Freitag, 12. Juni 2020

Vorlage des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs an den EuGH zur Strafsanktionierung zum Schutze einer Glücksspielmonopolregelung

Vereinbarkeit der Strafbemessung gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz Glücksspielgesetz (GSpG) mit der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV und Art. 49 Abs. 3 GRC

Ra 2020/17/0013 (EU 2020/0002) vom 27. April 2020


Volltext des Beschlusses

Im Ausgangsverfahren wurde der Revisionswerber als Geschäftsführer einer Gesellschaft schuldig erkannt, dass diese Gesellschaft verbotene Ausspielungen mit zehn Glücksspielautomaten unternehmerisch zugänglich gemacht habe. Über den Revisionswerber wurden gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG zehn Geldstrafen zu jeweils € 4.000,-- sowie zehn Ersatzfreiheitsstrafen zu je einem Tag verhängt (insgesamt sohin € 40.000,-- Geldstrafen sowie zehn Tage Ersatzfreiheitsstrafen). Weiters wurden dem Revisionswerber die Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

Der VwGH bestätigte zwar den Schuldspruch, hegt aber Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit der Strafbemessung mit dem Unionsrecht unter Hinweis auf bisherige Rechtsprechung des EuGH.

Es stellt sich hierbei zunächst die Frage, ob das nationale Gericht in einem zum Schutz des staatlichen Glücksspielmonopols geführten Verfahren die Strafbemessung im Lichte der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV zu prüfen hat, auch wenn es bereits die Vereinbarkeit der Monopolregelung selbst mit der Dienstleistungsfreiheit nach den Vorgaben des EuGH geprüft und das Monopol in diesem Sinne als gerechtfertigt erachtet hat.

Bejahendenfalls stellt sich Frage, ob die im Ausgangsverfahren anzuwendende Strafsanktionsnorm des GSpG, welche zwingend eine Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze und zwingend eine Mindeststrafe pro Glücksspielautomat vorsieht, sowie § 16 VStG, der eine Ersatzfreiheitsstrafe ohne absolute Höchstgrenze vorsieht und § 64 VStG, der eine Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens vorsieht, mit der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV zw. verneinendenfalls mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Strafe nach Art. 49 Abs. 3 GRC im Einklang stehen.

Weil Grund zur Annahme besteht, dass eine erhebliche Anzahl von Revisionen eingebracht werden wird, in denen gleichartige Rechtsfragen wie die vorliegenden zu lösen sind, fasste der VwGH in diesem Verfahren auch einen Beschluss nach §38a VwGG (Ra 2020/17/0013-7).

Die Vorlagefragen im Wortlaut:

1) Hat das nationale Gericht in einem Strafverfahren, das zum Schutze einer Monopolregelung geführt wird, die von ihm anzuwendende Strafsanktionsnorm im Lichte der Dienstleistungsfreiheit zu prüfen, wenn es bereits zuvor die Monopolregelung entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes geprüft hat und diese Prüfung ergeben hat, dass die Monopolregelung gerechtfertigt ist?

2) Für den Fall der Bejahung der ersten Frage:

2a) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht?

2b) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von €3.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht?

2c) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht?

2d) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10% der verhängten Geldstrafen vorsieht?

3) Für den Fall der Verneinung der ersten Frage:

3a) Ist Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht?

3b) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von €3.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht?

3c) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht?

3d) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10% der verhängten Geldstrafen vorsieht?