Kiel (SHL/24.01.) Nach zweistündiger, kontroverser Debatte hat die Nord-Ampel das Glücksspielgesetz der schwarz-gelben Vorgängerkoalition endgültig gekippt und den Beitritt zum Staatsvertrag der 15 anderen Länder beschlossen. "Die politische Geisterfahrt Schleswig-Holsteins geht damit zu Ende", erklärte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner mit Blick auf CDU und FDP, die mit heftigem Protest reagierten. Stegner gehe vor "wie ein blinder Bulldozer-Fahrer" und ignoriere alle rechtlichen Bedenken, entgegnete der CDU-Abgeordnete Hans-Jörn Arp.
Fest steht: Auch nach dem Kursschwenk wird der Norden ein Sonderfall bleiben, denn die 23 Sportwett-Lizenzen und die 13 Genehmigungen für Online-Poker, die das Innenministerium nach dem alten Gesetz bereits vergeben hat, gelten weiter. Vor diesem Hintergrund herrschte im Plenum in einem Punkt Einigkeit: Die Diskussion um die Regulierung des Glücksspiel-Marktes wird fortgesetzt, sowohl politisch als auch juristisch.
Zum einen steht der Staatsvertrag der 15 anderen Länder auch in den Reihen der schleswig-holsteinischen Regierungskoalition in der Kritik - Grüne und SSW sehen hier Nachholbedarf. Zum anderen sind die Gerichte gefragt. So hat der Bundesgerichtshof unmittelbar vor der Landtagsdebatte ein Verfahren zur Vergabe von Glücksspiel-Lizenzen in NRW ausgesetzt und den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen. Der soll nun klären, wie die derzeitige rechtliche "Inkohärenz" in Deutschland zu bewerten ist - Stichworte: Spiel-Erlaubnis im Norden, Spiel-Verbot überall anders.
Stegner wirft ehemaliger schwarz-gelber Landesregierung Lobbyismus vor
Diese vertrackte rechtliche Lage sei eine von Union und Liberalen hinterlassene "politische Sprengfalle", zürnte Stegner. Unter dem "Einfluss einer milliardenschweren Lobby" hätten Christdemokraten und Liberale eine "destruktive Politik" zulasten der Spielsüchtigen betrieben. Arp und FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki, die als Motoren der schwarz-gelben Regelung aus dem letzten Jahr gelten, wiesen dies empört zurück.
Arp und Kubicki verweisen auf ungeklärte Rechtslage und prophezeien Klagen
"Unser Gesetz ist von der EU-Kommission genehmigt, Ihr Entwurf wird vor dem EuGH gnadenlos scheitern", sagte Arp an die Adresse der Koalition. Und er prophezeite: "Noch in diesem Jahr werden Sie einen neuen Gesetzentwurf vorlegen müssen, der mit EU-Recht vereinbar ist." Kubicki hieb in die gleiche Kerbe: "Wie können Sie im gleichen Rechtsraum etwas gleichzeitig verbieten und erlauben?", fragte er mit Blick auf die Nord-Ampel. Die "imaginäre magische Zahl" von 20 Sportwetten-Lizenzen, die der Staatsvertrag vorsieht, sei bereits überschritten, denn Schleswig-Holstein habe schon 23 Genehmigungen erteilt. Die Folge, so Kubicki: "Drei werden klagen."
Grüne wollen Staatsvertrag nachverhandeln: Komplettverbot nicht mehr zeitgemäß
Während Innenminister Andreas Breitner (SPD) den Staatsvertrag als "einheitlich, kohärent und systematisch" lobte, riefen Rasmus Andresen (Grüne) und Lars Harms (SSW) dazu auf, den Vertrag nun unter schleswig-holsteinischer Beteiligung rasch nachzuverhandeln. Ein "Komplettverbot von Online-Poker und eine Minimal-Legalisierung von Sportwetten ist nicht mehr zeitgemäß", betonte Andresen. Die Bundesländer müssten den im Internet florierenden Schwarzmarkt "kanalisieren" und besteuern. Harms forderte, auch Spielautomaten, die als Süchtigmacher gelten, stärker zu regulieren: "Wenn man das Online-Glücksspiel beschränken will, wie wir es wollen, dann muss auch über kurz oder lang, das Spielhallenrecht angepasst werden."
Piraten fordern Kanalisierung in einen regulierten Markt mit starken Schutzvorkehrungen
Patrick Breyer (Fraktionschef der Piraten) warf Rot-Grün-Blau vor, sich mit der Annahme des im Glücksspiel-Staatsvertrag verankerten Verbots von Internet-Glücksspiel "komplett von der Lebenswirklichkeit zu verabschieden". 90 Prozent des Glücksspiels finde schon heute im unregulierten Markt statt, wo keinerlei Schutz zu gewährleisten sei. "Der beste und einzig wirksame Schutz vor Spielsucht ist die Kanalisierung von Glücksspiel in einen regulierten Markt mit starken Schutzvorkehrungen", so Breyer. Wie Schwarz-Gelb votierten auch die Piraten gegen den Kurs der Koalition in namentlicher Abstimmung.
Landtag Schleswig-Holstein/plenum-online
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