Der Bundesgerichtshof (BGH) hat gegen eine Strafbarkeit der Vermittlung von Sportwetten nach § 284 StGB erhebliche verfassungsrechtliche und europarechtliche Bedenken geäußert. Der BGH hat daher ein Strafverfahren gegen einen Sportwettenvermittler eingestellt und die Verurteilung des Angeklagten durch das Landgericht Frankfurt am Main aufgehoben (Beschluss vom 29. November 2006, Az. 2 StR 55/06). Das Landgericht hatte dem Angeklagten vorgeworfen, ohne Erlaubnis Sportwetten einer in London ansässigen Gesellschaft, die (nur) eine nach britischem Recht erforderliche Genehmigung verfüge, vermittelt und sich damit nach § 284 StGB (unerlaubtes Glücksspiel) strafbar gemacht zu haben.
In der nun vorliegenden Begründung führt der BGH aus:
"Das angefochtene Urteil begegnet im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 (NJW 2006, 1261) - die Verfassungswidrigkeit des bayerischen Sportwettenmonopols betreffend - und verschiedener Entscheidungen des EuGH (u. a. Urteil vom 6. November 2003 - Rechtssache C 243/01 - Gambelli - zur Gemeinschaftsrechtsschädlichkeit italienischer Sportwettenbestimmungen) Bedenken. Im Einzelnen wird auf die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft in der Antragsschrift vom 28. Juni 2006 und die dort dargestellte Einstellungspraxis der hessischen Staatsanwaltschaften in gleichartigen Verfahren verwiesen.“
Die Bundesanwaltschaft hatte in der vom BGH zitierten Stellungnahme ausgeführt, dass es fragwürdig sei, „ob das Strafrecht zur Durchsetzung eines staatlichen Wettmonopols dienen kann, das sowohl gegen deutsches Verfassungsrecht als auch gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt“. Die Bundesanwaltschaft verwies im Übrigen auf die Urteilsbegründung des OLG Stuttgart (Urteil vom 26. Juni 2006, Az. 1 Ss 296/05), wonach das Risiko extrem unklarer und zum Teil widersprüchlicher Entscheidungen der Straf- wie auch der Verwaltungsgerichte nicht auf dem Rücken einzelner Bürger ausgetragen werden könne.
Kommentar: Die strafrechtliche Rechtslage dürfte mit dieser höchstrichterlichen Entscheidung endgültig im Sinne einer Straflosigkeit des binnengrenzüberschreitenden Vermitteln von Sportwetten geklärt sein. Nachdem sich neben dem BGH mehrere Oberlandesgerichte (OLG München und OLG Stuttgart), Landgerichte (LG Regensburg, LG München, LG Ravensburg, LG Berlin u. a.) sowie zahlreiche Amtsgerichte (AG Bielefeld, AG München, AG Regensburg, AG Essen, AG Biberach u.a.) nach dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 gegen eine Strafbarkeit ausgesprochen haben, ist eine Bestrafung spätestens bei der Prüfung der Schuld ausgeschlossen. Europarechtlich ist § 284 StGB nicht anwendbar, wenn der Buchmacher, an dem die Sportwetten grenzüberschreitend vermittelt werden, in einem anderen EU-Mitgliedstaat ordnungsgemäß zugelassen ist.
aus: Sportwettenrecht aktuell Nr. 60
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