Dienstag, 2. Juli 2013

Forschungsinstitut Glücksspiel und Wetten: Neue Gesetze treiben über eine Million Freizeitspieler in die Illegalität

Studie: Massive Abwanderung von Automatenspielern in den unkontrollierten Markt erwartet

Bonn/Berlin. „Wenn das restriktive Glücksspielrecht in Deutschland nicht bald grundlegend und nachhaltig korrigiert wird, werden innerhalb der nächsten fünf Jahre mindestens 750.000 Freizeitspieler allein aus dem Bereich des gewerblichen Automatenspiels zu illegalen und staatlich nicht mehr kontrollierbaren Spielangeboten abwandern. Berücksichtigt man auch die Spieler, die nur gelegentlich an Automaten spielen, so dürften wahrscheinlich sogar mehr als eine Million Bundesbürger durch deutsche Gesetze in die Illegalität getrieben werden.“, so Professor Dr. Dr. Peren, der zusammen mit Professor Dr. Clement am Forschungsinstitut für Glücksspiel und Wetten, Bonn, die erste groß angelegte Prognosestudie zu den realwirtschaftlichen Auswirkungen der Neuregelung des Glücksspielwesens in Deutschland vorgelegt hat.
 
Spielen in Deutschland: hier Liberalisierung – dort Prohibition
 
Auf der einen Seite werde es, so begrüßen die Wissenschaftler, durch die Liberalisierung des Sportwettenmarktes dazu kommen, dass Bundesbürger, die derzeit in erster Linie über das Internet bei den nach deutschem Recht noch illegalen Sportwettenanbietern ihre Wetten platzieren, dies in Zukunft endlich auf dem legalen deutschen Markt tun können. Dies setze allerdings voraus, dass die Erteilung der Online-Lizenzen für Sportwetten, Poker und Casino-Spiele in Deutschland nicht noch weiter verzögert werde.
 
Genau die gegenläufige Tendenz sei nach den Ergebnissen der Studie allerdings im Bereich des gewerblichen Automatenspiels zu erwarten. Der im letzten Jahr in Kraft getretene Glücksspieländerungsstaatsvertrag und die entsprechenden Landesregelungen für Spielhallen zielten auf eine grundlegende Veränderung der Spielhallenstruktur in Deutschland ab. Spätestens mit Ablauf von fünf Jahren werde, so weist die Studie nach, die Anzahl der öffentlich nutzbaren Automatenspielgeräte in Spielhallen und Gaststätten um mindestens 55% Prozent aufgrund der gesetzlichen Vorgaben geschrumpft sein. Der Gesetzgeber zielt mit der Verknappung von Spielangeboten auf eine Reduzierung des Geldgewinnspielkonsums.
 
Der globale Spielemarkt macht nicht an deutschen Grenzen halt
 
Mit realistischen Marktsimulationen bei sehr konservativ und vorsichtig gesetzten Annahmen ging das Bonner Forscherteam in dieser von der Deutschen Automatenwirtschaft in Auftrag gegebenen Studie der Frage nach, ob und wie realistisch es ist, dass die mit den gesetzlichen Beschränkungen angestrebte Reduzierung des Geldgewinnspielkonsums faktisch erreicht wird. „Ein solch komplexer Simulationsprozess mit Hilfe von Monte-Carlo-Simulationen ist notwendig“, so Prof. Peren, „weil das Spiel mit und um Geld, nicht nur an den in Spielhallen und Gaststätten aufgestellten Geräten, sondern mit exakt denselben Spielinhalten, hier jedoch meist ohne die gesetzlichen Beschränkungen von Einsatz und Gewinn, in illegalen Spielclubs und besonders einfach erreichbar in einer fast unüberschaubaren Angebotsfülle über das globale Internet möglich sind.“
 
Spielprohibition fördert Illegalität
 
In der Studie wird der Frage nachgegangen, wie sich das Spielverhalten verändert, wenn die gesetzlich beabsichtigte Angebotsverknappung von gewerblich angebotenen Automatenspielen wirksam würde. Das Ergebnis ist eindeutig: Neben den Spielern, die das Automatenspiel mangels angemessener Angebote aufgeben müssten, würden etwa eine Million Freizeitspieler an Automaten auf andere Spielangebote ausweichen. Mindestens 750.000 davon dürften ihrem Spielvergnügen dann mangels legaler Angebote in Deutschland am nicht-regulierten Markt nachgehen – und dies regelmäßig. Wenn man zudem die Spieler berücksichtigt, die nur gelegentlich an Automaten spielen möchten, so dürften in Summe wahrscheinlich mehr als eine Million Freizeitspieler durch deutsche Gesetze in die Illegalität getrieben werden. Für Deutschland würde das bedeuten, dass der Staat nicht nur jährlich auf etwa 1,7 Mrd. Euro an Steuern und Sozialabgaben verzichten würde, sondern dass er bewusst insbesondere gefährdete und pathologische Spieler in den illegalen und staatlich nicht mehr kontrollierbaren Markt drängen würde. Ordnungs- und sozialpolitisch ein zudem wahrscheinlich irreversibler Fauxpas. Denn einmal in einen illegalen Markt migrierte Spieler mit deutlich höher spielbaren Einsatzhöhen und Gewinnchancen wieder zurückzuholen in ein legales, hier gar terrestrisches Angebot, das sich staatlich überaus gut beobachten und kontrollieren lässt und über geschultes Personal verfügt, dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit weitgehend unmöglich sein.
 
Spieler sind souveräne Konsumenten, die sich nicht gängeln lassen
 
„Wenn die für das Glücksspielwesen verantwortlichen Politiker glauben“, so kommentiert Prof. Peren dieses Ergebnis, „dass sich durch eine Verminderung des Angebots an Automatenspielen auch die Anzahl derjenigen sinken werde, die gerne und möglicherweise aus-schließlich oder gar pathologisch an diesen Geräten spielen, dann scheint für sie das Internet tatsächlich noch unbekanntes Neuland zu sein“. Auch im Glücksspielwesen dürfe die Politik die Rechnung nicht ohne die souveräne Konsumentenautonomie der Spieler machen. Spielinteressierte lassen sich, so die Studie, durch eine Verknappung des Spielangebots, die prohibitive Züge trägt, nicht davon abhalten, nach alternativen Möglichkeiten zu suchen, um ihre Spielbedürfnisse zu befriedigen. Diese Möglichkeiten bieten sich tausendfach und vor allem jederzeit und rund um die Uhr verfügbar über das Internet, wo es bisher nicht einmal ansatzweise Reglementierungen beziehungsweise wirksame Kontrollmöglichkeiten gibt.
 
Spielerschutz: Legale Spiele müssen gegenüber den illegalen wettbewerbsfähig sein.
 
Der Bundesgesetzgeber sei gerade damit befasst, mit der neuen Spielverordnung, in der die Eckwerte für das Automatenspiel in Deutschland festgelegt werden sollen, die Attraktivität der Automatenspiele zu verringern und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der in Deutschland terrestrisch angebotenen Geldgewinnspiele signifikant zu vermindern. „Erstmalig in ihrer Geschichte“, erläutert der Bonner Wirtschaftswissenschaftler, „würde die Spielverordnung in den Wettbewerb auf dem globalen Glücksspielmarkt eingreifen.“ Das sollte der Gesetzgeber dringlich vermeiden, denn wenn er das Automatenspiel in seinen terrestrischen Spielmöglichkeiten innerhalb des Bundesgebietes stark einenge, begünstige er die Wettbewerber aus dem illegalen Bereich, dem Internet oder aus dem Ausland und treibe die deutschen Konsumenten dorthin. Die Anzahl der in den illegalen Markt abwandernden Spieler könne sich relativ zeitnah unschwer mehr als verdoppeln, wenn der Gesetzgeber das in deutschen Spielhallen und Gaststätten angebotene Automatenspiel so eng reglementiere, dass dieses nicht mehr wettbewerbsfähig sein könne. „Exakt Umgekehrtes müsse der Gesetzgeber fördern“, so Peren, “das legale Spiel müsse so attraktiv gestaltet und gesetzlich reguliert werden, dass es im realen Wettbewerb den illegalen Markt austrockne.“ Gleiches gilt auch für die Sportwetten.

Montag, 1. Juli 2013

Goldmedia: Studie zum deutschen Sportwettenmarkt: Die neue Glücksspielregulierung könnte ihre Ziele verfehlen

Pressemitteilung von Goldmedia

- Studie untersucht den deutschen Sportwettenmarkt ein Jahr nach Inkrafttreten der neuen Glücksspielregulierung
- 2012 wurde auf dem deutschen Sportwettenmarkt ein Umsatz von 6,8 Mrd. Euro erzielt – nur 245 Mio. Euro stammen aus staatlich regulierten Angeboten
- Prognose: Nach Vorgaben der neuen Glücksspielregulierung würden im Jahr 2017 lediglich 30 Prozent des Sportwetten-Jahresumsatzes (2 Mrd. Euro) von staatlich regulierten Anbietern erwirtschaftet
- Mit einer Regulierung nach Vorbild Schleswig-Holsteins ließen sich von 2014 bis 2017 kumuliert Steuermehreinnahmen in Höhe von 1,5 Mrd. Euro erzielen


Berlin, 30. Juni 2013. Vor einem Jahr, am 01. Juli 2012, trat in Deutschland eine neue Glücksspielregulierung in Kraft. Mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag wurde das staatliche Sportwettenmonopol für sieben Jahre aufgehoben. Maximal 20 Anbieter sollen eine Sportwettenkonzession erhalten, verbunden mit strengen Auflagen für ihre Angebote.

Das Beratungsunternehmen Goldmedia (http://www.goldmedia.com) hat zum Jahrestag des Inkrafttretens der neuen Regulierung die Studie „Glücksspielmarkt Deutschland 2017“ veröffentlicht. Sie gibt einen aktuellen Überblick zu Umsätzen und Steueraufkommen im deutschen Sportwettenmarkt und prognostiziert die Entwicklungen bis 2017.

Wie die Studie zeigt, werden im deutschen Sportwettenmarkt auch in vier Jahren noch immer rund 70 Prozent der Umsätze in Höhe von 4,5 Mrd. Euro von Anbietern generiert, die nicht nach den Vorgaben des neuen Glücksspielstaatsvertrags agieren und sich der deutschen Regulierung entziehen. (siehe Abb. 1) Damit entgehen dem Fiskus im Zeitraum von 2014-2017 rund 1,5 Mrd. Euro Steuereinnahmen.
 
Die Regulierungsziele, die Spieleinsätze hin zu staatlich zugelassenen Angeboten zu kanalisieren, den Schwarzmarkt zu bekämpfen sowie einen bestmöglichen Spielerschutz zu gewährleisten, würden mit der neuen Glücksspielverordnung nicht erreicht.
 
Der Sportwettenmarkt 2012
Laut Studie wurden auf dem deutschen Sportwettenmarkt 2012 insgesamt 6,8 Mrd. Euro Umsatz erzielt. Der Großteil entfiel mit 3,7 Mrd. Euro auf den Online-Markt. In Wettshops wurden Sportwetten in Höhe von 2,9 Mrd. Euro platziert. Da seit Inkrafttreten der neuen Glücksspielregulierung noch keine Konzessionen an private Anbieter vergeben wurden, gab es im Markt 2012 nur unregulierte Angebote. Die staatlichen Angebote (Oddset, Fußballtoto) und die regulierte Pferdewette kommen insgesamt auf einen Umsatz von nur 245 Mio. Euro.
   
Auswirkungen auf den stationären Sportwettenmarkt
Im stationären Sportwettenmarkt, den Wettshops, wird sich der neue Glückspielstaatsvertrag nachteilig auf regulierte Anbieter auswirken. Goldmedia erwartet einen Rückgang der Umsätze bis 2017 auf nur noch 1,6 Mrd. Euro. Die verlorenen Umsätze im Wettshop-Markt dürften zum Großteil in den Schwarzmarkt abwandern: Nach Goldmedia-Prognosen wären dies von 2014-2017 kumuliert rund 4,9 Mrd. Euro.
 
Auswirkungen auf den Online-Markt für Sportwetten
Im Online-Markt für Sportwetten wird die fehlende Kanalisierung der neuen Glücksspielregulierung besonders deutlich. Laut Studie ist davon auszugehen, dass im regulierten Online-Markt im Jahr 2017 nur noch 400 Mio. Euro Jahresumsatz erzielt werden. Dem gegenüber stehen ca. 4,5 Mrd. Euro Umsatz im unregulierten Online-Markt. Damit würden die lizenzierten Angebote im Jahr 2017 lediglich 8,1 Prozent der Online-Umsätze ausmachen. 

Grund dafür sind die Wettbewerbsnachteile für regulierte Anbieter durch ein pauschales Einsatzlimit und Beschränkungen bei Live-Wetten sein. Dies könnte mittelfristig dazu führen, dass regulierte Anbieter ihre deutschen Konzessionen wieder zurückgeben und in den unregulierten Markt übertreten.
  
Steuereinnahmen 2012
Private Anbieter von Sportwetten agieren in Deutschland nach wie vor in einer rechtlichen Grauzone, da bislang noch keine Sportwetten-Konzessionen erteilt wurden. Trotzdem werden Sportwetten in Deutschland seit einem Jahr bundeseinheitlich besteuert. So erhielten die Bundesländer seit Juli 2012 von den Sportwetten-Anbietern Steuerzahlungen in Höhe von 164 Mio. Euro (Mai 2012).
Die Steuereinnahmen der vermutlich ab 2014 konzessionierten Anbieter werden bis 2017 wegen sinkender Umsätze und der schwierigen Ertragsperspektive infolge der neuen Glücksspielregulierung auf rund 100 Mio. Euro zurückgehen.
 
Vergleichsszenario für eine regulierte Öffnung des Glücksspielmarktes
Die Studie hat ein Vergleichsszenario berechnet, das auf einem Regulierungsmodell basiert, wie es von 2011 bis 2012 in Schleswig-Holstein galt. Bei einer bundeseinheitlichen Regulierung ohne pauschale Einsatzlimits oder beschränkte Live-Wetten wäre ein weit höherer Kanalisierungserfolg zu erreichen: In diesem Szenario ginge der Umsatzanteil von unregulierten Plattformen deutlich zurück. 93 Prozent der Wetteinsätze könnten demach im Jahr 2017 von lizenzierten Sportwettenanbietern erwirtschaftet werden.
 
Die Sportwettensteuer-Einnahmen hätten bei diesem Vergleichsszenario im Jahr 2017 ein Volumen von 395 Mio. Euro. Durch eine Abgabe auf Online-Casino-Spiele und Online-Poker, wie sie in Schleswig-Holstein erhoben wird, könnten die Einnahmen aus Glücksspiel im Jahr 2017 sogar auf rund 560 Mio. Euro steigen.
 
Bei einer kumulierten Betrachtung der Jahre 2014-2017 würden den ca. 490 Mio. Euro, die aus der Sportwettensteuer bei derzeitiger Regulierung nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag zu erwarten sind, etwa 2,1 Mrd. Euro Einnahmen aus Sportwettensteuer und Glücksspielabgabe im Vergleichsszenario gegenüber stehen. Die derzeit erzielten Steuereinnahmen könnten sich also mit einer umfassenden und marktnahen Regulierung des Glücksspiels in etwa vervierfachen.
 
Die Key Facts zur Studie (18 Seiten mit dem Fokus Sportwettenmarkt) stellt Goldmedia Interessenten kostenlos zur Verfügung. Bestellung über die Webseite: www.Goldmedia.com
Die komplette Studie „Glücksspielmarkt Deutschland 2017“ wird von Goldmedia im Juli 2013 veröffentlicht und ist kostenpflichtig.
 
Information zur Studie
Die Studie „Glücksspielmarkt Deutschland 2017“ enthält aktuelle Marktdaten und Prognosen zum Glücksspielmarkt in Deutschland. Sie ist die Nachfolgepublikation von „Glücksspielmarkt 2015“ (2010). Seitdem gab es in Deutschland erhebliche Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen für Sportwetten durch den am 1. Juli 2012 in Kraft getretenen Glücksspieländerungsstaatsvertrag. Auf der Basis einer detaillierten Analyse des deutschen Sportwettenmarkts und des deutschen Online-Markts für Glücksspiel (Online-Casino-Spiele und Online-Poker) im Jahr 2012 enthält die Studie eine Prognose der Marktentwicklung bei Sportwetten und Online-Casino- und Online-Pokerspielen bis 2017. Zudem wird in einem hypothetischen Vergleichsszenario die nationale Entwicklung unter den Bedingungen einer regulierten Marktöffnung nach dem Vorbild des in Schleswig-Holstein gültigen Regulierungsmodells dargestellt. Die Analyse basiert auf Unternehmenskennziffern und leitfragengestützten Experten-Interviews, die mit Anbietern aus dem deutschen Glücksspielmarkt geführt wurden.
 
Pressekontakt
Dr. Katrin Penzel, Tel: +4930-246 266-0,
Katrin.Penzel@Goldmedia.de, www.Goldmedia.com
  
Goldmedia GmbH
Die Goldmedia GmbH Strategy Consulting berät seit 1998 nationale und internationale Kunden im Medien-, Entertainment- und Telekommunikationsbereich. Das Serviceangebot umfasst Markt- und Wettbewerbsanalysen, klassische Strategieberatung sowie Business Development und Implementierung. Hauptsitz des Unternehmens ist Berlin. Weitere Informationen unter: www.Goldmedia.com

ZAW: Ein Jahr Staatsvertrag Glücksspiel: Glücksspielwerbung unter Zensurbedingungen

BERLIN - Ein Jahr nach Inkrafttreten des Glücksspiel-Staatsvertrags zieht der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW Bilanz – und sieht seine Kritik und Befürchtungen bei der Werberegulierung bestätigt: Der seit Anfang des Jahres obligatorische Genehmigungsvorbehalt für TV- und Internetwerbung habe bei den werbenden Unternehmen zu weitreichender Rechtsunsicherheit und erheblicher Verunsicherung geführt. „Die praktischen Erfahrungen mit der Werberichtlinie demonstrieren: Das unpraktikable und verfassungswidrige Zensurverfahren behindert zentrale Instrumente zur Marktkommunikation der Anbieter von Glücksspieldienstleistern und macht sie teilweise unmöglich“, sagte ein Sprecher des ZAW.
 
Der Hintergrund: Die Bundesländer mussten ihr Monopol aus dem alten Glücksspiel-Staatsvertrag streichen, um nicht mit EU-Recht zu kollidieren. Entsprechend sieht der im Juli 2012 in Kraft getretene Staatsvertrag die Öffnung des Markts auch für private Anbieter vor. Um das Ziel des Staatsvertrags, die Eindämmung des unregulierten Schwarzmarkts durch einen funktionierenden legalen Glücksspielmarkt zu erreichen, sollten zudem die vorherigen Totalverbote für die Werbung der Anbieter liberalisiert werden.

„Damit das Spielverhalten der Bevölkerung in legale, sichere Bahnen gelenkt wird, bedarf es einer effektiven und verantwortlichen Marktkommunikation. Das ist unstreitig. Die Anbieter haben sich weitreichenden selbstregulativen Beschränkungen für die Inhalte und Aussagen ihrer Marktkommunikation über den Deutschen Werberat unter-worfen. Die zuständigen Länder haben ihre Hausaufgaben aber nicht erfüllt“, stellt der ZAW fest. Die Liste der Fehlleistungen und Versäumnisse ist nach der Analyse des Dachverbands der Werbewirtschaft lang: Das Vergabeverfahren für Sportwettenlizenzen, angesiedelt beim hessischen Innenministerium, sei immer noch nicht abgeschlossen. Seriöse Anbieter würden durch den mittlerweile mehrmonatigen Verzug immer noch vom legalen Markt ausgeschlossen und können rechtmäßig nicht werben. Für diejenigen Marktteilnehmer, die legale Glücksspielprodukte anbieten und bewerben wollen, sind die Bedingungen der Werberichtlinie in weiten Teilen unbrauchbar - insbesondere das Vorabgenehmigungsverfahren für Internet- und TV-Werbung.

„Nach unseren Gesprächen mit den Marktbeteiligten“, so Bernd Nauen, Geschäftsführer des ZAW, „müssen wir feststellen, dass auch die so genannte Rahmenerlaubnis für TV- und Internetwerbung nichts an dem Zensurvorwurf ändert und in praktischer Hinsicht sogar als Verschlimmerung einzustufen ist.“ Erlaubnisse, soweit sie bislang überhaupt erteilt wurden, bestünden größtenteils aus Wiederholungen und Paraphrasierungen der abstrakten Vorgaben der Werberichtlinie. Sie würden mit unpräzisen Nebenbestimmungen angereichert und können auch noch nachträglich durch weitere beschränkt werden. Dadurch entstünde tiefgreifende Rechtsunsicherheit. „Es ist nicht vorhersehbar, wie in der praktischen Umsetzung geworben werden darf. Steuerung und Kontrolle durch die Verhängung behördlicher Damoklesschwerter sind typische Merkmale staatlicher Zensur“, so Nauen. Einhelliges Resümee der Branchenvertreter ist daher, dass man mit dem Glücksspielstaatsvertrag in seiner jetzigen praktischen Umsetzung durch die Werberichtlinie nicht leben könne und eine Überarbeitung, so wie vom ZAW vorgeschlagen, dringend benötigt werde. Nur hierdurch könne eine effektive Kanalisierung der Nachfrage in Richtung des legalen Markts erreicht werden.

Die ZAW-Bestandsaufnahme entspricht auch der Ansicht der Europäischen Kommission. Brüssel hat bereits im Dezember 2012 in einer ausführlichen Stellungnahme erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorabgenehmigungsverfahrens für Werbung in Internet und TV angemeldet. Die nunmehr vorliegenden praktischen Erfahrungen bestätigen die Auffassung der Kommission. Der ZAW fordert die zuständigen Minister und Staatskanzleien der Bundesländer daher nochmals auf, rechtlich einwandfreie und praktikable Bedingungen für die Glücksspielwerbung zu verabschieden. Entsprechende Vorschläge liegen den Bundesländern vor.

Quelle: Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e.V. (ZAW)

Hans-Jörn Arp zu Sportwetten: SPD, Grüne und SSW haben dem Schwarzmarkt wieder Tür und Tor geöffnet

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Hans-Jörn Arp, sieht in den Ergebnissen der neuesten Goldmedia-Studie einen klaren Beleg für das Scheitern des aktuellen Glücksspielstaatsvertrages, dem nach dem Regierungswechsel auch Schleswig-Holstein beigetreten ist:
 
„Diese Studie ist eine Blamage. Sie zeigt eindeutig, dass der Staatsvertrag nichts gegen den boomenden Sportwettenschwarzmarkt tut. Spielerschutz findet nicht statt. Schleswig-Holstein ist einem Rohrkrepierer beigetreten“, erklärte Arp in Kiel.
 
Laut den Ergebnissen der Studie finden nach wie vor 70 Prozent der Umsätze im Sportwettenbereich im Schwarzmarkt statt. Die Regulierungsziele – wie die Kanalisierung der Spieleinsätze hin zu staatlich zugelassenen Angeboten, bestmöglicher Spielerschutz und die Bekämpfung des Schwarzmarktes werden verfehlt. Dem Fiskus entgehen laut der Studie 1,5 Milliarden Euro jährlich an Steuereinnahmen.
 
„Der aktuelle Staatsvertrag ist damit genau so wirkungslos wie sein Vorgängermodell. SPD, Grüne und SSW haben dem Schwarzmarkt wieder Tür und Tor geöffnet. Nutznießer des Beitritts sind illegale Anbieter. Leidtragende sind die Spieler, die Landeskasse, und der Breitensport“, so Arp.
Der CDU-Abgeordnete wies darauf hin, dass bis heute unter dem Glücksspielstaatsvertrag außerhalb Schleswig-Holsteins keine einzige Lizenz erteilt worden sei. Ideologen wie Ralf Stegner und Hannelore Kraft stünden bei der Lizenzvergabe auf der Bremse.
 
„Stegner und Kraft sind damit direkt für den boomenden Schwarzmarkt mit allen seinen Folgen verantwortlich“, so Arp.
 
Das Beispiel Dänemark zeige, dass eine staatliche Regulierung tatsächlich 90 Prozent des Sportwettenmarktes erfassen könne.
„Spieler- und Jugendschutz sind im regulierten Markt ebenso machbar wie die Verhinderung von Geldwäsche. Wer wie Stegner und Kraft einen regulierten Markt verhindert, der unterstützt illegale Anbieter“, erklärte Arp.
 
Darüber hinaus gingen der öffentlichen Hand Einnahmen im Milliardenbereich verloren.
„In Dänemark betragen die Einnahmen allein aus Sportwetten 250 Millionen Euro. Hochgerechnet auf die Bundesrepublik Deutschland bedeutet das drei Milliarden Euro, die den Landeskassen sowie dem Breiten- und Profisport fehlen“, so Arp.
 

EGBA: Ein Jahr Glücksspieländerungsstaatsvertrag in Deutschland: Beschränkte Marktöffnung droht zu scheitern

Pressemitteilung der European Gaming and Betting Association (EGBA)
 
Brüssel, 28. Juni 2013 - Auch ein Jahr nach in Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages (Erster GlüÄndStV) ist die beschränkte Marktöffnung für die Sportwette in Deutschland noch nicht auf den Weg gebracht. Damit bestätigen sich die Bedenken der führenden europäischen Glücksspielanbieter und der Europäischen Kommission bezüglich der deutschen Regulierung und deren Umsetzung.
 
Der Glücksspieländerungsstaatsvertrag ist am 1. Juli 2012 in Kraft getreten und sieht eine Neuregelung des Glücksspiels in Deutschland vor, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) die deutsche Regulierung im Jahre 2010 für europarechtswidrig erklärte. Durch den Vertrag wird der Markt beschränkt für den Zeitraum von sieben Jahren für 20 Sportwettenanbieter geöffnet. Erklärte politische Ziele des Vertrages sind die Kanalisierung des Schwarzmarktes und die Bekämpfung von Spielsucht.
 
Die Europäische Kommission hat frühzeitig europarechtliche Bedenken an der deutschen Regulierung geäußert, insbesondere in Bezug auf die Problematik der Begrenzung der Höchstzahl von Anbietern und auf die fehlende Berücksichtigung von Online Poker und -Casino in der Regelung. Für die Kommission ist nicht zu erkennen, wie eine Beschränkung der Gesamtzahl der Konzessionen zur Erreichung der gesetzten Ziele geeignet ist (vgl. Notifizierung des Glückspielstaatsvertrages 2011/0188/D). In Kombination mit den gesetzten engen Grenzen für die Ausgestaltung von Sportwetten ist es durch die Begrenzung schwierig, ein attraktives (Online-)Sportwetten-Angebot in Deutschland zur Verfügung zu stellen.
 
Diese Bedenken der Kommission scheinen sich nun zu bestätigen: Ein Jahr nach Inkrafttreten ist die Neuregelung der Sportwette nicht gelungen, ein Jahr der siebenjährigen Öffnungsphase ist verstrichen, ohne dass Sportwettenanbieter zum Markt zugelassen wurden. Das für die Vergabe der 20 Sportwetten-Konzessionen gewählte Verfahren, auf das sich die Ministerpräsidenten geeinigt hatten, entspricht nicht den europäischen Vorgaben: Es wurde versäumt den Bewerbern klare, transparente und verlässliche Informationen über die bei der Vergabe anzuwendenden Kriterien zu liefern. Dies führte bisher zu zahlreichen Klagen der Anbieter und mehrfacher Verschiebung der Konzessionsvergabe durch die Verwaltung. Wann die Vergabe der Konzessionen stattfinden wird, ist momentan völlig offen, selbst die Verwaltung rechnet mit bis zu 80 verwaltungsgerichtlichen Verfahren, sowohl mit unterlegenen Bewerbern als auch mit Konzessionsinhabern. Zudem sind Online Poker und -Casino nicht Teil der beschränkten Marktöffnung, obwohl diese Marktsegmente einen deutlich größeren Umfang ausmachen als die Sportwette.
 
Maarten Haijer, Generalsekretär der EGBA, kommentiert: "Zahlreiche Fragen bezüglich der Sportwette sind in Deutschland nach wie vor offen, obwohl das Vergabeverfahren seit Monaten läuft. Selbst wenn die Vergabe gelingt, wird am Ende eine Marktregulierung stehen, die für alle Beteiligten - sowohl die Anbieter, die Verwaltung als auch den Breiten- und Profisport und die Werbebranche, die von Erträgen der Glücksspielanbieter abhängig sind – Nachteile birgt.“
 
Die schleppende Vergabe der Konzessionen zeigt, dass das gewählte Regulierungsmodell problematisch ist. Die Bedenken der Kommission können aus Sicht der EGBA zu diesem Zeitpunkt nur ausgeräumt werden, wenn der Regulierungsansatz grundsätzlich überdacht oder das Vergabeverfahren neu begonnen wird. Ohnehin stellt die deutsche Regulierung einen europäischen Alleingang dar: In anderen europäischen Ländern werden Anbieter auf Basis eines umfangreichen Kriterienkatalogs zugelassen. Zudem gibt es mit der seit 2011 praktizierten Lizenzierung von Glücksspielanbietern in Schleswig-Holstein ein binnenländisches Beispiel für eine erfolgreiche Regulierung: Dort erhalten Anbieter eine Lizenz, die die Erfüllung von hohen Zuverlässigkeits-, Qualitäts-, Wirtschaftlichkeits- und Sicherheitskriterien nachweisen können. Diese Verfahren haben sich in der Praxis bewährt und führen nirgends zu vergleichbaren Verzögerungen und juristischen Auseinandersetzungen wie in Deutschland.
 
Maarten Haijer fasst zusammen: “In Deutschland lässt sich beobachten, wie ein politischer Kompromiss, von dem nun niemand abrücken möchte, ein schlechtes Verfahren schafft. Für unsere Mitglieder, die in allen europäischen Ländern aktiv sind, ist das deutsche Vorgehen vor dem Hintergrund erfolgreicher europäischer Regulierungsbeispiele und dem Fortbestand europarechtlicher Bedenken unverständlich“.
 
Die Erreichung der politischen Ziele von Schwarzmarktkanalisierung und Bekämpfung der Spielsucht sind vor dem Hintergrund der Verfahrensprobleme in der Konzessionsvergabe komplett in den Hintergrund gerückt. Die Europäische Kommission plant, sich spätestens 2014 im Rahmen der Evaluierung des Glücksspielstaatsvertrages, mit der deutschen Regulierung intensiv auseinander zu setzen. Der bisherige Verlauf des Konzessionsverfahrens dürfte Gegenstand der Evaluierung sein.
 
Deutsche Kunden haben Anspruch auf ein effizient reguliertes Angebot an digitaler Unterhaltung. So müssen sie nicht auf asiatische Anbieter ausweichen. EGBA wird in sehr naher Zukunft mit einer Vertretung in Berlin die Online-Gaming-Industrie vor Ort repräsentieren und so einen faktenbasierten Entscheidungsfindungsprozess mit Politik und anderen Stakeholdern unterstützen.
 
Über EGBA
Die European Gaming and Betting Association (EGBA) ist die Industrievereinigung der führenden in der Europäischen Union angesiedelten, lizenzierten und regulierten Online-Glücksspiel- und Wettanbieter Bet-at-home.com, bwin.party, Betclic, Digibet, Expekt und Unibet. Die EGBA tritt für einen durchgängigen und von fairem Wettbewerb gekennzeichneten regulierten Online-Glücksspiel- und Wettmarkt ein, der im Einklang mit EU-Recht steht. Die EGBA ist der Überzeugung, dass ein derart regulierter Markt auf der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Wahrung von Verbraucherschutzinteressen basieren sowie dem grenzübergreifenden Charakter des Online-Marktes entsprechen sollte. www.egba.eu