von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
Während die Niedersächsische Staatskanzlei in der letzten Woche verkündet hat, dass die Verabschiedung des geplanten Glücksspielstaatsvertrags im Zeitplan sei, ist rechtlich die Lage weiterhin unklar. So hat die Europäische Kommission mehrfach bei einem Inkraftreten des Staatsvertrags ein Vertragsverletzungsverfahren angekündigt, da sie die Regelungen des Vertrags aus mehreren Gründen für klar europarechtswidrig hält. In ähnlicher Weise hatte sich auch das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart geäußert, dass kürzlich drei Sportwettenfälle dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt hatte (vgl. Sportwettenrecht alltuell Nr. 86).
Gesetzgebungsverfahren zum Glücksspielstaatsvertrag
Der im Dezember 2006 von damals 15 der 16 Ministerpräsidenten abgesegnete Entwurf des Staatsvertrags ist inzwischen von allen Länderministerpräsidenten unterschrieben worden. Schleswig-Holstein, das sich wegen europa- und kartellrechtlicher Bedenken gegen den Entwurf ausgesprochen hatte, ist kürzlich eingeknickt. Erstaunlicherweise wurden dafür europarechtlich gerade nicht beachtliche, sondern eher schädliche fiskalische Gründe genannt. Auch andere Bundesländer, die rechtliche Bedenken geäußert hatten, wie etwa Baden-Württemberg, haben sich notgedrungen der Mehrheit angeschlossen.
Damit der Vertrag in Kraft treten kann, sind nunmehr Zustimmungsgesetze der Länder erforderlich. Diese werden derzeit von den Landtagen verabschiedet. Erstaunlich ist bei den bislang vorliegenden Gesetzesbegründungen, dass auf die erheblichen europarechtlichen Probleme, die einschlägige Rechtsprechung des EuGH und des EFTA-Gerichtshofs und die durchgreifenden Bedenken der Europäischen Kommission fast nicht eingegangen wird. Lapidar heißt es lediglich, dass die Länder keine Veranlassung gesehen hätten, den Entwurf aufgrund der Stellungnahme der Kommission zu ändern. Hinsichtlich des bereits seit April 2006 förmlich laufenden Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland heißt es ebenso pauschal, dass man den Einwänden der Kommission entgegengetreten sei.
Einwände der Europäischen Kommission
Offensichtlich werden die Länderparlamentarier von der Ministerialbürokratie nicht hinreichend informiert. Die Europäische Kommission beurteilt nämlich sämtliche wesentliche Regelungen des Staatsvertrags als ungerechtfertigte Beeinträchtigungen der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit. Diese Bedenken sind bislang keinesfalls zerstreut worden. Vielmehr hat die Kommission mehrfach ausdrücklich auf die Europarechtswidrigkeit des Staatsvertrags hingewiesen.
Ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren ist bislang nur deswegen nicht eingeleitet worden, weil der Staatsvertrag bislang noch gar nicht förmlich verabschiedet worden ist. So führt der für den Binnenmarkt zuständige EU-Kommissar McCreevy in einem Schreiben vom Juni 2007 aus: "Daher kann die Kommission, wenn die deutschen Bundesländer den Entwurf für ein Staatsvertrag zum Glücksspielwesen bis Ende 2007 formell verabschieden, ohne der ausführlichen Stellungnahme und der zusätzlichen Stellungnahme der Kommission Rechnung zu tragen, erst im Jahr 2008 gegen Deutschland ein neues Vertragsverletzungsverfahren wegen der in der ausführlichen Stellungnahme und der zusätzlichen Stellungnahme genannten Aspekte einleiten.“
Bedenken der Gerichte
Auch zahlreiche deutsche Gerichte halten sowohl die derzeitige - vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig beurteilte - Rechtslage wie auch die geplante Regelung für rechtswidrig. Kartellrechtlich sind zum einen die Marktaufteilung nach innen (sog. Regionalisierung) wie zum anderen die Marktabschottung nach außen durch den Deutschen Lotto- und Totoblock (rechtlich gesehen ein Hardcore-Kartell) bedenklich. Angesichts der sachlich nicht gerechtfertigten Inkonsistenz der Regelungen wird es sicherlich zu einer verfassungsrechtlichen Überprüfung kommen. Hinter zahlreichen Einzelregelungen sieht man die "fiskalische Gier" durchscheinen, während für den durchaus erforderlichen Kundenschutz weniger beschränkende Regelungen vielleicht in der Praxis viel effektiver wären.
Europarechtlich ist der Glücksspielstaatsvertrag nicht haltbar, worauf die Europäische Kommission sowohl in Notifizierungsverfahren (bezüglich Internet-Dienstleistungen) wie auch in einem ergänzenden Schreiben hingewiesen hat. Darauf stellen auch das VG Gießen und das VG Stuttgart in ihren Vorlagebeschlüssen ab. Eine Beschränkung der Niederlassungs- und Deinstleistungsfreiheit ist nur dann zulässig, "wenn die Glücksspiel- und Wetttätigkeit kohärent und systematisch begrenzt wird" (VG Stuttgart). Eine systematische und kohärente Begrenzungspolitik gebe es in Deutschland allerdings nicht, da etwa bei den bezüglich der Suchbekämpfung besonders gefährlichen Glücksspielautomaten suchtrelevante Begrenzungen gelockert wurden und für den Jackpot "in geradezu aufreizender Art und Weise" geworben werde.
Fazit: Die Hängepartie wird wohl noch einige Jahre dauern, bis der EuGH die Vorlageverfahren aus Deutschland sowie das (bzw. die) wohl nunmehr unvermeidliche(n) Vertragsverletzungsverfahren entschieden hat. Bis dahin werden wohl mehrere Hunderte laufender Gerichtsverfahren ausgesetzt werden, was etwa das VG Stuttgart bereits angekündigt hat. Interessant dürften nach einem EuGH-Urteil die Schadensersatzprozesse wegen der europarechtswidrigen Untersagungsverfügungen und wegen des rechtswidrig verweigerten Marktzugangs werden.
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