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Donnerstag, 26. April 2012
Wolfgang Kubicki: Glücksspielstaatsvertrag ist europarechtswidrig
In seiner Rede zu Top 19 und 23 (Erste Lesung des Entwurfes eines Gesetzes zur Aufhebung des Gesetzes zur Neuordnung des Glücksspiels; Beitritt des Landes zum Glücksspielstaatsvertrag) erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki:
"Wir beraten heute bereits zum zweiten Mal das Gesetz zur Aufhebung des Glücksspielgesetzes. Ein objektiver Zuhörer müsste nun die Erwartung haben, dass sich neue Tatbestände ergeben haben, die die Regierungskoalition zwingen müsste, ihre bisherige Meinung zu überdenken. Für die Antragssteller scheint ein Grund die Stellungnahme der EU-Kommission zum Glücksspielstaatsvertrag der anderen fünfzehn Bundesländer zu sein. Tatsächlich aber ist diesem von Seiten der EU-Kommission nur eine höflich formulierte, aber ein-deutige Absage erteilt worden.
Dass Sie, Herr Dr. Stegner, eine ungewöhnliche, teils geradezu bizarre Rechtsauffassung vertreten, war mir bekannt. Als Politologe sei Ihnen das auch gestattet. Aber mittlerweile zweifle ich an Ihren Englischkenntnissen. Sie haben hier im Plenum am 21. März erklärt, dass eine Befassung problemlos möglich sei, auch wenn die Mitteilung bis dahin nur in englischer Sprache vorlag.
Nur weil die Mitteilung der EU-Kommission in diplomatisch-höflichem Ton geschrieben ist, heißt das nicht, dass die EU-Kommission den Entwurf positiv bewertet. Sie dürfen Höflichkeit nicht als Zustimmung auslegen.
Die EU-Kommission sieht auch weiterhin die quantitative Anzahl der Lizenzen äußerst kritisch. Dazu zitiere ich aus der EU-Mitteilung: 'Die Kommission hat festgestellt, dass sie im Zusammenhang mit den von den deutschen Behörden angegebenen Hauptzielen (im Einzelnen die Kanalisierung der Verbrauchernachfrage in ein gesteuertes System sowie die Bekämpfung von Kriminalität und Betrug) nicht erkennen kann, inwiefern eine Beschränkung der Gesamtzahl der Konzessionen für das Angebot von Online-Sportwetten zur Erreichung der gesetzten Ziele geeignet ist.‘
Statt möglichst hohe Standards gegen Geldwäsche und beim Spielerschutz zu setzen und damit die Probleme zu bekämpfen, wollen die anderen Bundesländer durch die quantitative Beschränkung der Anzahl das Problem lösen. Das wäre in etwa so, wie wenn wir beschließen würden, dass wir die Qualität bei den Medizinberufen dadurch steigen wollen, dass wir die Zahl der Zulassungen bei Ärzten beschränken. Da fordern wir doch auch qualitative Hochschulabschlüsse und lassen nicht jeden selbst ernannten Medizinmann eine Lizenz erwerben.
Die EU-Kommission wird auf Seite 2 der deutschen Stellungnahme noch deutlicher, indem sie die 15 Bundesländer deutlich ermahnt. 'Die Dienststellen der Kommission möchten jedoch daran erinnern, dass derartige Beschränkungen zur Erreichung der avisierten Ziele geeignet sein und die Bedingungen in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit erfüllen müssen, welche in der Rechtsprechung des Gerichtshofs festgelegt wurden.‘
Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass ein Mitgliedsstaat alle Umstände darlegen muss, weshalb und wie er eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs in der EU durch eine nationale Maßnahme begründen möchte. Denn nur dann ist eine Einschätzung möglich, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen tatsächlich dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Dieser Forderung sind die 15 Bundesländer nicht nachgekommen. Die Kommission kritisiert in ihrer Mitteilung mehrfach die fehlenden wissenschaftlichen Erhebungen, welche die Maßnahmen aus dem Glücksspielstaatsvertrag rechtfertigen könnten.
Zudem zeigt sich, dass der Glücksspielstaatsvertrag nun auch unüberbrückbare beihilferechtliche Schwierigkeiten bekommen wird. In einem Brief an den Finanzausschuss weist das Bundesfinanzministerium darauf hin, dass die vorgeschlagene Absenkung des Steuersatzes im Rennwett- und Lotteriegesetzes europarechtswidrig ist. Die seit 1922 geltende Rückerstattung des Aufkommens aus der Besteuerung von Pferdewetten, mit denen die Pferdezucht finanziert wird, stellt eine Beihilfe dar.
Dass dies bislang nicht beanstandet wurde, liegt an der Tatsache, dass der Kommission die Existenz dieser Vergünstigung vermutlich gar nicht bekannt war. Wenn nun durch den Glücksspielstaatsvertrag eine materiell-rechtliche Änderung des Steuergesetzes erfolgt, wird eine Notifizierung durch die EU-Kommission notwendig. Aufgrund der beihilferechtlichen Problematik bei Pferdewetten sowie der vorgesehenen unterschiedlichen Besteuerung von Sport- und Pferdewetten, die objektiv nicht begründbar ist, würde die gewünschten Genehmigung der Beihilfe seitens der EU-Kommission ausbleiben.
Die EU-Kommission kritisiert weiter, dass ihr schleierhaft sei, wie man mit der 'beschränkten Zahl verfügbarer Konzessionen und mit einer sehr hohen Glücksspielabgabe in der Summe (…), ein wirtschaftlich tragfähiges und in der Folge stabiles und attraktives Onlineangebot für Sportwetten bereit(zu)stellen‘ will.
Wer dem uns hier vorliegenden Gesetzentwurf der SPD zustimmt, zwingt den Landtag einer europarechtswidrigen Regelung zuzustimmen, die vor Gericht keinen Bestand haben wird. Der Glücksspielstaatsvertrag ist kein geeignetes Mittel, um den bestehenden Graumarkt auszutrocknen und das Glücksspiel unter strengere staatlicher Aufsicht zu stellen.
Und wer dem Gesetzesentwurf der SPD zustimmt, wird keine zusätzlichen Einnahmen, weder für den Haushalt noch für den Sport im Land, erzielen. Es reicht nicht, in Sonntagsreden immer nur die Bedeutung des Sports für Gesellschaft, Integration und Entwicklung anzupreisen. Es müssen auch Taten erfolgen. Mit der heutigen Abstimmung können Sie das dokumentieren. Wer dem vorgelegten Gesetzentwurf der SPD zustimmt, stimmt gleichzeitig gegen den Breitensport in unserem Land."
Quelle: FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag
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