Pressemitteilung des VG Braunschweig vom 15. April 2008:
Das Anbieten und die Vermittlung privater Sportwetten, die nicht von der Toto-Lotto-Niedersachsen GmbH (TLN) veranstaltet werden, darf nicht mit Sofortvollzug untersagt werden. Dies hat das Verwaltungsgericht Braunschweig am 10. April 2008 in einem Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes entschieden.
Die Anfang 2008 in Kraft getretenen Regelungen des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland und des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes zum Monopol des staatlichen Sportwettenveranstalters unterliegen nach der Entscheidung des Gerichts erheblichen verfassungs- und europarechtlichen Bedenken. Deshalb sei die Untersagungsverfügung des Niedersächsischen Innenministeriums aller Voraussicht nach rechtswidrig und dürfe nicht vollstreckt werden. Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat damit seine bisherige Rechtsprechung zur Zulässigkeit des staatlichen Wettmonopols aufgegeben.
Die Bedenken stützt das Gericht darauf, dass die staatlichen Wetten in Niedersachsen entgegen einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom März 2006 weiterhin über die Annahmestellen von TLN vertrieben werden, die sich in für Jugendliche frei zugänglichen Kiosken und ähnlichen Räumlichkeiten befänden; dadurch werde der Abschluss von Sportwetten "zu einem allerorts verfügbaren Gut des täglichen Lebens". Dies werde den Zielen der (Spiel-)Suchtprävention und des Jugendschutzes nicht gerecht.
Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen gegen die niedersächsische Regelung auch europarechtliche Bedenken. Der Europäische Gerichtshof habe in seinen Entscheidungen ein staatliches Wettmonopol, das in die europarechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit eingreife, nur unter besonderen Voraussetzungen zugelassen: Erforderlich ist danach, dass die nationale Regelung ein zusammenhängendes und widerspruchsfreies System darstelle, das geeignet sei, die Ziele der Suchtprävention und des Jugendschutzes umzusetzen und dabei einzelne Anbieter nicht ohne sachlichen Grund benachteilige. Dem werde das aktuelle Monopolsystem - so das Verwaltungsgericht - nicht gerecht. In einigen Bundesländern hätten private Anbieter zugelassen werden müssen. Außerdem werde mit den Sportwetten ein Bereich aus dem gesamten Glücksspielsektor herausgegriffen, ohne dass dies z. B. unter dem Gesichtspunkt einer besonderen Suchtgefährdung zu begründen sei. Demgegenüber seien Schutzvorschriften beispielsweise beim Automatenspiel gelockert worden, und auch die Spielkasinos in Niedersachsen würden privat betrieben.
Gegen den Beschluss können die Verfahrensbeteiligten Beschwerde beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg einlegen, das über die seit Anfang 2008 gültige Neuregelung noch nicht entschieden hat.
(Aktenzeichen: 5 B 4/08)
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