Pressemitteilung des OVG NRW vom 30. September 2011
Untersagungsverfügungen, mit denen die Ordnungsbehörden allein unter Berufung auf das staatliche Sportwettenmonopol (sog. Oddset-Wetten) gegen private Sportwettbüros vorgegangen sind, sind rechtswidrig, weil das Monopol nicht mit Europarecht vereinbar ist. Dies hat der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts mit Urteil vom 29. September 2011 entschieden und damit seine bisher in Eilverfahren vertretene Rechtsauffassung aufgegeben (vgl. Pressemitteilungen vom 13. März 2008 und 15. November 2010).
Nach den inzwischen vom EuGH und vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Maßstäben verletze das staatliche Monopol im Bereich der Sportwetten die europarechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit. Denn der Staat überlasse zugleich andere Glücksspielbereiche mit höherem Suchtpotential privaten Anbietern und nehme die Ausweitung des Marktes hin. Er verhalte sich dadurch widersprüchlich. Seit der im Jahr 2006 erfolgten Neuregelung für gewerbliche Automatenspiele sei vor allem bei Geldspielautomaten in Spielhallen nach allen einschlägigen Studien ein erhebliches Wachstum bezüglich Umsatz und Zahl der Spielgeräte zu verzeichnen. Dies führe zu einer Zunahme des Suchtpotentials, zumal die Neuregelungen zur Entwicklung von Automaten geführt hätten, die im Hinblick auf alle suchtfördernden Merkmale gefährlicher seien als die früher zulässigen. Weil sich diese Expansion in einem wirtschaftlich bedeutsamen Bereich des Glückspielmarktes vollzogen habe, könne das Sportwettenmonopol sein Ziel, die Spielsucht zu bekämpfen, nicht in stimmiger Weise erreichen und sei deshalb europarechtlich nicht zu rechtfertigen. Hinzu komme, dass das gegenwärtige Werbeverhalten des deutschen Lottoblockes die strengen Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts weiterhin nicht einhalte. Der Monopolträger dürfe danach lediglich sachlich informieren, um die Spiellust in legale Bahnen zu lenken. Hiermit seien weder die ständigen Werbekampagnen, die hohe Jackpots in den Vordergrund rückten („Westlotto informiert: Der Lotto-Jackpot wurde bei der letzten Ziehung nicht geknackt. Deshalb heute im Jackpot .... Mio. Euro“), noch die weiterhin betriebene Image-Werbung („Lotto hilft ..“) vereinbar.
Die Entscheidung betrifft die Betreiberin eines privaten Wettbüros in Mönchengladbach, der bereits im Jahr 2006 die Sportwettenvermittlung von der beklagten Stadt Mönchengladbach untersagt worden war. Es handelt sich um die erste Hauptsachenentscheidung des Oberverwaltungsgerichts zu dieser Fragestellung. Beim Senat sind noch zahlreiche gleich gelagerte Fälle aus anderen Städten und Gemeinden des Landes anhängig.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde erheben, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Az.: 4 A 17/08
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