Samstag, 13. Juni 2015

Hans-Jörn Arp und Wolfgang Kubicki: Schleswig-Holstein muss den Vorstoß aus Hessen für eine Neuregelung bei Sportwetten unterstützen und die Länder aus der Sackgasse führen

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Hans-Jörn Arp, und FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki haben die heute (12. Juni 2015) in einem Namensartikel in der FAZ aufgestellte Forderung des Hessischen Innenministers Peter Beuth nach einer Neuregelung des Glücksspiels im Bereich der Sportwetten begrüßt:

„Das ist das endgültige öffentliche Eingeständnis des für alle Bundesländer federführenden Ministers, dass der Glücksspielstaatsvertrag nicht umgesetzt werden kann. Dieser Glücksspielstaatsvertrag ist die Ursache für ein unbegrenztes Wachstum der Sportwetten im Schwarzmarkt. Beuth selbst erklärt, dass Suchtbekämpfung und Jugendschutz sich mit diesen Regelungen nicht gewährleisten lassen“, erklärte Arp in Kiel.

Die Forderung des hessischen Innenministers, die Konzessionsvergabe künftig ausschließlich von der Einhaltung von Regeln und Schutzauflagen abhängig zu machen, sei der richtige und einzig gangbare Weg, betonten die beiden Abgeordneten:

„Genau dieser Weg wurde mit dem Schleswig-Holsteinischen Glücksspielgesetz erfolgreich beschritten, bevor Stegner&Co es wieder abgeschafft haben. Das ändert nichts daran, dass Herr Albig die Lösung für das Problem noch in seinen Akten hat – inklusive aller Umsetzungsvorschriften“, sagte Kubicki.

Deshalb müsse Schleswig-Holstein mit seiner Erfahrung im administrativen Bereich sich jetzt an die Spitze der Bewegung stellen, um endlich ein umsetzbares Glücksspielrecht zu schaffen.
„Ziele sind Spielerschutz, Sucht- und Geldwäschebekämpfung, sowie die Erhebung von Steuern und Abgaben. Der Weg der anderen Bundesländer hat in eine Sackgasse geführt – Schleswig-Holstein weiß den Weg, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Der Ministerpräsident darf sich nicht länger durch Stegners blinden ideologischen Hass daran hindern lassen, den Weg endlich frei zu machen“, forderte Arp.

Donnerstag, 11. Juni 2015

Glücksspiel-Staatsvertrag nicht mit EU-Recht vereinbar - Glücksspielkollegium ist verfassungswidrig / Rechtswissenschaftler: Staatliche Regulierung des Glücksspiels verstößt gg. EU-Recht und Grundgesetz

Pressemitteilung der Rechtsanwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs

Berlin - Die staatlichen Regelungen zum Glücksspiel in Deutschland verstoßen gegen EU-Recht und sind verfassungswidrig. Zu diesem Ergebnis kommen zwei unabhängig voneinander verfasste rechtswissenschaftliche Gutachten zum Glücksspiel-Staatsvertrag und zum Glücksspielkollegium der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Hans Dieter Jarass und Prof. Dr. Gregor Kirchhof.

Jarass: Glücksspiel-Staatsvertrag beeinträchtigt EU-Freiheiten und kann Spielsucht nicht verhindern

In seinem Rechtsgutachten "EU-rechtliche Probleme der Vorgaben für die Veranstaltung von Lotterien nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag" zeigt der Münsteraner Verfassungsrechtler Hans Dieter Jarass, dass der Glücksspielstaatsvertrag von 2012 gegen EU-Recht verstößt und zudem die selbst gesetzten Ziele verfehlt. Das im Staatsvertrag garantierte staatliche Monopol zur Veranstaltung von Lotterien beeinträchtige die in EU-Verträgen gewährleistete Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit.

Die Einrichtung eines Lotteriemonopols unterliege "erhöhten Rechtfertigungsanforderungen". Diese sind in Deutschland aber nicht gegeben, so Jarass.

Das Lotterieveranstaltungsmonopol ist 2012 damit begründet worden, Gefahren für suchtgefährdete Spieler abzuwehren, die mit Lotterien verbundenen Manipulationsmöglichkeiten und kriminelles Verhalten einzudämmen sowie die Nachfrage auf legale Angebote zu lenken. Mit dem Glücksspielstaatsvertrag gelang es jedoch bisher nicht, diese Ziele zu erreichen, so Jarass. Im Gegenteil. So erlaube der Glücksspielstaatsvertrag zusätzliche Werbung und steigere dadurch die Attraktivität von Lotterien. Jarass: "Die Werbeausgaben der Landes-Lotteriegesellschaften sind im Jahr 2013 gegenüber dem Vorjahr um rund 50 Prozent gestiegen. Das Ziel, Spielabhängigkeit zu verringern, wird somit klar verfehlt."

Das aktuelle Monopol lasse sich auch nicht mit dem Schutz vor Manipulationen und kriminellem Verhalten rechtfertigen. Hierfür fehle es an einer transparent an derartigen Zielen ausgerichteten Regulierung und Organisation des deutschen Lottowesens. Insoweit sei es auch nicht ersichtlich, dass die gegenwärtige Regelung solche Ziele besser als eine intensive Wirtschaftsaufsicht gewährleisten könne. Das Monopol greife in die unternehmerische Freiheit gemäß Art. 16 der EU-Grundrechte-Charta ein. "Da das Lotterieveranstaltungsmonopol in seiner heutigen Ausgestaltung gegen das Unionsrecht verstößt, sind die entsprechenden Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags nicht anwendbar", so das Fazit von Jarass.

Kirchhof: Glücksspielkollegium undemokratisch und verfassungswidrig

Das 2012 durch den Änderungsvertrag zum Glücksspielstaatsvertrag geschaffene Glücksspielkollegium der Bundesländer untersucht der Augsburger Jura-Professor Gregor Kirchhof in seinem Gutachten "Das Glückspielkollegium - eine verfassungswidrige Kooperation zwischen den Ländern." Kirchhof kommt zu dem Ergebnis, dass das Gremium verfassungswidrig ist und daher abgeschafft oder strukturell völlig neu geregelt werden müsse.

Das Kollegium, in das die 16 Bundesländer jeweils einen Vertreter entsenden, entscheidet mit Zweidrittelmehrheit über Erlaubnisse, Konzessionen und Richtlinien. Dadurch habe es weite Entscheidungsbefugnisse im grundrechtssensiblen Bereich des Sicherheits- und Wirtschaftsrechts, denen aber kein hinreichendes demokratisches Legitimationsniveau gegenüber stehe. So schränkten seine Entscheidungen beispielsweise die Berufsfreiheit maßgeblich ein. Das Demokratieprinzip verlange aber in grundrechtssensiblen Bereichen eine effektive Aufsicht über den Entscheidungsträger und ein erhöhtes demokratisches Legitimationsniveau. Da im Glücksspielkollegium Entscheidungen mit Zweidrittelmehrheit getroffen werden, könne ein Bundesland überstimmt werden, weswegen eine effektive Rechts- und Fachaufsicht nicht mehr gewährleistet sei. Die öffentliche Gewalt, die das Kollegium ausübt, sei daher nicht mehr hinreichend auf die legitime Vertretung der Bundesländer rückführbar, es entstehe ein verfassungswidriges Demokratiedefizit. "Das Kollegium ist von Verfassungs wegen abzuschaffen oder strukturell neu zu regeln", so Kirchhof.

Das Gebot des demokratischen Rechtsstaats, Verantwortlichkeiten klar zuzurechnen, Zuständigkeiten und Verfahren der Verwaltung sachgerecht zu regeln und den Rechtsschutz effektiv auszugestalten, "fordern, das Glückspielrecht neu zu regeln", so der Staats- und Finanzrechtsprofessor.

Zu den Professoren

Prof. Dr. Hans D. Jarass, LL.M., ist seit 1995 Direktor des ZIR Forschungsinstituts für deutsches und europäisches Öffentliches Recht an der Universität Münster. Von 1996 bis 2011 war er Leiter des Instituts für Umwelt- und Planungsrecht der Universität Münster. Von 1982 bis 1990 lehrte Jarass als Professor für Öffentliches Recht und Europarecht an der Universität Bochum, von 1990 bis 1995 war er dort Direktor des Instituts für deutsches und europäisches Umweltrecht. Jarass ist seit 1978 Professor für Öffentliches Recht mit den Schwerpunkten Verfassungsrecht, Umwelt- und Planungsrecht, Europarecht und Medienrecht.

Prof. Dr. Gregor Kirchhof, LL.M., ist seit April 2012 Universitätsprofessor und Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Steuerrecht an der Universität Augsburg. Von 2011 bis 2012 hatte Kirchhof die Professur für Staats- und Verwaltungsrecht an der LMU München inne. 2009 bis 2011 war er Lehrstuhlvertreter an den Universitäten Hannover, Augsburg und München. Von 2000 bis 2008 war Kirchhof wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistent von Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio an den Universitäten München und Bonn. Seit 2011 ist Kirchhof Professor für Öffentliches Recht mit den Schwerpunkten Verfassungsrecht, Steuerrecht und Europarecht.

Informationen über die Gutachten 
Die vollständigen Rechtsgutachten erhalten Sie auf Nachfrage gerne per E-Mail zugesandt. Bitte wenden Sie sich an unsere Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Pressekontakt:
Für Presseanfragen steht Ihnen Frau Christiane Legler telefonisch
unter 0228 72625 - 472 sowie per E-Mail unter legler@redeker.de zur
Verfügung.

Urteil des EuGH in der Rechtssache Berlington Hungary: Verbot von Geldspielautomaten außerhalb von Spielcasinos erfordert Entschädigungsregelung oder Übergangszeit

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat am 11. Juni 2015 in der Rechtssache Berlington Hungary (Rs. C-98/14) sein Urteil verkündet. In dieser Sache hatte der ungarische Hauptstädtische Gerichtshof (Fővárosi Törvényszék) dem EuGH gleich 15 Fragen zum ungarischen Glücksspielrecht vorgelegt (zu den Vorlagefragen siehe: http://wettrecht.blogspot.de/2014/05/neue-vorlage-den-europaischen.html).

Hintergrund dieser Vorlage sind die restriktiven Gesetzgebungsinitiativen der rechtskonservativen ungarischen Regierung. 2011 wurde zunächst massiv an der Steuerschraube gedreht und die Spielsteuer für Automaten ohne Übergangszeitraum verfünffacht. 2012 wurde dann der Betrieb von Geldspielautomaten in Spielhallen komplett verboten (so dass diese nur noch in den Spielbanken erlaubt sind, deren Zahl allerdings deutlich erhöht wurde). 

Dieses Vorgehen hält der EuGH für nicht mit Unionsrecht vereinbar. Widerrufe der nationale Gesetzgeber eine Genehmigung, die ihrem Inhaber die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht, müsse er eine angemessene Entschädigungsregelung oder einen hinreichend langen Übergangszeitraum vorsehen, damit sich der Inhaber der Genehmigung darauf einstellen könne. Tatsächliche Feststellungen müsse das nationale Gericht treffen.

Der EuGH stellt zunächst fest, dass nationale Rechtsvorschriften, die den Betrieb und die Ausübung bestimmter Glücksspiele nur noch in Spielcasinos erlauben, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen. Auch könne eine Maßnahme, mit der die Steuern auf den Betrieb von Geldspielautomaten in Spielhallen drastisch erhöht werden, ebenfalls als beschränkend gewertet werden, wenn sie geeignet sei, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit in Gestalt des Betriebs von Geldspielautomaten in Spielhallen zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. Hierzu führt der Gerichtshof aus, dass dies der Fall wäre, wenn das nationale Gericht feststellen sollte, dass die Steuererhöhung den rentablen Betrieb von Geldspielautomaten in Spielhallen verhindert und dadurch ihren Betrieb tatsächlich auf Spielcasinos beschränkt hätte.

Nach Auffassung des EuGH können die mit den streitigen Maßnahmen verfolgten Ziele, nämlich der Schutz der Verbraucher vor Spielsucht sowie die Verhinderung von Kriminalität und Betrug im Zusammenhang mit dem Spielen, Beschränkungen von Glücksspieltätigkeiten zwar grundsätzlich rechtfertigen. Mit diesen Beschränkungen müssen die genannten Ziele jedoch in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden (so die ständige Rechtsprechung des EuGH). Eine entsprechende kohärente und systematische Regelung bezweifelt der EuGH, indem er darauf verweist, dass Ungarn offenbar eine Politik der kontrollierten Expansion von Glücksspieltätigkeiten verfolgt, in deren Rahmen u. a. im Jahr 2014 neue Konzessionen zum Betrieb von Spielcasinos erteilt wurden. Bei einer solchen Politik könne nur dann davon ausgegangen werden, dass sie die genannten Ziele in kohärenter und systematischer Weise verfolge, wenn sie zum einen geeignet ist, einem tatsächlichen Problem in Verbindung mit kriminellen und betrügerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Spielen sowie der Spielsucht in Ungarn abzuhelfen, und zum anderen keinen Umfang hat, der sie mit dem Ziel der Eindämmung der Spielsucht unvereinbar macht. Dies sei vom nationalen Gericht zu prüfen.

Das nationale Gericht wird auch zu prüfen haben, ob die in Rede stehenden Maßnahmen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sowie das Eigentumsrecht der Spielhallenbetreiber beachten. In diesem Zusammenhang weist der EuGH darauf hin, dass der nationale Gesetzgeber, wenn er Genehmigungen widerruft, die ihren Inhabern die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglichen, eine angemessene Entschädigungsregelung oder einen hinreichend langen Übergangszeitraum vorsehen muss, damit sich die Inhaber der Genehmigungen darauf einstellen können.

Interessant sind die Ausführungen des EuGH zur unionsrechtlichen Staatshaftung. Sofern eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit festgestellt werden sollte, könnten die Spielhallenbetreiber vom ungarischen Staat Ersatz für den ihnen infolge dieses Verstoßes gegen das Unionsrecht entstandenen Schaden erhalten, soweit der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen dem Verstoß und dem entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht.

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Tenor des Urteils des EuGH:

1. Nationale Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren streitigen, die, ohne einen Übergangszeitraum vorzusehen, den Betrag einer Pauschalsteuer auf den Betrieb von Geldspielautomaten in Spielhallen verfünffachen und darüber hinaus eine Proportionalsteuer auf diese Tätigkeit einführen, stellen eine Beschränkung der mit Art. 56 AEUV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit dar, soweit sie geeignet sind, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit in Gestalt des Betriebs von Geldspielautomaten in Spielhallen zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

2. Nationale Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren streitigen, die, ohne einen Übergangszeitraum oder eine Entschädigung der Spielhallenbetreiber vorzusehen, den Betrieb von Geldspielautomaten außerhalb von Spielkasinos verbieten, stellen eine Beschränkung der mit Art. 56 AEUV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit dar.

3. Beschränkungen, die sich aus nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren streitigen ergeben können, können nur dann durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, wenn das nationale Gericht nach einer Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen diese Rechtsvorschriften erlassen und durchgeführt worden sind, zu dem Ergebnis gelangt,

 – dass sie in erster Linie wirklich Ziele verfolgen, die sich auf den Schutz der Verbraucher vor Spielsucht und die Bekämpfung von Kriminalität und Betrug im Zusammenhang mit dem Spielen beziehen, wobei der bloße Umstand, dass eine Beschränkung von Glücksspieltätigkeiten als Nebenfolge – im Wege einer Erhöhung der Steuereinnahmen – auch dem Haushalt des betreffenden Mitgliedstaats zugutekommt, der Annahme nicht entgegensteht, dass diese Beschränkung in erster Linie wirklich derartige Ziele verfolgt;

– dass sie die genannten Ziele in kohärenter und systematischer Weise verfolgen und


– dass sie die Anforderungen erfüllen, die sich aus den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, insbesondere den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sowie dem Eigentumsrecht ergeben.

4. Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft in der durch die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20. November geänderten Fassung ist dahin auszulegen,

– dass nationale Rechtsvorschriften, die den Betrag einer Pauschalsteuer auf den Betrieb von Geldspielautomaten in Spielhallen verfünffachen und darüber hinaus eine Proportionalsteuer auf diese Tätigkeit einführen, keine „technischen Vorschriften“ im Sinne dieser Bestimmung sind und

– dass nationale Rechtsvorschriften, die den Betrieb von Geldspielautomaten außerhalb von Spielkasinos verbieten, „technische Vorschriften“ im Sinne dieser Bestimmung sind, die als Entwurf gemäß Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie übermittelt werden müssen.

5. Art. 56 AEUV soll dem Einzelnen Rechte verleihen, so dass ein Verstoß gegen diesen Artikel durch einen Mitgliedstaat, einschließlich eines Verstoßes durch dessen Gesetzgebungstätigkeit, zu einem Anspruch des Einzelnen führt, von dem betreffenden Mitgliedstaat Ersatz für den ihm infolge dieses Verstoßes entstandenen Schaden zu erhalten, soweit der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen dem Verstoß und dem entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

6. Die Art. 8 und 9 der Richtlinie 98/34 in der durch die Richtlinie 2006/96 geänderten Fassung sollen dem Einzelnen keine Rechte verleihen, so dass ein Verstoß gegen diese Artikel durch einen Mitgliedstaat auf der Grundlage des Unionsrechts nicht zu einem Anspruch des Einzelnen führt, von dem betreffenden Mitgliedstaat Ersatz für den ihm infolge dieses Verstoßes entstandenen Schaden zu erhalten.

7. Der Umstand, dass nationale Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren streitigen einen Bereich betreffen, der in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, wirkt sich nicht auf die Beantwortung der von dem vorlegenden Gericht gestellten Fragen aus.

Verwaltungsgericht Frankfurt am Main stoppt im Eilverfahren zunächst die Ausgabe von Sportwetten-Konzessionen an 20 ausgewählte Bewerber

Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 9. Juni 2015

Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 27.05.2015 die Erteilung von Sportwetten-Konzessionen an ausgewählte Bewerber gestoppt und das Land Hessen, vertreten durch das Hessische Ministerium des Innern und für Sport, verpflichtet, bis zur Entscheidung des Gerichts über die Klage des Antragstellers das Konzessionsverfahren noch offenzuhalten.

Der Antragsteller ist ein in Frankfurt am Main ansässiger Sportwettenanbieter. Er ist im Rahmen des Auswahlverfahrens gegenüber zwanzig weiteren Bewerbern unterlegen und hat die begehrte Sportwettenkonzession nicht erhalten. Ihm wurde bei der Ablehnung seines Antrags mitgeteilt, dass er im Rahmen eines Auswahlverfahrens, das bestimmten Kriterien umfasst, die in einer Sitzung des Glücksspielkollegiums als sachgemäß und gleichmäßig angewendet bestätigt wurden, nicht die notwendige Punktzahl für die Vergabe der Konzession erreicht habe.

Daraufhin hat der Antragsteller das zuständige Verwaltungsgericht in Frankfurt/Main angerufen und im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt, die Erteilung der Konzession an die zwanzig ausgewählten Sportwettenbetreiber zunächst zurückzustellen, um das Konzessionsverfahren so lange offenzuhalten, bis über seine Klage hiergegen entschieden worden ist.

Hintergrund dieses Verfahrens ist eine Veröffentlichung des Landes Hessen im Amtsblatt der Europäischen Union vom 08.08.2012, mit der die beabsichtigte Vergabe von bis zu zwanzig Konzessionen zur Veranstaltung von Sportwetten befristet bis zum 30. Juni 2019 angekündigt wurde. Das Konzessionsverfahren sollte laut dieser Bekanntmachung in zwei Stufen durchgeführt werden, wobei eine Auswahl nach verschiedenen Kriterien entnommen dem Glücksspielstaatsvertrag erfolgen sollte. Für die einzelnen Kriteriengruppen sollten unterschiedliche Punktzahlen vergeben werden können. Hierbei mussten die Antragsteller Angaben zu den unterschiedlichen Kriteriengruppen, wie z.B. die Gewährleistung der Ziele nach dem Glücksspielstaatsvertrag, die Sicherstellung der Informationsund Kontrollbefugnisse der Behörden, der Nachweis finanzieller Leistungsfähigkeit u.ä. machen.

Der Antragsteller ist der Auffassung, dass das gesamte Konzessionsverfahren intransparent und damit die Auswahlentscheidung rechtswidrig sei.

Demgegenüber vertritt der Antragsgegener die Auffassung, dass Eignungskriterien auch während des Verfahrens noch konkretisiert werden durften. Es stehe dem Land auch frei, das Verfahren in mehreren Stufen durchzuführen. Das Glücksspielkollegium bestehe jeweils aus einem Mitglied aller 16 Bundesländer und sei deshalb genauso wie entsprechende Gremien im Rundfunkbereich demokratisch legitimiert.

Das erkennende Gericht hat nunmehr in dem Eilverfahren entschieden, dass die Erteilung der Sportwettenkonzessionen bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zunächst zu unterbleiben habe. Es konnte im Rahmen der summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage feststellen, dass der Anspruch des unterlegenen Mitbewerbers auf ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren verletzt sei.

Dieser verfahrensrechtliche Anspruch folge unmittelbar aus dem Glücksspielstaatsvertrag, der Bezug auf das aus den Grundregeln des EU Vertrages abzuleitende Transparenzgebot nehme. Das Gericht ist der Auffassung, dass weder aus der Ausschreibung noch aus dem Gesetzestext hinreichend und sicher erkennbar sei, welche Anforderungen die Antragsteller bzw. die Bewerber um Sportwettenkonzessionen zu erfüllen hätten. Die maßgeblichen Kriterien sowohl für die Erfüllung der Mindestvoraussetzungen als auch für die Auswahlentscheidung müssten klar, präzise und eindeutig im voraus jedem Bewerber bekannt gegeben werden. Damit könnten diese die Anforderungen einschätzen und ein unter diesen Umständen bestmögliches Angebot abgeben.

Das Gericht schloss sich damit einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts in Wiesbaden vom 05.05.2015 an, welches ebenso die mangelhafte Transparenz festgestellt und deshalb auch die Konzessionsvergabe an weitere ausgewählte Bewerber unterbunden hatte.

Insbesondere teilt die zweite Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main die erheblichen Bedenken daran, dass sich das Land Hessen an das Votum des Glückspielkollegiums gebunden sieht. Ein Votum des Glückspielkollegiums könne allenfalls verwaltungsinterne, unselbständige Mitwirkungshandlungen darstellen, aber kein in einem Verwaltungsverfahren bindendes Votum darstellen. Diese Entscheidungskompetenz obliege allein den ordnungsberechtigten Behörden.

Durch das mit Fehlern behaftete Verwaltungsverfahren habe der Antragsteller einen Anspruch darauf, dass die Konzessionen zunächst nicht an die ausgewählten Mitbewerber vergeben werden dürften.

Zwar hätten die zwanzig Sportwettenkonzessionäre ein nicht unerhebliches Interesse daran, die ihnen zugedachten Konzessionen nach nunmehr zwei Jahren endlich zu erhalten und zu nutzen, jedoch überwiege der Grundsatz des transparenten und diskriminierungsfreien Verwaltungsverfahrens.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde – einzulegen beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel – möglich.

AZ: 2 L 3002/14.F

Das Fiasko beim Sportwetten-Konzessionsverfahren: Klärung durch den EuGH?

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat am 10. Juni 2015 die Rechtssache Ince (Rs. C-336/14) im großen Sitzungssaal verhandelt. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Ersten Kammer des EuGH hat der zuständige Generalanwalt Szpunar angekündigt, seine Schlussanträge bereits am 17. September 2015 vorzulegen. Eine Entscheidung des EuGH ist daher noch im laufenden Jahr zu erwarten.

Die Vorlagefragen des Amtsgerichts Sonthofen an den EuGH (siehe hierzu http://wettrecht.blogspot.de/2014/03/neue-vorlage-den-eugh-zum-deutschen.html) betreffen u.a. das Sportwetten-Konzessionsverfahren in Deutschland. Eine Entscheidung des EuGH hat allerdings nicht nur für dieses bereits seit drei Jahren ohne Konzessionserteilung andauernde, rechtlich höchst problematische Verfahren, sondern auch für Glücksspiel-Genehmigungsverfahren in anderen EU-Mitgliedstaaten erhebliche Bedeutung (wie etwa die Casinolizenzvergabe in Österreich, über die das österreichische Bundesverwaltungsgericht am Tag zuvor verhandelt hatte).

Die Frau Ince vertretenden Rechtsanwälte Rolf Karpenstein und Martin Arendts verwiesen in ihrem Plädoyer auf die zahlreichen Verstöße gegen das sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergebende Transparenzgebot bei der Vergabe von Konzessionen. Die nicht klar ausformulierten und zum Teil im Laufe des Verfahrens geänderten Konzessionsvoraussetzungen wurden erst dann in der zweiten Stufe des Verfahrens festgelegt, als der Kreis der Bewerber bereits feststand (und somit die Gefahr bestand, dass die Anforderungen entsprechend zurecht „geschneidert“ werden). Dabei ist die Einbindung der Kanzlei CBH wegen des bestehenden Interessenkonflikts problematisch, da diese die Landeslotteriegesellschaften (u.a. WestLotto in dem im letzten Jahr vor dem EuGH verhandelten Digibet-Verfahren) vertritt (von denen mehrere an dem Bewerber ODS Oddset Deutschland Sportwetten GmbH beteiligt sind).

Die Gefahr der Günstlingswirtschaft habe sich auch bei der ODS verwirklicht. Aus dem Protokoll des Glücksspielkollegiums im August 2014 ergebe sich, dass sich fünf Vertreter der Bundesländer für einen Ausschluss der ODS ausgesprochen hätten (bei sieben Enthaltungen und lediglich vier Nein-Stimmen). Ein Ausschluss der ODS wegen des Verstoßes gegen das Trennungsgebot hätte die Liste der 20 Erstplatzierten verändert.

Rechtsanwalt Arendts bat den EuGH um Klärung, wie ein Übergang von einem rechtlich nicht haltbaren Monopol zu einem (irgendwann einmal) unionsrechtskonformen Konzessionssystem unionrechtlich auszugestalten sei. Durch die Übergangsregelung im Glücksspielstaatsvertrag, nach dem die bisherigen Monopolanbieter und deren Vertriebsnetz ein Jahr nach Erteilung der Konzessionen ohne Genehmigung weiter Sportwetten anbieten und vermitteln dürfen, werde nicht das erforderliche „level-playing field“ geschaffen. Insoweit könnten sich die Landeslotteriegesellschaften auch nicht auf Vertrauensschutz aus einem unionsrechtswidrig praktizierten Monopol berufen und als staatliche Anbieter erst recht nicht auf die Berufsfreiheit.

Der Vertreter der Bundesregierung Müller verwies auf die sog. „Bayerische Öffnung“, nach der es bereits vor Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatvertrags für Sportwetten-Vermittler grundsätzlich die Möglichkeit gegeben habe, eine Erlaubnis zu erhalten. Die Bekanntmachung des Sportwetten-Konzessionsverfahrens vom 8. August 2012 habe alle zwingenden Angaben erhalten, so dass das Verfahren transparent sei.  

Herr Braun, der Vertreter der Europäischen Kommission, widersprach der Bundesregierung. Die Kommission teile die Bedenken des Vorlagegerichts. Bis jetzt habe Deutschland keinen Nachweis für die Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der deutschen Glücksspielregelungen geliefert. Es bestehe weiterhin ein faktisches Monopol. Das neu eingeführte Konzessionssystem habe daran bisher nichts geändert. Auch sei die Übergangsregelung unzulässig.

Auf Nachfrage des Generalanwalts zu einem Bericht in der FAZ vom Vortag zu der aktuellen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main erklärte der Vertreter der Bundesregierung, dass ja nur die Verwaltungsgerichte Wiesbaden und Frankfurt am Main eine Intransparenz des Verfahrens festgestellt hätten (ohne auf eine ähnliche Entscheidung des OVG Hamburg aus dem letzten Jahr einzugehen). Die Mehrheit der deutschen Verwaltungsgerichte sehe dies anders. 

Auf eine Nachfrage des Gerichtshofs nach Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland verwies der Vertreter der Kommission auf laufende Ermittlungen und ein eingeleitetes Pilotverfahren.

 

Montag, 8. Juni 2015

Arendts, The German Licensing Fiasco

Interessenbekundungsverfahren für die Spielbanken in Mainz, Trier und Bad Ems

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur des Landes Rheinland-Pfalz hat in TED (Tenders Electronic Daily), dem Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union, ein sog. Interessenbekundungsverfahren für den Betrieb öffentlicher Spielbanken in Mainz, Trier und Bad Ems bekannt gemacht. Mit der Durchführung hat das Ministerium die Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH beauftragt.

Die Veröffentlichung in TED vom 2. Juni 2015 (189129-2015) lautet auszugsweise wie folgt:

I. Durchführende Stelle:

Das Interessenbekundungsverfahren des Landes Rheinland-Pfalz, vertreten durch das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur, wird durchgeführt von der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Grimmaische Straße 25, 04109 Leipzig, Kontakt: spielbanken-rp@luther-lawfirm.com

II. Kurzbeschreibung des Verfahrens

Das Land Rheinland-Pfalz möchte erkunden, ob und unter welchen Bedingungen Interessenten bereit sind, sich um eine Spielbankkonzession für den Betrieb einer öffentlichen Spielbank in Mainz, Trier und Bad Ems ab dem 1.1.2017 zu bewerben. Hierzu lässt es dieses Interessenbekundungsverfahren durchführen. Die Interessenten werden gebeten, ihr Interesse an einem Betrieb der Spielbank in Mainz und der Zweigspielbetriebe in Trier und Bad Ems ab dem 1.1.2017 zu bekunden und über ihre spielbankspezifischen Erfahrungen, ihre Leistungsfähigkeit sowie über den Ausschluss von möglichen Interessenkonflikten zu informieren. Zugleich werden die Interessenten um bestimmte Informationen gebeten, die ausgewertet und von den Interessenten daher auf einem mit dem Informationsmemorandum zur Verfügung gestellten Fragebogen anonymisiert erhoben werden. Das Verfahren ist formfrei und unterliegt nicht den Bestimmungen für förmliche Vergabeverfahren. Es ist weder ein Verfahren zur Erteilung einer Spielbankerlaubnis noch ein sonstiges wettbewerbliches Verfahren. Das Land Rheinland-Pfalz sichert Interessenten die vertrauliche Behandlung ihrer Interessenbekundung nach Maßgabe des Informationsmemorandums zu. Das Land Rheinland-Pfalz und die Interessenten sind an die Interessenbekundungen nicht gebunden. Eine Erstattung von Verfahrenskosten erfolgt nicht.

III. Nähere Informationen/Form/Frist:

Interessenten werden gebeten, bei der durchführenden Stelle (spielbanken-rp@luther-lawfirm.com) das Informationsmemorandum abzufordern, das nähere Informationen enthält.

Die unter Beachtung des Informationsmemorandums gefertigte Interessenbekundung soll bis zum 31.7.2015 per E-Mail eingereicht werden an folgende E-Mail-Adresse: spielbanken-rp@luther-lawfirm.com

IV. Auskünfte:

Alle Anfragen zum Interessenbekundungsverfahren sind ausschließlich an spielbanken-rp@luther.com zu richten.