Mittwoch, 9. Juni 2010

DIE WELT: Manipulationen beim Gutachten zur Evaluierung des Glücksspielstaatvertrags

Nach der Süddeutschen Zeitung berichtet auch DIE WELT über massive Manipulationen bei der zur Evaluierung des Glückspielstastsvertrags erstellten Studie des Schweizer Instituts für Rechtsvergleichung (ISDC) mit dem Titel "International vergleichende Analyse des Glücksspielwesens". In dem Beitrag "Zweifelhaftes Zocker-Gutachten" von Stefanie Bolzen und Ileana Grabitz heißt es:

"Denn wie sich herausstellte, war der Öffentlichkeit nicht die ursprüngliche, sondern eine deutlich zugunsten der Bundesländer redigierte Fassung vorgelegt worden.

Dabei hatte die Analyse Grundlage für eine "ergebnisoffene" Diskussion aller Beteiligten sein sollen, wie es mit dem staatlichen Glücksspielmonopol in Deutschland weitergeht, wenn der Staatsvertrag Ende 2011 ausläuft. (...)

Doch wie ernsthaft das Interesse an einer breiten Analyse ist, muss bezweifelt werden. Mehr noch: "Die Länder haben einen Auftrag gegeben für eine Analyse, die ihren vorherigen Politikentscheidungen entsprechen sollte", sagt Martin Sychold, der am ISDC die Glücksspiel-Studie koordiniert hatte, der WELT. "Tatsächlich tat sie das aber nicht. Das hat die Länder sehr geärgert, und sie haben viele Änderungen gefordert."

So machte schnell in Mainz die Runde, dass die federführenden Länder den Teilnehmern nicht das Gutachten vorgelegt hatten, das vom Institut in Lausanne fristgerecht zum 15. April 2009 abgeliefert worden war, sondern einen "verbesserten" Text, für den der zuständige Lenkungsausschuss den Schweizern einen Aufschub 14 Wochen gegeben hatte - wegen "inhaltlicher und sprachlicher Mängel". So sei der Report in Schweizerdeutsch verfasst und müsse "unter Einbeziehung eines deutschen Muttersprachlers" überarbeitet werden, wie es im Protokoll des Ausschusses heißt, das dieser Zeitung vorliegt. Man kam zum Schluss: "Die Teilnehmer bewerten die Ausarbeitung (...) als einen Vor-Entwurf des zur Vertragserfüllung erforderlichen Gutachtenentwurfs". (...)

Denn in der Folge wurden mehrere Passagen in der 89-seitigen Zusammenfassung des insgesamt 960 Seiten starken Reports verändert oder teilweise sogar ins Gegenteil verkehrt, um im Ergebnis die Politik der Bundesländer und damit das deutsche Glücksspielmonopol im Gegensatz zu einem liberalisierten Markt als bessere Lösung darzustellen.

So heißt es in der ursprünglichen Fassung zur Frage des Suchtpotenzials von Sportwetten, dass dieses Wettwesen viele Menschen nicht anziehe, weil es Mühe kostet: Man muss sich über Spieler, Trainer, Mannschaften informieren. "Diese Auskunftssuche hält (...) jene Spieler zurück, die ein schnelles und einfaches Glücksspiel suchen und in diese Kategorie fallen die meisten Suchtspieler." An diesem Prinzip ändere sich auch nichts, wenn der Spieler ins Internet gehe.

In der Endfassung lautet die Analyse hingegen, dieses Wettwesen habe "ein hohes Gefährdungspotenzial", Sportwetten führten viel eher zu Suchtverhalten als etwa das Lottospiel. Dies gelte "im Besonderen für das Internet-Wettwesen, da der Substitutionsgrad zwischen traditionellen Offline-Wetten und Internet-Wetten sehr hoch ist".

An anderer Stelle wird versucht, jede Kritik am Monopol auszuräumen: Mit Bezug auf den Konsumenten- und Spielerschutz schreiben die Wissenschaftler ursprünglich, dass es einige der untersuchten Staaten klar am selbigen fehlen ließen und diesen Aspekt "nur als Vorwand für Protektionismus und Monopolerhaltung" gebrauchten. In der "offiziellen" Endfassung ist von Protektionismus und Monopol aber keine Rede mehr.

Der Schweizer Rechtsexperte Sychold betont, dass es unter seine Ägide nur sprachliche, keine inhaltlichen Änderungen gab. Allerdings hätten "diejenigen, die sowieso der gleichen Ausrichtung waren wie die Länder, das dann hervorgehoben." Konkret bezieht sich Sychold auf den Diplompsychologen Gerhard Meyer, der an der Universität Bremen lehrt und den gesundheitswissenschaftlichen Teil der Zusammenfassung zulieferte.

(...) Während in der Ursprungsversion von der Option eines "kleinen, konsequent regulierten Glücksspielmarkts" die Rede ist, heißt es im zweiten, diese Alternative müsse "im Rahmen eines staatlichen Monopols" stattfinden."


Quelle: http://www.welt.de/die-welt/wirtschaft/article7964234/Zweifelhaftes-Zocker-Gutachten.html

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