Die Problematik des grenzüberschreitenden Angebots von Glücksspielen beschäftigt schon seit mehreren Jahren die Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organisation). Nachdem die USA eine Entscheidung des Streitbeilegungsgremiums (Dispute Settlement Body) der WTO vom 20. April 2005 nicht umgesetzt hatten, wurden sie nunmehr mit einem Spruch eines Gremiums der WTO, dem sog. Compliance Panel, verurteilt (41-seitiger „Report of the Panel“ vom 30. März 2007, Az. WT/DS285/RW, abrufbar unter www.wto.org).
Der Karibikstaat Antigua und Barbuda ist in dem bereits 2003 eingeleiteten Ausgangsverfahren gegen die USA mit dem Argument vorgegangen, dass die amerikanische Gesetzgebung zum Internet-Glücksspiel WTO-Recht verletze. Der kleine Karibikstaat mit lediglich 67.000 Einwohnern berief sich dabei auf die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, die Internet-Casinos und andere Online-Glücksspielangebote für ihn hätten. Die durch das Allgemeine Abkommen über dem Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services - GATS) garantierte Dienstleistungsfreiheit werde durch das Gesetzesregelungen der USA und deren Bundesstaaten verletzt. Nach amerikanischer Rechtsauffassung werden insbesondere nach dem 1961 erlassenen Wire Act alle Online-Glücksspiele als illegal betrachtet, während nach dem Interstate Horseracing Act (IHA) Ausnahmen denkbar sind.
Bereits in dem Ausgangsverfahren wurde festgestellt, dass das Angebot von Glücksspielen als „andere Unhaltungsdienstleistungen“ in den Anwendungsbereich dieses WTO-Abkommens fällt. Ein Grundprinzip der WTO-Übereinkommen stellt das Gebot der Inländerbehandlung dar. Dieses verpflichtet die Mitgliedstaaten (zu denen seit Anfang 1995 auch Antigua gehört), ausländische Dienstleistungen nicht schlechter zu behandeln als gleichartige inländische. Antigua argumentierte, dass Glücksspielanbieter aus Antigua gegenüber amerikanischen Anbietern diskriminiert würden. Damit verletzten die USA die Art. II, VI, VIII, XI, XVI und XVII des GATS.
Mit seiner Rechtsauffassung war Antigua zumindest teilweise erfolgreich, auch wenn das Berufungsgremium der WTO (Appelate Body) einige Feststellungen des Ausschusses (Panel) abgeändert hatte (Report of the Appelate Body vom 7. April 2005).
Die USA erklärten daraufhin bei einem Treffen des Streitbeilegungsgremiums am 19. Mai 2005, dessen Empfehlungen innerhalb einer „angemessenen Frist“ umzusetzen. Ein von dem WTO-Generaldirektor benannter Schiedsrichter, Herr Dr. Claus-Dieter Ehlermann, setzte als entsprechend „angemessene Frist“ für die Umsetzung den 3. April 2006 fest (Schiedsspruch vom 19. August 2005).
Nachdem Antigua der Auffassung war, dass die USA keine Maßnahmen ergriffen hätten, die Empfehlungen und Anordnungen des WTO-Streitbeilegungsgremiums umzusetzen, wurde das vorliegende Verletzungsverfahren nach Ablauf der Umsetzungsfrist eingeleitet. Dies führte zu der nunmehrigen Verurteilung der USA. Das WTO-Gremium stellte fest, dass die USA nicht die Entscheidung im Ausgangsverfahren umgesetzt haben. Die im Ausgangsverfahren bereits von den USA genannten Maßnahmen stellten keine Umsetzung dar.
Das WTO-Gremium verwarf damit die Auffassung der USA, dass die amerikanischen Regelungen nicht im Sinne des GATS diskriminierend seien. So bestehe zwischen dem Interstate Horseracing Act und dem Wire Act ein nicht eindeutiges Verhältnis. Dies habe sich auch durch den im Oktober 2006 vom US-Kongress verabschiedeten Unlawful Internet Gambling Enforcement Act (UIEGA) nicht geändert.
Kommentar:
Die vorliegende Entscheidung zeigt, wie wenig die USA bereit sind, die von ihnen übernommen internationalen Verpflichtungen auch einzuhalten. Das WTO-Panel kritisiert in seinem Spruch bereits eingangs das Verhalten der USA, eine vorläufige, ausdrücklich als vertraulich bezeichnete Fassung in unangemessener Weise öffentlich zu kommentieren. Das Gremium stellt mehrfach fest, dass die USA keinerlei Maßnahmen ergriffen hätten, die Entscheidung des Streitbeilegungsgremiums der WTO vom April 2005 auch umzusetzen.
aus: Sportwettenrecht aktuell Nr. 77
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