Montag, 22. Januar 2024

BGH: Verhandlungstermin am 7. März 2024 um 9.00 Uhr in Sachen I ZR 90/23 (Erstattung von Verlusten bei unerlaubten Sportwetten)

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob ein Veranstalter von Sportwetten, der im Inland nicht über die hierfür erforderliche Konzession der zuständigen Behörde verfügte, die verlorenen Wetteinsätze eines Spielers erstatten muss.

Von dem Verfahren unter dem Aktenzeichen I ZR 53/23, das der Senat ausgesetzt hat, unterscheidet sich diese Sache maßgeblich dadurch, dass Gegenstand hier nicht Online-Pokerspiele sind, die dem Totalverbot des § 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag in der am 1. Juli 2012 in Kraft getretenen und bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung (GlüStV 2012) unterlagen, sondern Online-Sportwetten, für die der beklagte Veranstalter eine Konzession nach § 4 Abs. 5, §§ 4a, 10a GlüStV 2012 beantragt hatte (vgl. auch die Pressemitteilung vom heutigen Tag zum Verfahren I ZR 53/23).

Sachverhalt:

Die Beklagte mit Sitz in Malta bietet im Internet über eine deutschsprachige Webseite Sportwetten an. Der Kläger nahm von 2013 bis 2018 an Sportwetten der Beklagten teil. Während dieses Zeitraums verfügte die Beklagte über eine Lizenz der maltesischen Glücksspielaufsichtsbehörde, aber nicht über eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten der deutschen Behörde. Die Beklagte hatte eine solche Konzession beantragt. Auf Antrag der Beklagten verpflichtete das Verwaltungsgericht Wiesbaden die zuständige Behörde, der Beklagten die Konzession zu erteilen (vgl. VG Wiesbaden, Urteil vom 31. Oktober 2016 - 5 K 1388/14.WI). Dies erfolgte mit Bescheid vom 9. Oktober 2020.

Der Kläger macht die Unzulässigkeit der Sportwetten sowie die Unwirksamkeit der Wettverträge geltend. Er behauptet, er habe nicht gewusst, dass es sich bei dem Angebot der Beklagten um ein verbotenes Glücksspiel gehandelt habe. Mit seiner Klage hat er von der Beklagten Rückzahlung der an sie geleisteten Zahlungen in Höhe der erlittenen Verluste von 3.719,26 € nebst Zinsen sowie Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landgericht zurückgewiesen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe kein Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu. Die Beklagte habe die Zahlungen des Klägers nicht ohne Rechtsgrund erlangt, weil die Verträge über Sportwetten wirksam seien. Die Beklagte habe zwar gegen § 4 Abs. 1 sowie gegen § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012 verstoßen. Daraus resultiere jedoch keine Nichtigkeit der Verträge gemäß § 134 BGB. Der einseitige Verstoß gegen ein Verbotsgesetz führe nur zur Nichtigkeit, wenn der Gesetzeszweck anders nicht zu erreichen sei und die rechtsgeschäftlich getroffene Regelung nicht hingenommen werden dürfe. Davon könne nicht ausgegangen werden, denn die Beklagte habe eine Konzession nach § 10a Abs. 2 GlüStV 2012 beantragt und die inhaltlichen Voraussetzungen für eine Erlaubniserteilung erfüllt. Das Fehlen der Erlaubnis sei lediglich darauf zurückzuführen gewesen, dass die Durchführung des Konzessionsverfahrens unionsrechtswidrig gewesen sei. In dieser Konstellation sei weder eine strafrechtliche Ahndung des Verstoßes noch eine verwaltungsrechtliche Untersagung der Veranstaltung von Sportwetten möglich gewesen. Zivilrechtlich führe dies dazu, dass ein Verstoß gegen die Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrags nicht zur Nichtigkeit der Wettverträge nach § 134 BGB führe.

Ein Anspruch des Klägers folge auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB. § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012 und § 284 StGB kämen unter den genannten Voraussetzungen nicht als Schutzgesetze im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB in Betracht.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Vorinstanzen:

AG Geislingen an der Steige - Urteil vom 28. April 2022 - 3 C 459/21

LG Ulm - Urteil vom 24. Mai 2023 - 1 S 46/22

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 4 GlüStV 2012

(1) Öffentliche Glücksspiele dürfen nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) sowie die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel sind verboten.

(…)

(4) Das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ist verboten.

(5) Abweichend von Absatz 4 können die Länder zur besseren Erreichung der Ziele des § 1 den Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet erlauben, wenn keine Versagungsgründe nach § 4 Abs. 2 vorliegen und folgende Voraussetzungen erfüllt sind: (…)

§ 134 BGB

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB

Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet.

§ 823 BGB

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

§ 284 Abs. 1 StGB

Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Karlsruhe, den 17. Januar 2024

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

BGH: Aussetzung des Revisionsverfahrens I ZR 53/23 bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Erstattung von Verlusten bei verbotenen Online-Pokerspielen)

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 17.01.2024

Beschluss vom 10. Januar 2024 - I ZR 53/23

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob der Veranstalter eines im Inland verbotenen Online-Pokerspiels die verlorenen Spieleinsätze eines Spielers erstatten muss.

Von dem Verfahren unter dem Aktenzeichen I ZR 90/23, in dem der I. Zivilsenat am 7. März 2024 mündlich verhandeln wird, unterscheidet sich diese Sache maßgeblich dadurch, dass Gegenstand hier Verluste bei Online-Pokerspielen sind, die dem Totalverbot des § 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag in der am 1. Juli 2012 in Kraft getretenen und bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung (GlüStV 2012) unterlagen, und nicht Verluste bei Online-Sportwetten, für die der Veranstalter bereits eine Konzession nach § 4 Abs. 5, §§ 4a, 10a GlüStV 2012 beantragt hatte (vgl. auch den Terminhinweis vom heutigen Tag zum Verfahren I ZR 90/23).

Sachverhalt:

Die Beklagte mit Sitz in Malta bietet über eine deutschsprachige Webseite Glücksspiele an. Die Klägerin nahm in den Jahren 2018 und 2019 an virtuellen Pokerspielen der Beklagten teil, bei denen nicht gegen Menschen gespielt wird. Während dieses Zeitraums verfügte die Beklagte über eine Lizenz der maltesischen Glücksspielaufsichtsbehörde, aber über keine inländische Erlaubnis.

Die Klägerin macht die Unzulässigkeit der Online-Glücksspiele sowie die Unwirksamkeit der Glücksspielverträge geltend. Sie behauptet, sie habe nicht gewusst, dass es sich bei dem Angebot der Beklagten um ein verbotenes Glücksspiel gehandelt habe. Mit ihrer Klage hat sie von der Beklagten Rückzahlung der an sie geleisteten Zahlungen in Höhe der erlittenen Verluste von 132.850,55 € nebst Zinsen verlangt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergebe sich aus Art. 18 Abs. 1 der Brüssel-Ia-Verordnung. Es hat außerdem nach Art. 6 Abs. 1 der Rom-I-Verordnung deutsches Sachrecht für anwendbar gehalten.

Die Klägerin könne gegen die Beklagte einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB geltend machen. Die als Rechtsgrund in Betracht kommenden Glücksspielverträge seien gemäß § 134 BGB nichtig, weil das Veranstalten von öffentlichen Glücksspielen im Internet gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verboten gewesen sei. Diese Norm sei unionsrechtskonform und ihr Schutzzweck erfordere auch im Fall des einseitigen Verstoßes gegen das Verbot die Nichtigkeit der Glücksspielverträge.

Der Rückforderungsanspruch sei nicht nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Die Norm sei zwar nicht teleologisch zu reduzieren. Allerdings seien ihre Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt. § 817 Satz 2 BGB setze voraus, dass der Leistende, hier die Klägerin, vorsätzlich gegen das gesetzliche Verbot verstoßen habe. Dem stehe es gleich, wenn er sich der Einsicht in das Verbotswidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen habe. Die Beklagte, die sich auf die Kondiktionssperre berufe, habe die Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen. Dies sei ihr letztlich nicht gelungen.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Mit Beschluss vom 10. Januar 2024 hat der Senat das Revisionsverfahren bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem Verfahren C-440/23 über ein Vorabentscheidungsersuchen des Civil Court Malta vom 11. Juli 2023 ausgesetzt. Das Vorabentscheidungsverfahren betrifft insbesondere die Frage, ob § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 unionsrechtskonform war.

Vorinstanzen:

LG Paderborn - Urteil vom 8. Juli 2021 - 4 O 323/20

OLG Hamm - Urteil vom 21. März 2023 - I-21 U 116/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 4 Abs. 4 GlüStV 2012

Das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ist verboten.

§ 134 BGB

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB

Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet.

§ 817 BGB

War der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat, so ist der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet. Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, es sei denn, dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand; das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden.

La Française des Jeux SA will Kindred Group plc (früher: Unibet) für ca. EUR 2,8 Mrd. übernehmen

La Française des Jeux SA ("FDJ") hat heute ein empfohlenes öffentliches Barangebot an die Inhaber von schwedischen Hinterlegungsscheinen (Swedish Depository Receipts, "SDRs") von Kindred angekündigt, um alle ihre SDRs der Gesellschaft zu einem Preis von 130 SEK in bar pro SDR anzudienen (der "Angebotspreis" bzw. das "Angebot"). Der Gesamtwert des Angebots entspricht etwa 27.951 Mio. SEK, was einem Vielfachen des 10,9-fachen des zugrunde liegenden EBITDA von Kindred im Jahr 2023 entspricht. Der Einfachheit halber und weil jedes SZR eine Aktie von Kindred darstellt, werden die SZR auch als "Aktien" und die Inhaber als "Aktionäre" bezeichnet.

Das Angebot stellt eine Prämie von:

- ca. 24,4 Prozent im Vergleich zum Schlusskurs der Kindred-Aktien an der Nasdaq Stockholm von 104,50 SEK am 19. Januar 2024, dem letzten Handelstag vor der Ankündigung des Angebots;

- ca. 34,9 Prozent im Vergleich zum volumengewichteten Durchschnittskurs von 96,34 SEK der Kindred-Aktien an der Nasdaq Stockholm während der letzten 30 Handelstage vor der Ankündigung des Angebots;

- ca. 36,3 Prozent im Vergleich zum volumengewichteten Durchschnittskurs von 95,35 SEK der Kindred-Aktien an der Nasdaq Stockholm während der letzten 90 Handelstage vor der Ankündigung des Angebots; undca. 40,1 Prozent im Vergleich zum Schlusskurs von 92,80 SEK der Kindred-Aktien an der Nasdaq Stockholm am 28. November 2023, dem letzten Handelstag vor der Veröffentlichung der Kindred-Ergebnisse für das dritte Quartal 2023, die eine Erklärung enthielten, dass der Vorstand von Kindred der Ansicht ist, dass der Wert für die Aktionäre durch eine Dritttransaktion maximiert werden kann.

Die Annahmefrist für das Angebot wird voraussichtlich am oder um den 20. Februar 2024 beginnen und am oder um den 19. November 2024 enden.

Der Vollzug des Angebots ist an folgende Bedingungen geknüpft

- dass das Angebot in einem solchen Umfang angenommen wird, dass FDJ Eigentümer von Kindred-Aktien wird, die mehr als 90 Prozent der Gesamtzahl der Kindred-Aktien ausmachen (auf vollständig verwässerter Basis);

- der Erhalt aller behördlichen, staatlichen oder ähnlichen Freigaben, Genehmigungen und Entscheidungen, die für das Angebot und den Erwerb von Kindred erforderlich sind, jeweils zu Bedingungen, die nach Ansicht von FDJ akzeptabel sind;

- keine Umstände eingetreten sind, die eine wesentliche nachteilige Auswirkung auf die Finanzlage, die Aussichten oder den Betrieb von Kindred haben könnten oder von denen vernünftigerweise erwartet werden könnte, dass sie eine wesentliche nachteilige Auswirkung auf die Finanzlage, die Aussichten oder den Betrieb von Kindred haben könnten, einschließlich der Lizenzen und Genehmigungen von Kindred, der Einnahmen, der Ergebnisse, der Liquidität, der Solidität, des Eigenkapitals oder der Vermögenswerte;

- dass weder das Angebot noch der Erwerb von Kindred aufgrund von Gesetzen oder anderen Vorschriften, Entscheidungen eines Gerichts oder einer Behörde oder aufgrund ähnlicher Umstände ganz oder teilweise unmöglich gemacht oder erheblich behindert wird.