Dienstag, 3. Februar 2009

Neues Messinstrument: Wie gefährlich sind Glücksspiele?

Pressemitteilung der Aktion Mensch vom 3. Februar 2009

Neues Messinstrument schafft Klarheit in der Bewertung von Glücksspielangeboten / Interdisziplinär besetztes Forscherteam präsentiert Ergebnisse


Auf Initiative der Aktion Mensch-Lotterie und der ARD-Fernsehlotterie "Ein Platz an der Sonne" haben führende Wissenschaftler das weltweit erste, empirisch validierte Messinstrument entwickelt, das das Gefährdungspotenzial von Glücksspielprodukten erheben kann.

"Mit dem von uns entwickelten Mess- und Bewertungsinstrument zur Feststellung des Gefährdungspotenzials von Glücksspielprodukten geben wir dem Gesetzgeber, der Rechtsprechung und der Verwaltungspraxis ein Werkzeug an die Hand, Glücksspielprodukte differenziert nach ihrem möglichen Gefährdungspotenzial zu bewerten", so Prof. Franz W. Peren vom Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, der heute im Wissenschaftszentrum Bonn die Ergebnisse des "Wissenschaftlichen Forums Glücksspiel" präsentierte. Seit Anfang 2007 hatte ein interdisziplinär besetztes Forscherteam mit Experten aus Ökonomie, Recht, Medizin, Psychologie und Soziologie an einem Mess- und Bewertungsinstrument zur Feststellung des Gefährdungspotenzials von Glücksspielen gearbeitet. "Ab sofort ist es möglich, ein messbares Profil einzelner Glücksspielprodukte zu erstellen. Das jeweilige Gefährdungspotenzial kann anhand unserer Mess- und Bewertungskriterien in transparenter Weise identifiziert und verglichen werden", so Prof. Gerhard Meyer von der Universität Bremen.

Umfassende empirische Basis

Die Forschung des "Wissenschaftlichen Forums Glücksspiel" basiert auf einer umfassenden und nachvollziehbaren empirischen Basis der Gefährdungskriterien und ihrer Gewichtung. Eine in dieser Form bisher einmalige Expertenbefragung (Delphi-Studie) in Deutschland, Österreich und der Schweiz erbrachte eine weitestgehende unabhängige Bestätigung. Hinzu kam eine empirische Untersuchung unter Normalspielern, Problemspielern und Anbietern. Ziel beider Befragungen: Strukturelle und situative Merkmale des Glücksspiels und damit des Gefährdungspotenzials von Glücksspielen zu ermitteln. Dies geschieht anhand von zwölf Kriterien, die wesentlich für Glücksspiele sind. So werden beispielsweise die Ereignisfrequenz, die Gewinnstruktur oder der Grad der Interaktivität gemessen. Die Kriterien werden anschaulich anhand von Scorecards oder Spinnendiagrammen dargestellt, so dass jedes Glücksspiel ein individuelles Profil erhält.

Staatsvertrag zum Glücksspielwesen

Seit dem 1. Januar 2008 gilt der Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlüStV). Der Kontrakt schränkt unter anderem die Werbung und den Vertrieb von Glücksspielprodukten ein, was bei den meisten Anbietern zu teilweise drastischen Umsatzeinbußen geführt hat. Außerdem differenziert der GlüStV nur unzureichend zwischen Lotterien mit geringem Gefährdungspotenzial und solchen mit besonderem Gefährdungspotenzial. "In der praktischen Umsetzung entsteht jedoch gegenwärtig eine hohe Rechtsunsicherheit", erklärt Prof. Jörg Ennuschat von der Universität Konstanz. Umso wichtiger sei ein quantitatives Werkzeug, mit dem sich die Gefährdungspotenziale der angebotenen Glücksspielprodukte messen und vergleichen lassen. "Denkbar wäre", so der wissenschaftliche Leiter des Projektes, Prof. Peren, "eine wissenschaftlich begleitete Zertifizierung durch eine unabhängige Prüfstelle, die angebotene Glücksspiele nach ihrem jeweiligen Suchtgefährdungsgrad einstuft". Damit könnten Verbraucher selbstständig beurteilen, wie gefährlich ihr Glücksspiel ist. Gleichzeitig erhielten Anbieter auf dieser Grundlage die Möglichkeit, neue, weniger Sucht gefährdende Produkte zu entwickeln. Prof. Peren stellte abschließend fest: "Das heute vorgestellte Instrument mit öffentlichen Mitteln für die Suchtforschung weiterzuentwickeln und fortzuschreiben, wäre eine gesellschaftspolitisch und volkswirtschaftlich sinnvolle Investition zum Wohle aller Beteiligten und Betroffenen."

Finanziert wurden die Forschungen von den beiden Soziallotterien "Aktion Mensch" und der "ARD-Fernsehlotterie". Beide Lotterien engagieren sich auch für die Suchtprävention und stellen aus ihren Erträgen erhebliche Mittel für Einrichtungen der Suchthilfe zur Verfügung.

Die Mitglieder des Wissenschaftlichen Forums Glücksspiel:

Prof. Dr. Dr. Franz W. Peren, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, wissenschaftlicher Projektleiter (Ökonomie, Quantitative Methoden)
Prof. Dr. Reiner Clement, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (Ökonomie)
Prof. Dr. Wiltrud Terlau, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (Ökonomie)
Prof. Dr. Sabine Grüsser-Sinopoli (gest.), Institut für Medizinische Psychologie, Charité - Universitätsmedizin Berlin (Medizin/Psychologie)
Diplom-Psychologin Chantal Mörsen, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Mainz (Medizin/Psychologie)
Prof. Dr. Manfred E. Beutel, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Direktor Universitätsklinikum Mainz (Medizin/Psychologie)
Martin Reeckmann, Selbständiger Rechtsanwalt, Regierungsdirektor a. D. (Rechtswissenschaft)
Prof. Dr. Tilman Becker, Universität Hohenheim, Forschungsstelle Glücksspiel, geschäftsführender Direktor (Ökonomie)
Prof. Dr. Jörg Ennuschat, Universität Konstanz, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht mit Schwerpunkt Verwaltungsrecht (Rechtswissenschaft)
Prof. Dr. Jörg Häfeli, Fachhochschule Zentralschweiz, HSA Luzern (Sozialwissenschaft)
Prof. Dr. Gerhard Meyer, Universität Bremen, Institut für Psychologie und Kognitionsforschung (IPK) (Psychologie)

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
Aktion Mensch
Karl-Josef Mittler
Telefon: 0172 - 243 72 32
karl.josef.mittler@aktion-mensch.de

Hochschule Bonn-Rhein-Sieg
Prof. Dr. Dr. Franz W. Peren
Telefon: 0177 - 29 98 300
mail@apbs.eu

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Glücksspielrecht, Glücksspielstaatsvertrag, Glücksspielsucht, Gefährdungspotenzial von Glücksspielen, Wissenschaftliches Forum Glücksspiel

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