Alle Unternehmen, die im Glücksspielbereich in Deutschland tätig sind, sehen sich mit den derzeit meist noch in den Landtagen befindlichen Ausführungsregelungen zum Glücksspielstaatsvertrag konfrontiert. So auch das Verbandsmitglied des VDSD, die Sportwetten Gera GmbH. Für den Geschäftsführer der Sportwetten Gera GmbH Andreas Pietsch stellen sich allerdings die Folgen des Glücksspielstaatsvertrages und der Ausführungsgesetze als Enteignung dar.
Dies wurde nun auch in einem Gutachten durch den namhaften Kölner Rechtswissenschaftler Prof. Depenheuer bestätigt. Prof. Depenheuer führte sinngemäß im Gutachten aus, dass die Regelungen des Staatsvertrages mangels Erforderlichkeit einen verfassungswidrigen Eingriff in die bestandskräftige und unwiderruflich erteilte Rechtsposition der Erlaubnis der Sportwetten Gera GmbH darstellen. Im weiteren kommt der Gutachter dazu, dass dies im rechtlichen Sinn eine Enteignung darstellt.
Der Vorsitzende des CDU Kreisverbandes Gera, Norbert Hein, hält zur Erhaltung des Unternehmens und der Arbeitsplätze bei der Sportwetten Gera GmbH eine Beteiligung des Landes Thüringen zur Abwendung der Existenzvernichtung für sinnvoll. Auf Nachfrage des VDSD machte Andreas Pietsch seine Gesprächsbereitschaft hierzu deutlich und erklärte, dass eine ähnliche Lösung bereits in Rheinland- Pfalz gefunden wurde.
Auch Prof. Depenheuer kommt in seinem Gutachten dazu, dass die Einräumung einer maßgeblichen Beteiligung i.S. des § 10 II GlStV an das Land Thüringen als milderes Mittel gegenüber einer Enteignung zweckmäßig wäre. Auch hierdurch könnten die Ziele des Staatsvertrages jedoch auf freiheitsschonendere Weise erreicht werden. Offenbar hat an derartige Möglichkeiten noch kein Vertreter des Landes Thüringen gedacht.
In die Verabschiedung des Ausführungsgesetzes ist jedoch auch in Thüringen Bewegung gekommen. Es kann nur gehofft werden, dass sich die Mitglieder des Thüringer Landtags ein umfassendes Bild von der Situation machen werden und alle Alternativen abwägen.
Andreas Pietsch hofft, dass die Existenz eines Unternehmens und seiner Arbeitsplätze nicht für ein schon jetzt rechtlich umstrittenes Gesetzgebungsvorhaben geopfert wird. Bereits jetzt zeigt sich offenbar auch von der EU-Kommission hartnäckiger Widerstand gegen die Regelungen des Staatsvertrages.
Aus Sicht des VDSD ist jedoch der Glücksspielstaatsvertrag mehr vom Gedanken getragen das Monopol im Glücksspielwesen zu Gunsten der Länder zu manifestieren. Steigbügel ist das willkommene Argument der Bekämpfung der Glücksspielsucht. Deutlich wird dies aus der zögerlichen Handlungsweise der Länder dort, wo offenkundig Eigeninteressen betroffen sind. Einschränkungen mutet man eher anderen zu. Dies speist sich nicht nur aus der Sicht des VDSD. Bereits am 17.11.2006 hat sich der Fachverband Glücksspielsucht e.V. in einer Stellungnahme zum Entwurf des Staatsvertrages geäußert. Vorgeschlagen wurde hier z.B., anderslautend als in den jetzigen gesetzlichen Regelungen vorgesehen, eine generelle Begrenzung von Annahmestellen für Glücksspiele auf 50 % des vorhandenen Bestandes.
Eine zahlenmäßig konkrete Berücksichtigung einer Begrenzung der Annahmestellen ist im Staatsvertrag oder den Ausführungsgesetzen jedoch nicht erfolgt. Offenbar sehen die Länder hier keinen Handlungsbedarf um die Präsenz ihrer ca. 26.000 Annahmestellen wirksam und nachvollziehbar zu reduzieren. Dabei zählt es zum Basiswissen der Suchtforschung, dass Suchthäufigkeit und Angebotsnähe kausal verknüpft sind.
Ebenso wurde vom Fachverband Glücksspielsucht in der o.g. Stellungnahme mitgeteilt, dass ca. 80 % der derzeit wegen Glücksspielsucht in ambulanter oder stationärer Betreuung befindlichen Personen abhängig von Geldspielautomaten sind. Unter dem Gesichtspunkt der Schaffung eines einheitlichen Regelungsrahmens erscheint daher die Ausgrenzung gewerblicher Geldautomatenspiele unverständlich. Auch wenn eine formale Zuständigkeit des Bundes hierfür gegeben ist, erscheint eine Regelung hierfür mehr als dringend geboten.
Hieraus zeigt sich, dass die Regelungen im Staatsvertrag und anderen gesetzlichen Regelungen zu den unterschiedlichen Glücksspielarten und ihren Gefährdungspotentialen offensichtlich nicht sachgerecht abgestuft wurden. Ein Internetverbot von Sportwetten und Lotto ließe sich sonst wohl nicht rechtfertigen.
Auch die getroffene Regelung zu der vom Fachverband geforderten klaren Ausweiskontrolle im Bereich des Zutritts zu Spielbanken wird vom Fachverband Glücksspielsucht bemängelt. Der Terminus "oder eine vergleichbare Identitätskontrolle" lässt ausgehend von den Erläuterungen zum Entwurf des Staatsvertrages den Schluss zu, dass ein Abgleich aufgrund der biometrischen Ausweise erfolgen soll. Ob diese Verfahren bereits zum 01.01.2008 einsatzbereit sind, ist nicht bekannt. Es bleibt daher zu hoffen, dass auch beim sog. "Kleinen Spiel" lückenlose Ausweiskontrollen erfolgen.
Pikant wird dies unter Hinweis auf die vertragliche Vereinbarung im Kaufvertrag zwischen Casino Austria und Niedersachsen. Hier soll Casino Austria im Fall der Einführung von Ausweiskontrollen im Automatenspiel und folgendem Umsatzrückgang ein Rückforderungsrecht am Kaufpreis von bis zu 14 Mio. Euro zustehen. Ob hier nicht eine weiche Regelung des Zutritts zu Spielbanken gerade für diesen Fall gefunden werden sollte?
Insgesamt sehen sich der Glücksspielstaatsvertrag und die konkretisierenden Ausführungsgesetze bereits vor Wirksamkeit erheblichen Glaubwürdigkeitsbedenken ausgesetzt. Die Glücksspielsucht wird es schwer haben, nicht den Interessen zum Opfer zu fallen. Es scheint, als ob Glaubwürdigkeit nur bzw. mehr dort vermittelt wird, wo die Länder gerade nicht betroffen sind.
Ob die Länder, immerhin über ihre Landeslottogesellschaften selbst Markteilnehmer, überhaupt in der Lage sind, hinreichend Suchtprävention durchzusetzen, bleibt fraglich.
So drängt sich auf, dass die Länder offenbar erst nach dem BVerfG Urteil vom 28.03.2006 die Suchtprävention mehr als Kriterium der Aufrechterhaltung des Monopols erkannt haben. Wie kann sonst z.B. erklärt werden, dass die Bundesländer im Bundesrat erst kurz zuvor, im Dezember 2005, einer erheblichen Lockerung der Spielverordnung, welche die Geldautomatenspiele regelt, zugestimmt haben. Ob daher die Länder tatsächlich die Glücksspielsucht im Kern begrenzen oder dies nur als neues rechtliches Argument für das Monopol herhalten muss, wird sich zeigen.
Bedenken an der rechtlichen Ausgestaltung der Ausführungsgesetze und des Staatsvertrages wurden sowohl von betroffenen Unternehmen als auch der EU Kommission bereits hinreichend angemeldet. Ob der Glücksspielstaatsvertrag damit die kohärente systematische Begrenzung der Spielsucht tatsächlich regelt oder ob die Regelungen mehr unverhältnismäßige Auswirkungen für Konkurrenten haben, werden wohl die Gerichte zu entscheiden haben.
Interessant wird eine Abrechnung in zwei Jahren sein. Nach Zukunftsprognose des VDSD werden die Einnahmen der Gesellschaften des DTLB schrumpfen und die Kunden auf ausländische Anbieter - jedenfalls im Sportwettenbereich - ausweichen. In rechtlicher Hinsicht kommen auf die Länder möglicherweise erhebliche Schadenersatzforderungen zu, da bestehende private Erlaubnisse nach Vorstellungen der Länder quasi nach einem Jahr Übergangszeit entschädigungslos auslaufen sollen.
Eine signifikante Verringerung der Glücksspielsucht wird aufgrund der nach wie vor gegebenen nationalen und internationalen Präsenz von legalen und illegalen Glücksspielangeboten nicht eintreten.
Quelle: VDSD e.V.
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