Präventionsmassnahmen gegen Glücksspielsucht müssen jene Personen erreichen, welche ein besonderes Risiko zeigen, ein problematisches Spielverhalten zu entwickeln. Und sie müssen Probleme verhindern oder zumindest reduzieren. Sucht Schweiz hat im Rahmen des Interkantonalen Programms Glücksspielsucht-prävention Nordwest- und Innerschweiz externen Forschungsinstituten drei Studien in Auftrag gegeben. Diese liefern Hinweise, wie Präventionsmassnahmen ausgestaltet und verbreitet werden sollten.
Gemäss Schätzungen spielen in der Schweiz zwischen 80‘000 und 120‘000 Menschen auf problematische Weise Glücksspiele. Dies kann die psychische und körperliche Gesundheit der Spielerinnen und Spieler beeinträchtigen sowie zu sozialen und finanziellen Problemen führen. Diese betreffen nicht nur die Spielenden selbst, sondern auch deren Angehörige.
Drei Studien zu möglichen Risikofaktoren
Im Rahmen eines Präventionsprogramms von zehn Deutschschweizer Kantonen hat Sucht Schweiz externe Forschungsinstitute mit drei Studien beauftragt. Da bisherige Untersuchungen unter anderem jugendliches Alter, Migrationshintergrund und das Online-Spiel als Risikofaktoren identifizierten, fokussieren die aktuellen Studien auf betroffene Personengruppen. Erfasst wird zwar nur ein Bruchteil der Glücksspielenden. So ist beispielsweise über Spielende bei illegalen Angeboten (Online-Casinos, illegale Sportwetten etc.) in der Schweiz kaum Wissen vorhanden. Diese Lücke konnte nicht geschlossen werden, doch liefern die Studienresultate Hinweise darauf, wie zukünftige Präventionsmassnahmen wirksam ausgestaltet und die genannten Zielgruppen besser erreicht werden können.
Glücksspielverhalten von Jugendlichen
Je früher Jugendliche mit Glücksspiel beginnen, desto grösser ist das Risiko, ein problematisches Spielverhalten zu entwickeln. Daher ist es umso wichtiger, Präventionsmassnahmen an Jugendliche zu richten. Diese nehmen häufig an Glücksspielen teil, wobei Lotterien und Totospiele unter den Studienteilnehmenden die am häufigsten genutzten Glücksspiele sind. Im Vergleich zu Erwachsenen spielen insgesamt fast doppelt so viele Jugendliche auf problematische Weise (1,9%).
Resultate der Studie des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Lausanne zu Jugendlichen und jungen Erwachsenen zeigen, dass Knaben doppelt so häufig spielen wie Mädchen, und dass Knaben, die eine Lehre absolvieren, besonders gefährdet sind, ein problematisches Glücksspielverhalten zu entwickeln. Problematisches Glücksspiel zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass immer häufiger und länger gespielt sowie mehr und mehr Geld eingesetzt wird oder andere Aktivitäten und Verpflichtungen vernachlässigt werden. Glücksspielende Jugendliche zeigen zudem im Vergleich zu jenen, die nicht spielen, häufiger weitere problematische Verhaltensweisen, wie zum Beispiel den Konsum psychoaktiver Substanzen oder eine problematische Internetnutzung.
Bedingungen der Migration als Risikofaktor?
Verschiedene Studien geben Hinweise darauf, dass Personen mit Migrationshintergrund nur sehr schwierig durch präventive Botschaften sowie durch Hilfsangebote zu erreichen sind. Die Studie der Hochschule Luzern zeigt auf, dass bestimmte Gruppen der Migrationsbevölkerung aufgrund ihrer spezifischen Lebensumstände ein erhöhtes Risiko haben, die Kontrolle über das Spielen zu verlieren.
Die Studie empfiehlt, Präventionsbotschaften via Schlüsselpersonen zu verbreiten sowie über Medienkanäle, die von diesen Gruppen besonders intensiv genutzt werden. Weiter sollten
Unterstützungsangebote den soziokulturellen Gegebenheiten dieser Bevölkerungsgruppen angepasst werden.
Online-Glücksspiele
Auch unter den Online-Glücksspielenden auf Swisslos.ch sind Männer in der Überzahl. Sobald aber jemand spielt, ist das Risiko für Männer und Frauen gleich gross, ein riskantes oder problematisches Verhalten zu entwickeln. Insgesamt spielen 4% dieser Spielenden riskant und 1% problematisch. Die Studie des Forschungsinstituts INFRAS zeigt weiter, dass bei den Online-Spielerinnen und -Spielern die Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen am stärksten gefährdet ist. Diese Ergebnisse legen nahe, Präventionsangebote verstärkt im Internet zu platzieren, da v.a. junge Erwachsene viel Zeit online verbringen.
Weitere Lösungsansätze
Betroffene Personen wenden sich mit ihren Anliegen oft an Menschen aus ihrem nahen Umfeld. In der Bevölkerung ist allerdings das Bewusstsein gering, dass Glücksspiel mit Risiken verbunden ist. Die Bevölkerung generell für die Problematik zu sensibilisieren kann somit wesentlich zum Ziel beitragen, glücksspielsuchtbezogene Probleme zu verhindern und zu verringern.
Fachpersonen aus dem Sozial- und Gesundheitswesen begegnen im Rahmen von Beratungen immer wieder Personen, deren psychosoziale, gesundheitliche oder finanzielle Probleme auch auf ein problematisches Glücksspielverhalten hinweisen können. Diese Fachleute sollten darin geschult werden, glücksspielsuchtspezifische Probleme zu erkennen, damit sie die Betroffenen wo möglich an spezialisierte Stellen weitervermitteln können.
Die Kombination dieser Massnahmen trägt dazu bei, dass Präventionsbotschaften die gefährdeten Personen besser erreichen und dass Hilfsangebote bei den Betroffenen vermehrt bekannt werden.
Eine Situationsanalyse, die im Rahmen des 2009 lancierten Interkantonalen Programms Glücksspielsuchtprävention Nordwest- und Innerschweiz im Auftrag der beteiligten Kantone von Sucht Schweiz durchgeführt wurde, zeigte auf, dass zur Planung von zielgruppenspezifischen Präventionsmassnahmen die Risikopopulationen identifiziert werden müssen. Die drei Studien der Forschungsinstitute HSLU, IUMSP und INFRAS haben drei mögliche Gruppen genauer untersucht (Personen mit Migrationshintergrund, Jugendliche und Online-Spielende). Sie liefern hilfreiche Fakten zur Entwicklung von Präventionsprogrammen gegen Glücksspielsucht.
Internkantonales Programm Glücksspielsuchtprävention Nordwest- und Innerschweiz (Kantone AG, BE, BL, BS, LU, OW, NW, SO, UR, ZG)
Studie der Hochschule Luzern Soziale Arbeit (HSLU)
Häfeli, Jörg; Lischer, Suzanne; Villiger Simone. 2012.
Die Früherkennung von vulnerablen Personengruppen im Glücksspielbereich. Forschungsbericht. Hochschule Luzern.
Studie des Institut Universitaire de Médecine Sociale et Préventive (IUMSP)
Suris JC, Flatz A, Akré C, Berchtold A.
La problématique des jeux d’argent chez les adolescents du canton de Berne. Lausanne: Institut universitaire de médecine sociale et préventive, 2012. (Raisons de santé, 202).
Studie des Forschungsinstituts INFRAS
INFRAS 2012:
Spielsucht bei Internet-Glücksspielen – Spielmuster und soziodemografische Merkmale, Forschungsprojekt unterstützt von Sucht Schweiz über das Mandat Glücksspielsuchtprävention. Bearbeitet von Thomas von Stokar, Remo Zandonella, Stephanie Schwab Cammarano, Sarina Hablützel (INFRAS). Zürich. 17.10.2012.