von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
Neben der niederländischen Vorlage zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Sachen Ladbrokes (s. Sportwettenrecht aktuell Nr. 106) hat auch der Staatsrat (Raad van State), das höchste Verwaltungsgericht der Niederlande, einen Fall nach Luxemburg verwiesen (Entscheidung vom 14. Mai 2008, Az. 200700622/1). Zugrunde liegt dieser Vorlage ein verwaltungsgerichtlicher Rechtsstreit zwischen der weltweit größten Wettbörse Betfair und dem niederländischen Justizminister.
Somit haben innerhalb eines Monats zwei letztinstanzlich entscheidende Höchstgerichte Fragen zur Zulässigkeit des niederländischen Glücksspielmonopols dem EuGH vorgelegt. Letztinstanzlich entscheidende nationale Gerichte müssen europarechtliche Vorfragen dem das Auslegungsmonopol zustehenden EuGH vorlegen, sofern diese Fragen noch nicht abschließend geklärt sind (Acte-clair-Doktrin). Aufgrund der Vorlageverfahren wurde eine in den Niederlanden geplante gesetzliche Neuregelung des Glücksspielrechts auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt. Geplant war u.a., Holland Casino eine ausschließliche Online-Glücksspielkonzession zu erteilen.
Wie in bereits mehreren anhängigen Vorlageverfahren wird auch in dieser neuen Sache nach der Bedeutung einer in einem anderen Mitgliedstaat erteilten Konzession gefragt. Die Vorlage des Staatsrats betrifft im Übrigen auch die Vergabe einer Glücksspielkonzession. Betfair hatte sich nämlich, nachdem das Justizministerium sich geweigert hatte, den Zugang der sich in Großbritannien befindenden Wettbörse für niederländische Bürger für unbedenklich zu erklären, für zwei Glücksspielkonzessionen beworben. Zum einem beantragte Betfair die derzeit von dem Monopolanbieter De Lotto (Stichting de Nationale Sporttotalisator) gehaltene 5-jährige Sportwettenkonzession, zum anderen bewarb es sich für eine derzeit von Scientific Games Racing B.V. gehaltene Konzession. Das Ministerium stellte sich allerdings auf dem Standpunkt, dass diese Konzessionen automatisch zu verlängern seien, solange der bisherige Konzessionsinhaber dies wünsche.
Dies hielt Betfair für einen Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht und eine unzulässige Diskriminierung und berief sich insbesondere auf die durch den EG-Vertrag garantierte Dienstleistungsfreiheit. In einem Kommentar zu dem Vorlagebeschluss verwies Betfair darauf, dass es ein streng reguliertes, in Großbritannien Steuern zahlendes Unternehmen sei, das hinsichtlich der Bekämpfung von Betrug und Geldwäsche sowie hinsichtlich Kundenschutz weltweit führend sei. Man solle daher einen fairen Wettbewerb in der EU zulassen.
Der Raad van State hat dem EuGH folgende Fragen vorgelegt (nicht-offizielle Übersetzung durch den Autor):
1. Ist Art. 49 des EG-Vertrags so auszulegen, dass die zuständige Behörde eines Mitgliedsstaats, auf der Basis des in diesem Mitgliedstaat bestehenden geschlossenen Konzessionssystems für das Angebot von Glücksspielen, es einem Anbieter nicht verbieten darf, der bereits in einem anderen Mitgliedstaat eine Konzession erhalten hat, diese Dienstleistungen über das Internet abzubieten, diese Dienste über das Internet in dem ersteren Mitgliedstaat anzubieten?
2. Ist die Auslegung des Art. 49 EG-Vertrag und insbesondere des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Transparenzgebots, wie sie der Gerichtshof in einer Anzahl von Konzessionen betreffenden Rechtssachen vorgenommen hat, auf die Erteilung einer Glücksspielkonzession in einem gesetzlich festgelegten Ein-Konzessionssystem anwendbar?
3. a. Kann in einem gesetzlich festgelegten Ein-Konzessionssystem die Erneuerung einer Konzession des derzeitigen Konzessionsinhabers, ohne dass sich mögliche Kandidaten für diese Konzession bewerben könnten, ein erforderliches und verhältnismäßiges Mittel sein, die der Gerichtshof als eine Rechtfertigung der Verkehrsfreiheit bei dem Angebot von Glücksspielen akzeptiert hat? Wenn ja, unter welchen Bedingungen?
b. Macht es für die Beantwortung der Frage 3.a. einen Unterschied, ob die Frage 2. bejaht oder verneint wird?
aus: Sportwettenrecht aktuell Nr. 107
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