Freitag, 2. Oktober 2015

Hans-Jörn Arp und Wolfgang Kubicki: Die Ministerpräsidenten dürfen den Glücksspielstaatsvertrag nicht länger in den Händen eines verfassungswidrigen Gremiums lassen

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Hans-Jörn Arp, und der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Wolfgang Kubicki, haben nach dem Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes über die teilweise Unvereinbarkeit des Glücksspielstaatsvertrages der Länder mit der Bayerischen Verfassung eine unverzügliche Neuverhandlung über den Vertrag gefordert:

„Mit dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof haut ein weiteres hohes Gericht den Ministerpräsidenten ihren Glücksspielstaatsvertrag um die Ohren. Die EU-Kommission steht in den Startlöchern für ein Vertragsverletzungsverfahren. Es ist unerträglich, dass die Länder immer noch nicht handeln. “ sagte Arp heute (01. Oktober 2015) in Kiel.

Die 16 Landesregierungen müssten endlich erkennen, welchen Schaden sie der Gesellschaft zufügten. Der Glücksspielstaatsvertrag sei nicht nur offensichtlich rechtswidrig. Er erreiche auch nicht im Ansatz die Ziele, die er vorgibt zu verfolgen. Dies gelte sowohl für die Kanalisierung des Spiels, den Schutz der Spieler und der Jugendlichen, als auch für die Bekämpfung der Geldwäsche.

„Ich habe schon vor Jahren davor gewarnt, dass der Staatsvertrag nicht in den Händen dieser Lottotaliban bleiben darf. Mittlerweile bestätigen die Gerichte, dass die Befugnisse des Glücksspielkollegiums der Länder weit über die Grenzen der Verfassung hinaus gehen. Und die Gerichte bestätigen auch, dass dieses Kollegium diese Befugnisse nicht zum Wohle unserer Gesellschaft nutzt. Die Ministerpräsidenten müssen endlich aufwachen, und unverzüglich neu verhandeln“, forderte Kubicki.

Donnerstag, 1. Oktober 2015

Deutscher Sportwettenverband e.V.: Bayerischer Verfassungsgerichtshof bringt Glücksspielkollegium ins Wanken / Neufassung des Glücksspielstaatsvertrags unausweichlich

Pressemitteilung vom 30. September 2015

Berlin - Der Bayerische Verfassungsgerichtshofs hat mit einer heute veröffentlichten Entscheidung zentrale Bestandteile des Glücksspielstaatsvertrags in Frage gestellt. Durch die Entscheidung gerät insbesondere das zentrale Gremium der Glückspielaufsichtsbehörden, das sog. Glücksspielkollegium, ins Wanken. Da durch die Regelungsbefugnisse des Kollegiums das Rechtsstaatsprinzip verletzt wird, darf das Glücksspielkollegium keine Rechtsnormen über Glücksspielwerbung oder Entscheidungen über die Anzahl der zu vergebenden Sportwettenkonzessionen erlassen.

Zuvor hatten bereits zahlreiche Rechtsexperten, wie Professor Gregor Kirchhof und Professor Thomas Würtenberger Zweifel erhoben, ob das Glücksspielkollegium verfassungskonform sei. Auch das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat bereits in einer Entscheidung die Verfassungskonformität des Gremiums in Frage gestellt.

Sportwettenkonzessionsverfahren

Durch die Entscheidung wird auch die Zukunft des seit über drei Jahren ergebnislos laufenden Sportwettenkonzessionsverfahrens weiter in Frage gestellt. Der Verfassungsgerichtshof erklärte hierzu: "Die zahlenmäßige Beschränkung der Sportwettenkonzessionen und der Erlaubnisse für Wettvermittlungsstellen genügt [...] nicht in vollem Umfang den aus dem Rechtsstaatsprinzip sich ergebenden Anforderungen."

Folge dürfte sein, dass die Ministerpräsidenten die Anzahl der Sportwettenkonzessionen nicht wie im Vertrag vorgesehen durch einen einfachen Beschluss erhöhen können. Sollte das Konzessionsverfahren scheitern, steht damit zwingend eine Neufassung des Staatsvertrags an.

Werberichtlinie unanwendbar

Mit der Entscheidung des Gerichts ist die vom Glücksspielkollegium erlassene Werberichtlinie zudem nicht mehr anwendbar: "Auch die allgemeinen Vorschriften über die Zulässigkeit von Glücksspielwerbung entsprechen teilweise nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen."
Mittels der Werberegulierung sollte eigentlich die Erreichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags, insbesondere der Kanalisierung hin zu lizenzierten Anbietern, gesteuert werden.

DSWV-Präsident Mathias Dahms kommentiert die Entscheidung: "Angesichts der Tatsache, dass das Glücksspielkollegium nun teilweise handlungsunfähig ist und entscheidende Bestandteile des Glücksspielstaatsvertrags in Frage stehen, ist ein politischer Neuanfang unausweichlich. Der Glücksspielstaatsvertrag hat sich in der Praxis und vor den Gerichten als untauglich erwiesen. Die Ministerpräsidenten müssen nun endlich über eine rechtssichere Neufassung diskutieren."

Einen Ausweg aus dem Debakel hat der Verfassungsgerichtshof dem bayerischen Ministerpräsidenten bereits aufgezeigt. Dieser sei "zumindest verpflichtet, eine einvernehmliche Lösung des Konflikts zu suchen und notfalls eine gerichtliche Klärung auf bundesrechtlicher Ebene herbeizuführen oder von dem in § 35 Abs. 3 GlüStV vereinbarten Kündigungsrecht Gebrauch zu machen."

Über den Deutschen Sportwettenverband

Der Deutsche Sportwettenverband (DSWV) wurde im Jahr 2014 von den führenden deutschen und europäischen Sportwetten-Anbietern in Berlin gegründet. Mit Sitz im Haus der Bundespressekonferenz versteht sich der DSWV als öffentlicher Ansprechpartner, insbesondere für Politik, Sport und Medien.

Alle Mitgliedsunternehmen befinden sich in der letzten Runde des bundesweiten Sportwetten-Konzessionsverfahrens, das vom Bundesland Hessen durchgeführt wird. Damit sind alle Mitglieder des DSWV einer umfangreichen behördlichen Zuverlässigkeitsprüfung unterzogen worden und zahlen Steuern in Deutschland. Die meisten Mitglieder sind auch als Sponsoren im Profisport aktiv.

Mittwoch, 30. September 2015

ARENDTS ANWÄLTE: Bayerischer Verfassungsgerichtshof erklärt Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags für verfassungswidrig

Grünwald, den 30. September 2015

Mit seiner heute zugestellten Entscheidung vom 25. September 2015 hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof über drei Popularklagen entschieden und Reglungen des Glücksspielstaatsvertrags 2012 (GlüStV) für nicht mit der Bayerischen Verfassung vereinbar erklärt (Az. Vf. 9-VII-13, Vf. 4-VII-14 und Vf. 10-VII-14).

So verstößt die Regelung, dass die in dem GlüStV bestimmte Zahl der Wettkonzessionen im Nachhinein durch einen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz (§ 4 a Abs. 3 Satz 2 GlüStV) abgeändert werden kann, gegen Verfassungsrecht. Diese Ermächtigung der Ministerpräsidentenkonferenz zu einer verbindlichen (Neu-)Festlegung der Zahl der zu vergebenden Konzessionen für Sportwetten verstoße gegen das bundes- und landesverfassungsrechtliche Gebot, dass es auch bei föderalem Zusammenwirken der Bundesländer möglich bleiben muss, einen außenwirksamen Hoheitsakt dem jeweiligen Land zuzurechnen, und ist daher mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) nicht vereinbar.

Die von der hessischen Landesregierung kürzlich vorgeschlagene Abschaffung der Maximalanzahl von 20 Sportwettenkonzessionen kann daher nicht durch einen Beschluss der Ministerpräsidenten erfolgen. Statt dieser Änderung „light“ wäre vielmehr eine Änderung des Glücksspielstaatsvertrags erforderlich (der alle Länderparlamente zustimmen müssten). 

Die vom Verfassungsgerichtshof festgestellte Verfassungswidrigkeit des § 4 a Abs. 3 Satz 2 GlüStV erfasst auch Art. 8 Nr. 5 Alt. 2 AGGlüStV, wonach die Zahl der Wettvermittlungsstellen durch Rechtsverordnung des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr erhöht oder gesenkt werden kann. Denn diese Regelung habe allein den Zweck, für den Fall eines Abänderungsbeschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz im Hinblick auf die Konzessionen eine unverzügliche Anpassung der Zahl der Wettvermittlungsstellen zu ermöglichen.

Ungeklärt bleibt dabei, ob die erhebliche sachliche Ungleichbehandlung mit den Vertriebsmöglichkeiten der bisherigen staatlichen Monopol-Glücksspielanbieter mit deutschem Verfassungsrecht und Unionsrecht vereinbar ist.

Auch die Ermächtigung des § 5 Abs. 4 GlüStV zum Erlass einer Werberichtlinie ist mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar. Die Regelung verstößt – wie schon die Vorschrift des § 4 a Abs. 3 Satz 2 GlüStV – gegen das aus dem Grundgesetz und aus der Bayerischen Verfassung abzuleitende Gebot, dass es auch bei föderaler Kooperation möglich sein muss, die von den Bundesländern im Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung erlassenen Hoheitsakte, soweit ihnen Außenwirkung zukommt, einem einzelnen Land und nicht bloß einer Ländergesamtheit zuzurechnen. Die im Amtsblatt veröffentlichte Werberichtlinie vom 17. Januar 2013 darf von bayerischen Organen nicht mehr angewandt werden.

Die mit den Popularklagen als grundsätzlich problematisch angegriffene Institution des Glücksspielkollegiums wurde vom Verfassungsgerichtshof dagegen als verfassungskonform beurteilt. Es sei verfassungsrechtlich hinnehmbar, dass ein einzelnes Bundesland gegenüber den (Mehrheits-)Entscheidungen des Glücksspielkollegiums kein Vetorecht besitze, weil es dabei nur um den administrativen Vollzug eines staatsvertraglichen Regelwerks gehe, bei dem keine Entscheidungen von erheblichem politischem Gewicht zu treffen seien. Diese Argumentation überrascht angesichts der erheblichen Entscheidungsbefugnis des Glücksspielkollegiums bei der Konzessionsvergabe (u.a. Rücksetzung des Verfahrens auf „Null“ im Herbst 2013 und Entscheidung über die weitere Teilnahme des staatlichen Anbieters ODS Oddset Deutschland Sportwetten GmbH) und bei der Ausgestaltung der Konzessionsbedingungen. Angesichts dessen kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Glücksspielkollegium „keinen glücksspielpolitischen Regulierungs- und Gestaltungsspielraum“ habe (so jedoch die Entscheidungsgründe, S. 86).

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Hinweis:

Die insbesondere auf Glücksspiel- und Wettrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei ARENDTS ANWÄLTE vertrat zwei der Popularkläger. 

Rechtsanwalt Martin Arendts vertritt in der EuGH-Vorlagesache Ince (Rs. C-336/14) die Angeklagte. In dieser Rechtssache wird der Generalanwalt des EuGH seine Schlussanträge in drei Wochen am 22. Oktober 2015 verkünden.