Freitag, 3. Juli 2009

Finanzgericht Hamburg: Umsatzsteuererstattung an Spielbanken verfassungs- und gemeinschaftswidrig

von Rechtsanwalt Martin Arendts, www.wettrecht.de

Das Finanzgericht (FG) Hamburg hat in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung die Umsatzbesteuerung von Spielgeräten für ernstlich zweifelhaft erklärt und deswegen dem Aussetzungsantrag eines Automatenaufstellers stattgegeben (Beschluss vom 10. Juni 2009, Az. 3 V 75/09). Zwar schuldeten die Spielbanken nach der Neufassung von § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG aufgrund des Linneweber-Urteils des EuGH nunmehr Umsatzsteuer. Diese werde ihnen jedoch in unzulässiger Weise auf die Spielbankenabgabe angerechnet. Diese landesrechtlich geregelte Erstattung der Umsatzsteuer verstoße gegen die Sperrwirkung des Bundesgesetzes und gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Verfälschung des Mehrwertsteuersystems.

Die Umsatzsteueranrechnung sei zum einen verfassungswidrig. Das FG Hamburg bemängelt, dass die Umsatzsteuererstattung ohne gesetzliche Regelung aufgrund Verwaltungspraxis gegen den rechtsstaatlichen Vorbehalt des Gesetzes verstoße. Auch bei einer ausdrücklichen Regelung sei eine derartige Regelung mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig. Bundesgesetzlich angeordneten Steuern (hier die Umsatzsteuer) dürften nicht durch Landesgesetz ermäßigt oder durch eine korrespondierende Subvention kompensiert werden. Die praktizierte Anrechnung komme einer Ermäßigung der Umsatzsteuer gleich.

Zum anderen sei der Abzug bei der Spielbankenabgabe auch mit großer Wahrscheinlichkeit gemeinschaftsrechtswidrig. Nach der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung werde das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in unzulässiger Weise verfälscht, wenn die Mitgliedstaaten bei seiner Anwendung danach unterscheiden könnten, ob andere, nichtharmonisierte Abgaben bestehen. Eine Umsatzsteuerbefreiung dürfe daher nicht an die Belastung mit der Spielbankabgabe geknüpft werden. Umgekehrt sei auch verboten, die Erhebung der Spielbankabgabe an die Belastung mit Umsatzsteuer zu knüpfen. Denn der verfälschende Effekt sei genau der gleiche.

Zwar verstoße § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG unter dem Gesichtspunkt der Umsatzsteuerkompensation bei Spielbanken für sich genommen nicht gegen die Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Europarechtlich sei Bundesrecht und Landesrecht jedoch einheitlich als Ganzes zu betrachten. Würde der Bundesgesetzgeber die von den Spielbanken zu zahlende Umsatzsteuer durch Anrechnung bei anderen bundesgesetzlich geregelten Steuern, etwa ESt, KSt oder GewSt, kompensieren, wäre der Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz der Umsatzsteuer evident. Allein dass die Kompensation mit landesrechtlich geregelten Abgaben, hier der Spielbankabgabe, erfolge, könne europarechtlicher Sicht zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn die föderale Rechtsaufteilung in Deutschland sei aus Sicht des EG-Vertrages und der EG-Richtlinien kein Rechtfertigungsgrund für eine richtlinienwidrige Sachbehandlung.

Nach dieser Entscheidung muss der Automatenaufsteller zunächst nicht die angeforderte Umsatzsteuer hinsichtlich der von ihm betriebenen Unterhaltungsautomaten mit Gewinnmöglichkeit zahlen. Setzt sich die Auffassung des FG Hamburg durch, ist mit erheblichen Steuerrückzahlungen zu rechnen. Automatenaufsteller sollten entsprechende Umsatzsteuerbescheide nicht bestandskräftig werden lassen, sondern Einspruch einlegen.

Halbjahresbilanz 2009 des Glücksspielstaatsvertrages: GIG erwirkt zahlreiche Entscheidungen wegen Werbe- und Vertriebsverstößen

Halbjahresbilanz 2009 des Glücksspielstaatsvertrages: GIG erwirkt zahlreiche Gerichtsentscheidungen wegen Werbe- und Vertriebsverstößen im Glücksspielwesen

03.07.2009 (Köln) - Der Verein für Gewerbetreibende im Glücksspielwesen e.V. (GIG) hat u.a. die satzungsmäßige Aufgabe, im Vereinsinteressensbereich den unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen. Im ersten Halbjahr des Jahres 2009 gab eine Vielzahl von Hinweisen aus Wirtschaftskreisen dem Verband Anlass tätig zu werden. Einen Schwerpunkt der feststellbaren Verstöße gegen glücksspielstaatsvertragliches Werbe- und Vertriebsrecht bildeten die Werbung und die Vertriebspraktiken der Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblocks.

So enthielten zahlreiche Werbeträger der staatlichen Lottogesellschaften Werbeelemente, die über Information und Aufklärung der Möglichkeit zur Teilnahme am Glücksspiel hinausgehen und in unzulässiger Weise zum Glücksspiel animieren. Einen weiteren Schwerpunkt bildete die so genannte feiertagsanlassbezogene Werbung. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass die Wertschätzung des Feiertages als Vorspann für den Absatz von Glücksspielprodukten eingesetzt worden ist. Teilweise wurde versucht, Verbraucher zu animieren, Sofortlotterielose zum Gegenstand eines Feiertagsgeschenks zu machen und so das Glücksspiel in die Privatsphäre anderer Personen zu tragen.

Durch zahlreiche Testkäufe wurden zudem erhebliche Lücken im gesetzlich zu gewährleistenden Minderjährigen- und Spielerschutz festgestellt. In vielen Fällen gelang Minderjährigen der Erwerb von Rubbellosen in den Annahmestellen aller sieben überprüften Landeslotteriegesellschaften. Diese Vorfälle führten zu gerichtlichen Untersagungen dieser Vertriebspraktiken. Die einstweiligen Verfügungen wurden den zuständigen Aufsichtsbehörden mit der Aufforderung zum ordnungsrechtlichen Einschreiten gegen die Verurteilten notifiziert.

Insgesamt hat der Verein im ersten Halbjahr mehr als 20 gerichtliche Entscheidungen herbei führen können, die allesamt auf Einhaltung gesetzlicher Vorgaben durch den Glücksspielstaatsvertrag gerichtet waren.

Lediglich in zwei Fällen haben Gerichte dem Verein die Aktivlegitimation abgesprochen, lauterkeitsrechtliche Ansprüche geltend machen zu können. Der Verein hält diese Entscheidung für rechtswidrig und wird im Rechtsmittelzug die Korrektur anstreben. Dabei wird GIG auch auf die Vielzahl anders lautender, nämlich die Aktivlegitimation des Vereins bejahende, Entscheidungen hinweisen.

Beispielhaft für die vom GIG erfolgreich angegriffenen Rechtsverstöße der staatlichen Lotteriegesellschaften sind folgende Entscheidungen:

- LG München I, Beschluss vom 09.03.2009 – 33 O 4084/09 – “Keno-Sonderverlosung”, Beklagter: Freistaat Bayern, vetreten durch die Staatliche Lotterieverwaltung in Bayern, Grund: verbotswidrige Werbung, bestätigt durch Urteil vom 10.06.2009

- LG Berlin, Beschluss vom 24.03.2009 – 103 O 56/09 – “Rubbellos-Osterkörchen”, Beklagte: Deutsche Klassenlotterie Berlin, Anstalt öffentlichen Rechts, Grund: verbotswidrige Anreizwerbung, bestätigt durch Urteil vom 05.05.2009

- LG Wiesbaden, Urteil vom 28.05.2009 – 13 O 52/09 – “MusikDING”, Beklagter: Land Hessen, vertreten durch die Hessische Lotterieverwaltung, Grund: Grund: verbotswidrige Anreizwerbung

- LG Koblenz, Urteil vom 16.06.2009 – 4 HK O 78/09 – “Goldene 7”, Beklagte Lotto Rheinland-Pfalz GmbH, Grund: verbotswidrige Internetwerbung

Zudem wurde vor einigen Gerichten von den Beklagten – regelmäßig erfolglos angeführt, der GIG sei nicht aktivlegitimiert, da einigen seiner Mitglieder bislang eine behördliche Erlaubnis ihrer Tätigkeit versagt worden sei. Auch sei es rechtsmissbräuchlich, wenn der GIG nur gegen staatliche Lottogesellschaften vorgehe und nicht gegen die eigenen Mitglieder. Dies trifft allerdings sachlich nicht zu. Darüber hinaus offenbart dieser Einwand eine perfide Logik: Die Gesellschafter des Deutschen Lotto- und Totoblocks – die Länder mit ihren Glücksspielaufsichtsbehörden – verweigern den privaten Wettbewerbern – in der Regel offensichtlich rechtswidrig und mit dem alleinigen Ziel, den Markt von unerwünschter Vertriebskonkurrenz zu bereinigen, die beantragten Erlaubnisse. Anschließend sollen die als “illegal” kategorisierten Privaten gehindert werden, wenigstens wettbewerbsrechtlich die Monopolisten zu rechtmäßigem Verhalten zu zwingen. Der staatliche Lottoblock reklamiert damit nichts weniger als einen rechtsfreien Raum für sich, den er dann im besten Einvernehmen mit seiner (vermeintlichen) Aufsicht und unbelastet von wettbewerbsrechtlicher Marktverhaltenskontrolle nach Belieben ausfüllen kann. Der Lottoblock weiß natürlich, dass der Bundesgerichtshof eine solche Aushebelung des Wettbewerbsrechts in ständiger Rechtsprechung ablehnt. Entsprechend lautstark, aggressiv und unsachlich fallen dann die Stellungnahmen seiner Vertreter aus, wie der Kommentar von RA Dr. Manfred Hecker zur nicht rechtskräftigen und mit der Berufung angegriffenen Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken vom 24.06.2009 auf ISA GUIDE belegt. Zu den zahlreichen vorherigen und noch ausstehenden Verurteilungen der von ihm vertretenen Blockgesellschaften sind bezeichnenderweise keine Stellungnahmen von RA Hecker bekannt.

Der GIG repräsentiert fast alle privaten Akteure auf den relevanten Glücksspielmärkten jenseits des staatlichen Lottovertriebssystems. Dem Verband ist es wichtig, dass es unter Geltung des Glücksspielstaatsvertrages für alle Marktteilnehmer fair zugeht. Gäbe es eine funktionierende behördliche Aufsicht über das Marktverhalten der staatlichen Lottogesellschaften, hätte der GIG weniger zu tun. Die zahlreichen vom Verband erwirkten Verurteilungen zeigen aber, dass der Lottoblock eine strenge Aufsicht seiner Gesellschafter bislang nicht befürchten muss.

Der Verein ist zuversichtlich, seine schon nach kurzer Zeit überaus erfolgreiche Arbeit fortsetzen und intensivieren und somit auch in Zukunft einen entscheidenden Beitrag für diskriminierungsfreie Wettbewerbsbedingungen auf den deutschen Glücksspielmärkten leisten zu können.

GIG – Verband für Gewerbetreibende im Glücksspielwesen e.V.
Im MediaPark 8
50670 Köln
www.gig-verband.de

Mittwoch, 1. Juli 2009

Schweizerisches Bundesverwaltungsgericht erlaubt Pokerturniere außerhalb von Spielbanken

Das schweizerische Bundesverwaltungsgericht hat in einem Pilotentscheid private Pokerturniere in der Variante "Texas Hold'em" für zulässig erachtet. Das Gericht in Bern teilte darin die Ansicht der Eidgenössischen Spielbankenkommission (ESBK), dass für den Turnierfolg Geschicklichkeit wichtiger sei als Glück.

Die Spielbankenkommission hatte 2007 entschieden, dass bestimmte Poker-Turniervarianten nicht unter das Glückspielverbot fallen, weil das Geschicklichkeitselement überwiege. Sie erteilte privaten Veranstaltern 189 Bewilligungen für Turniere ausserhalb von Casinos. Der sich dadurch benachteiligt fühlende Schweizer Casino Verband klagte gegen die entsprechenden Verfügungen der ESBK.

Die Richter in Bern erklärten nun bestimmte Turnierformate in der Pokervariante "Texas Hold'em no limit" für zulässig und wiesen die Beschwerden des Schweizer Casino Verbandes ab. Bei der öffentlichen Beratung kam eine Richtermehrheit zu dem Schluss, dass für den Erfolg an einem Turnier, anders als bei einem einzelnen Spiel, das Element der Geschicklichkeit den Zufall überwiege. Zwar hänge die Kartenverteilung vom Glück ab. Um sich jedoch im Verlauf eines mehrstündigen Turniers durchzusetzen und am Schluss auf einem mit Geld dotierten Ranglistenplatz zu landen, brauche es mehr. Dazu seien vor allem mathematische Kenntnisse, Psychologie, Strategie und nicht zuletzt die Fähigkeit zum Bluffen und Schauspielern gefragt. Dass eine gute Plazierung nicht überwiegend vom Glück, sonderen eher vom Geschick abhänge, zeige sich im übrigen daran, dass oftmals die gleichen Spieler in den vorderen Rängen anzutreffen seien und Profis sogar vom Spiel leben könnten.