugendeinrichtungen, da es den Werbe- und Gewöhnungseffekt nicht gleichermaßen verringert. Verbundverbot und Abstandsgebote sind auch angemessen. Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere der Eingriffe und dem Gewicht und der Dringlichkeit der sie rechtfertigenden Gründe wahren die gesetzlichen Regelungen insgesamt die Grenze der Zumutbarkeit und belasten die Betroffenen nicht übermäßig.

bb) Auch die mit der Reduzierung der Gerätehöchstzahl in Spielhallen und der Pflicht zur dauernden Anwesenheit einer Aufsichtsperson einhergehenden Eingriffe in die Berufsfreiheit sind gerechtfertigt.
Mit der Reduzierung der Gerätehöchstzahl in Spielhallen verfolgt der Gesetzgeber das Ziel der Suchtprävention durch Reduzierung der Anreize zu übermäßigem Spielen in den Spielhallen. Die Regelung ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet, da der Landesgesetzgeber davon ausgehen durfte, dass Anreize für die Spieler zum fortgesetzten Spielen in Spielhallen umso geringer sind, je weniger Geräte sich dort befinden. Die Reduzierung der Gerätehöchstzahl war auch erforderlich und belastet Spielhallenbetreiber nicht übermäßig. Zwar liegt nahe, dass sich die Reduzierung der Höchstzahl der Geldspielgeräte negativ auf die Rentabilität von Spielhallen auswirkt. Eine bestimmte Rentabilität gewährleistet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz jedoch nicht.

Die Pflicht zur Anwesenheit einer Aufsichtsperson, die das Erkennen problematischen Spielverhaltens und eine unmittelbare Einflussnahme darauf ermöglichen soll, dient ebenfalls dem besonders wichtigen Gemeinwohlziel der Suchtprävention und ist verhältnismäßig.

cc) Die angegriffenen Neuregelungen bewirken keine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung von Spielhallenbetreibern gegenüber den Betreibern von Spielbanken und von Gaststätten, in denen Geldspielgeräte aufgestellt sind. Zwar werden Spielhallenbetreiber durch die angegriffenen Vorschriften gegenüber den Betreibern von Spielbanken und von Gaststätten ungleich behandelt, da Spielhallen Beschränkungen unterworfen werden, die für den Betrieb von Spielautomaten in Spielbanken und Geldspielgeräten in Gaststätten nicht gelten. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch gerechtfertigt. Ein hinreichender Sachgrund für die unterschiedliche Behandlung liegt in dem unterschiedlichen Gefährdungspotential und in der unterschiedlichen Verfügbarkeit der Spielmöglichkeiten.

c) Auch die von den Beschwerdeführerinnen angegriffenen Übergangsregelungen sind verfassungsgemäß.

aa) Die fünfjährige Übergangsfrist für Bestandsspielhallen greift zwar in die Berufsfreiheit der Spielhallenbetreiber ein, ist aber von Verfassungs wegen gerechtfertigt. Sie wird dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gerecht, da sich die wesentlichen Parameter der Auswahlentscheidung in Konkurrenzsituationen zwischen Bestandsspielhallen den Spielhallengesetzen in hinreichendem Maße entnehmen lassen. Die fünfjährigen Übergangsregelungen sind auch mit dem in Art. 12 GG enthaltenen Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar. Dieser verleiht weder im Hinblick auf die vorherige Rechtslage noch auf die vorhandenen Spielhallenerlaubnisse ein uneingeschränktes Recht auf Amortisierung getätigter Investitionen. Auch ein in umfangreichen Dispositionen betätigtes besonderes Vertrauen in den Bestand des geltenden Rechts begründet grundsätzlich noch keinen abwägungsresistenten Vertrauensschutz. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Die Belange der Spielhallenbetreiber sind mit der Einräumung einer fünfjährigen Übergangsfrist genügend berücksichtigt, zumal die Länder die Möglichkeit von Härtefallbefreiungen im Einzelfall geschaffen haben.

bb) Der Eingriff in die Berufsfreiheit durch die einjährige Übergangsregelung für nach dem 28. Oktober 2011 genehmigte Bestandsspielhallen ist ebenfalls mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Die Unterscheidung zwischen ein- und fünfjähriger Übergangszeit dient legitimen Gemeinwohlzielen und trägt auch dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes hinreichend Rechnung. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in den Fortbestand der gesetzlichen Regelung und der erteilten Erlaubnisse war spätestens mit dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz über den Glücksspieländerungsstaatsvertrag beseitigt oder zumindest erheblich herabgesetzt. Das Abstellen auf die Erteilung der gewerberechtlichen Erlaubnis für diese Unterscheidung ist ebenfalls verfassungsgemäß. Da die von der einjährigen Übergangsfrist betroffenen Spielhallenbetreiber bereits zum Zeitpunkt der Erteilung der gewerberechtlichen Erlaubnis nicht mehr auf den Fortbestand der alten Rechtslage vertrauen konnten, erweist sich die Übergangsregelung auch als verhältnismäßig. Dem Gesetzgeber ist es auch durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht verwehrt, zu der möglichst effektiven Bekämpfung der Glücksspielsucht durch eine möglichst schnelle Reduzierung des Spielhallenangebots eine an Vertrauensschutzgesichtspunkten orientierte Staffelung der Übergangsfristen mit einer Stichtagsregelung zu wählen.

3. Soweit die Verfassungsbeschwerde einer Beschwerdeführerin nachträglich auf das Mindestabstandsumsetzungsgesetz Berlin sowie die im Jahr 2016 neu eingefügten Regelungen des Spielhallengesetzes Berlin erstreckt wurde, hat der Senat das Verfahren abgetrennt; es wird einer gesonderten Entscheidung zugeführt.